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Mittwoch, 17. Februar 2016

Die niedrigen Sünden sind die höheren (3)

 Teil 3) Die 10 Gebote - Eine vollkommene menschliche Psychologie, 
und der Bauplan der Kultur




Wer die Hierarchie der 10 Gebote also reflektiert, die eine komplette Psychologie darstellen, wer den Menschen kennt, begreift bald, daß es keine 8. oder 10. Gebotssünde gibt, OHNE daß gegen die übrigen, vorhergehenden, "höherrangigen" Sünden bereits mit verstoßen zu haben. Die Sünden laut Dekalog werden also nicht geringer, sondern sie werden lediglich spezifischer, konkreter in der Vielfalt, aber umso verhängnisvoller. Sie werden zum Ausdruck eines Verstoßes gegen die höheren Gebote, sind also darin bereits enthalten. Wer des nächsten Gut begehrt kann dies nur, wenn ihm sämtliche vorherigen Wesenseigentümlichkeiten wahrhaftigen Lebens bereits fehlen. 

Ja noch mehr: Wer gegen die späteren, von so vielen Beichtigern nahezu bagatellisierten Gebote verstößt, wer sie gar als isolierte Taten versteht, die ja weniger wögen - weil eben niedriger (als: später) gereiht wären - ist vielmehr bereits so weit gesunken, daß ihm die eigentlichen Verfehlungen gegen das Sein gar nicht mehr zu Bewußtsein kommen. Wer im 5. Gebot (ohnehin eines der verkanntesten, heute extrem häufigen, ja Generaltonus der Gesellschaft seienden Gebote) hängt, tut dies nur, weil er in den vorherigen vier Geboten bereits versagt hat. Wer im 6. Gebot seine unüberwindliche Hürde findet, tut dies nur, weil er zuvor bereits gemordet hat. Ja. Gemordet. Und zuvor die Eltern, die Tradition, ja eigentlich: die familiäre und völkische Verhaftetheit verachtet hat, was direkt mit dem Wesen von Persönlichkeit zu tun hat.

Es ist damit gelinde gesagt eine Selbstlüge zu meinen, daß das Versagen im 7. oder 9. (etc.) Gebot für sich stünde, und deshalb für sich gebeichtet werden könnte, immerhin habe man ja gegen das 1., 4. oder 6. Gebot nicht verstoßen. Es ist unmöglich. Oder gar meint, diese Sünden müßten gar nicht gebeichtet werden, sie seien unwichtig, man kümmere sich mehr um die früheren Gebote. Wenn eine Heilige Theresia v. Avila, die fast täglich beichtete, ihre Sünden reflektierte, so kann man wohl davon ausgehen, daß sie es tat, weil ihr die Schwere ihrer (in unseren Augen) "leichten" Sünden immer mehr vor Augen stand, die sie von den höheren Stufen ausschlossen. (Als ihr auf ihr Bitten hin Gott ihre Seele zeigte, wie er sie sieht, hat sie sich lange Zeit von diesem Schock nicht erholt. Sie wußte, daß es nicht heißen konnte, daß ihr "großes Ganzes" ja stimme, und nur noch kleinere Fleckchen an ihrem Kleid vorhanden sind, sondern daß diese "kleinen Flecken" das große Ganze verfehlen machen.)

Und so muß auch der Aufstiegsweg des Einzelnen nicht beim 1. Gebot beginnen. Das ist im übrigen auch gar nicht möglich, denn es fehlt der Zugang zu diesen Höhen (auch wenn man sie formal wenigstens nicht vernachlässigen darf. Aber dem - sagen wir so, so schwierig solche Einordnungen auch sein mögen - notorischen Dieb ist die Höhe Gottes sehr weithin verschlossen.) Sondern dort beginnen, wo er in den später gereihten Geboten offenbar hängt. 

Denn dieser hat automatisch und noch viel schwerer in den Geboten zuvor gesündigt, muß aber die Leiter wieder auf dem Weg des Zusammenhangs zurücksteigen. In diesem Selbsterkennen, das ein Freiwerden von Verhängungen bedeutet (die immer im Konkreten stattfinden, also auch hier: im "unten"), in denen man eben nicht sich selbst anverwandelt ist, hellt der geistige Blick (des geistigen Ich als der puren, aber seienden personal seienden Idee von einem selbst) auf, und wird über die immer größere Einverwandlung und Vertraulichkeit mit der Wahrheit allmählich frei für den Blick auf Gott - in der Freiwerdung wird die Ebenbildlichkeit des Menschen mit Gott reiner, und in dieser Analogie die Türe weit für Gott selbst. Im Durchdringen der "kleinen" Sünde, von unten nach oben.



Morgen Teil 4) Erst hier kann man von Gradualitäten sprechen: 
Als Maß der Hineinverlagerung





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