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Mittwoch, 24. Februar 2016

Was denn also das Denken nicht ist (2)

2. Teil) Denken gibt es nur aus dem Zueinander gewußter Gestalten



Man müßte sich doch eigentlich gefrotzelt fühlen (so wie jeder Mensch mit einem Rest Verstand sich heute sowieso gefrotzelt fühlen muß), wenn nun ein Psychologe daherkommt, der uns erklärt, daß psycho-soziale Experimente zeigen, daß es so etwas wie objektive Denkvorgänge im Menschen und aus ihm heraus gar nicht gibt. Diesselbe Aufgabe zwei Probandengruppen gesetellt - und man hat zwei unterschiedliche Lösungen, auf die die Farbe des Stifts, mit dem die Fragebögen ausgefüllt werden, mehr Einfluß hat als irgendwelche "rationalen" Überlegungen. Daß jeder Denk- und Auswahl- und Entscheidungsprozeß in ein je neues, je individuelles, je ortsgebundenes, je weil im Dialog mit dem Jetzt und Hier unabgrenzbar und unvorhersagbar ganzheitliches Urteilsgeschehen eingebettet ist, sodaß nur die allerwenigsten Experimente auf diesem Gebiet mehr sind als pure heiße Luft.

Uns braucht er das nicht zu, erzählen. Wie haben es seit je behauptet. Und wir waren es sogar, die sich von ihm (bzw. seinesgleichen) lange genug beschimpfen und als unwissenschaftlich (wenn nicht gar blöde) abqualifizieren lassen mußten, weil wir genau das gesagt haben. Sollen wir jetzt den Kotau machen, weil es nun endlich von einigen einstmaligen Empiristen und Pragmatisten eingesehen wird?

Das Konzept eines menschlichen Verstandes (zum Geist noch dazu überhöht) als Informationsverarbeitung á la Computer (der also einer Vorstellung, einer Gestalt gemäß gebaut ist, wie man sich eben Geist, Verstand vorstellte), des Gedächtnisses als Bibliothek, zu deren langen Regalen abgelegter Denkmomente man Zugang habe (oder nicht),  ist von der abendländischen Denktradition immer abgelehnt worden. Sie sah den Menschen immer als personale Ganzheit, und sah seinen Geist nicht als rational summative Computermaschine, wie sie sich die Aufklärung vorstellte, sondern eben als jenes Bett, in dem Sprachgestalt - als Gestalt - erfaßt werden kann, wenn man es denn will und zuläßt.

Die aber Ergebnis eines Gestalterfassungs-, Übernahme- und Nachleidensvorgangs ist, dessen Elemente wiederum aus den Ideen, den Bildern, den ideas des reinen Geistes stammen. Denken gibt es also nur unter Bezug auf bereits ... Gewußtes! Weil es in der Wirklichkeit direkt zu verankern ist, von dort her über die Sinne auf uns gestalthaft zukommt. und als tertio comparationis, als Bezugspunkt immer da ist, und sei es als Erinnertes. Kein Inhalt ohne Form, kein Seiendes (als zu Denkendes) ohne logos, ohne Sinn, ohne uns gar nicht verfügbare, nur findbare idea, ohne Liebe, die diese idea in die Realität drängt. Kein Seiendes ohne Geist, in dem alles ist, den wir bestenfalls beschreiben und erahnen können, aber nicht wirklich gedanklich begreifen. Das Gewußte geht dem Gedachten voraus. Und hier kann man dann auch von "Unbewußtem" sprechen, als eigentliche Gedankenquelle. Erst hier trifft sich die Anthropologie wieder mit den Schlüssen heutiger Psychologen.

Denken ist damit immer ein ganzpersonaler Vorgang der Übernahme von Gestalt, in und im "Geist", in dem alleine überhaupt etwas ist. Es ist nicht einfach ein Bewußtheitszustand, einen mathematische Gleichung, die ein irgendwo herumspukender rationaler Verstand lösen kann, oder nicht. Der logos ist etwas anderes als bloße Informationstextur. Der Geist ist das, was es zu atmen gilt. Die Ratio der Aufklärung war nie mehr als ein simplifizierter Mythos, zu dem man aus ganz bestimmten sittlichen Motiven griff - Eritis sicut Deus! Dem notwendig eine Reduktion der Schöpfung auf einige technische und weltimmanente Einzelvorgänge folgen mußte. Materialismus also.

Dieses Bett hat auch diese Psychologie nie verlassen. Im Gegenteil, sie bleibt bewußt darin, versucht halt nun einen anderen radikalen Weg, die andere Seite derselben Fahnenstange, unter denselben rationalistisch-objektivistischen Vorausetzungen. Sie muß nun nur anerkennen, daß sie mit bisherigen Konzepten den Gegenstand nicht zu fassen bekam. Sie wechselt nur die Werkzeuge, mit denen in der Wüste Wasser geschöpft werden soll.

Wohin diese "bahnbrechende Entdeckung der Psychologie" führt (die bezeichnenderweise ja alle paar Jahrzehnte bzw. je nach "Schule" ihren wissenschaftlichen Gegenstand ändert; nehmen Sie 100 Psychologen, und sie haben 486 Theorien über "Psyche", 712 esoterische Thesen über "Seele", und 2.756 Therapiemethoden) kann deshalb schon jetzt gesagt werden: sie wird den nächsten Schritt eines blanken Biologismus bedeuten. Und in irgendeiner Weise an die evolutionäre Erkenntnistheorie anknüpfen - Verstand als pures Epiphänomen, als andere Sichtweise bloß mechanistischer Elektronengewitter. Aber eigentlich - gibt es ihn gar nicht. Eine Theorie, deren unauflösbare Widersprüche aber allseits und schon lange bekannt sind. Sie wird also in einigen Jahrzehnten wieder mit leeren Händen dastehen.

Kein Wunder, denn auch diesmal geht es nur darum: Geist zu leugnen. Rationalistisch ist der nicth zu fassen, das stimmt. Nun wird er halt noch mehr zum Epiphänomen relativistisch undefinierbarer weil stets aktualistisch-veränderter menschlicher Zellen, in der der Mensch im nächsten Extrem verschwindet. Das, übrigens, NICHT in der Logik gründet, sondern ... in einer ganzheitlich-sittlichen, ontologisch erst zu erkennenden Entscheidung. Aber wie soll ein geistloser Mensch Ontologie denken? Nur von dorther aber kann es ein Begreifen einer Geistseele kommen, deren Welt-Gesicht Fleisch, Leib heißt.

Aber die nächsten Jahre und Jahrzehnte werden wir mit nächsten Manipulationsmethoden geplagt werden. Das ist auch sicher. Weil plötzlich alle glauben, sie hätten den Schlüssel zur Weisheit neu erfunden. Dabei hinken sie der eigenen Kultur in ihrem Abstiegsprozeß schon um 500 Jahre hinterher.




*Geist ist dabei in etwa vorstellbar wie eine innere Qualität eines lebendigen Gestalt-Formierungsprozesses, und das zuzulassen ist es, was der Mensch in sittlicher Verantwortung zum Selbstsein zu tun hat und tun kann.





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