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Mittwoch, 3. Februar 2016

Es kam eine Anfrage zum Gastrecht

Leserin V schreibt, warum der VdZ denn nichts zu dem "Skandal von Rom" sage. Gebe es denn mehr Selbstverleugnung und Falschheit, als vor dem iranischen Ministerpräsidenten die Flagge einzuholen und die jahrtausende alte Kunst zu verhüllen, weil sie dessen Schamgefühl verletze? Würde das denn nicht die ganze Jämmerlichkeit Europas zeigen?

Geschätzte V! Der VdZ möchte Ihnen eine Geschichte erzählen: Während seiner Kindheit in den 1960er Jahren bestand die ziemlich einzige Gastlichkeit die man einem Gast erweisen konnte und erwies darin, ihm eine Jause oder eine sogenannten "Kaffeejause" anzubieten, die aus Selbstgebackenem und Kaffe bestand. So wurden viele Sonntage auch tatsächlich verbracht, wo sich die Familie traf, und wo es immer und über viele Jahre Gäste gab. Bei denen ein Grundsatz herrschte: Sie erhielten die guten Stücke, und wir selber (12 Kinder) mußten uns mit Randstücken abgeben. Auch den Bohnenkaffee, den meine Mutter von ihren Verwandten regelmäßig zugeschickt bekam, denn wir leben in dieser Zeit in recht doch bescheidenen VEwrhältnissen (und Bohnenkaffee war in Österreich eher unüblich, weithin trank man den "Zichorien-Kaffe", Malzkaffee, Feigenkaffee) erhielten die Gäste. Sie erhielten sogar eine bestimmte Topfentorte, die der VdZ haßte, und die er gezwungenermaßen, dem Gast zu ehren, dennoch mitzuessen hatte.

In diesem Geist wuchs der VdZ auch auf: Der Gast durfte alles, man bot ihm alles was man zu bieten hatte, und mehr sogar: Man richtete sich nach seinen Wünschen, selbst wenn es an die Substanz ging. Es war für uns nachgerade Zeichen katholischen Geistes, auf eigene Wünsche, auf eigenes Sein zu verzichten, und alles zu tun, damit der Gast sich wohlfühlt.

Wenn den VdZ nicht alles täuscht, so hat ein berühmter Engländer auch den "Gentleman" so definiert: Als Menschen der alles dafür tut, daß der andere sich in seiner Gegenwart wohlfühlt. Die Engländer dürften also ähnlich empfinden. Oder - empfunden haben. So wie alle noch in den 1960ern, und so wie der VdZ bis heute empfindet.

Selbstverleugnung, damit der andere sich wohlfühlt.

Das ist der Geist des Abendlandes. In dem man dem anderen auch nicht gleich mit seinen Fehlerns ins Gesicht fährt, denn in diesem Abendland gibt es einen WErt, der äußerst hoch zu schätzen ist, ja der eine der Säulen der Freiheit (hier gehörten achtundzwanig Rufzeichen!) ist: Die Pflicht zur discretio.

Werte, geschätzte Dame V, der VdZ hofft, Sie haben verstanden, was er Ihnen sagen möchte. Denn gut, daß Sie schreiben. Allmählich gewinnt dieser nämlich den Eindruck, daß diese ganze Debatte völlig aus allen Fugen gerät. Und gerade die, die von Werten und Toleranznotwendigkeiten und Christentum und Europa sprechen, meinen damit nur noch Willkür.

Da stimmte so einiges nicht mehr. 

Sie meinen, daß das alles doch "ganz anderes (von Rohan) gemeint" wäre? Daß auch das Verhüllen gerade des kunsthistorisch kostbarsten Rom deshalb eine Kapitulation des Abendlandes gewesen wäre? Das kann der VdZ nicht so sehen. Er sieht es sogar umgekehrt. Denn dann hätten wir uns genau den Maßstäben der anderen gebeugt, und ideologistisch oder gar fanatisiert reagiert. So aber haben wir einen Gast so empfangne, wie Europa das seit Jahrtausenden macht, und wie der VdZ auch aufgewachsen ist, ja wie er sogar das Christentum versteht - indem wir über unsere Bedürfnisse hinweggesehen haben, damit sich der Gast wohlfühlt. Man nannte das sogar einmal "Höflichkeit". Ob der Gast ein grober Klotz ist, hat uns dabei überhaupt nicht zu interessieren, das können wir rezipieren, runterschlucken, aber "man tut", als hätte man es nicht bemerkt. Vielleicht lädt man ihn auch nicht öfter ein als unbedingt notwendig. 

Und böse Menschen lädt man vielleicht überhaupt nicht ein. Mit denen will man meist zumindest erst gar nichts zu tun haben, deren Gesellschaft meidet man. Beim Iran freilich hat man sich gerade erst zum Gegenteil entschlossen, zumindest braucht man ihn, zumindest irgendwie. Vielleicht ist er ja auch gar nicht so böse, sondern eher "anders", wer weiß, oder das kleinere Übel, wer weiß. Von großen und offiziellen diplomatischen Protestnoten gewisse Menschenrechtsverletzungen oder Rechte kraft Gemeinsamkeit (durch notwendige Solidarität mit iranischen Christen, denen es dort nicht recht gut gehen soll) hat der VdZ jedenfalls noch nichts gehört. Dafür wäre der Ort, sie anzubringen, aber vielleicht nicht Rom anläßlich einer Einladung, sondern Teheran. 

Wiewohl der VdZ sich des Eindrucks nicht erwehren kann, daß diese ganze "Verteidigung abendländischer Werte", die sich derzeit "abspielt", eher das Kultivieren des Sehens des Splitters im Auge des anderen ist. Zwar wird alle Pfiff von "Toleranz" gequatscht - aber der jeder Toleranz zugrundeliegende Respekt wird alles andere als größer. Nach innen wie nach außen. Toleranz heißt auch schon gar nicht, die Forderungen des anderen unbegrenzt zu lassen.

Es täte uns aber allesamt mehr als gut, in unserem normalsten Alltag die Rücksicht auf den Gast wieder zu erinnern. Als echte, ureigenste abendländische Tradition. Auf daß uns allen mehr bewußt werde, daß nicht nur wir Gäste sind, sondern jeder Nächste Gast - in unserem Leben - ist. Denn das Gastrecht (und die zugehörige Pflicht zur Gastfreundschaft) wurzelt in uralter Menschheitstraditon im Besuch Gottes in Gestalt ... eines Gastes. Auch die Bibel ist voll davon.

Es ist nicht Aufgabe einer Regierung (wie der Italiens etc.), den Präsidenten des Iran zu demütigen und zu belehren. In dessen Person man nämlich das ganze iranische Volk vor sich hat. Da gibt es ganz andere Bereiche, wo das angebracht wäre. Und in dieser Verwirrtheit die Ebenen betreffend ist es zum Beispiel längst usus geworden, daß die Regierungen Europas dei normalen Bürger mit Dingen überfordern, die ihrer eigenen unterlassenen, feigen Politik zuzuschreiben sind. Indem man Millionen ins Land bittet nach dem Motto "Nun Volk - friß und arrangiere dich irgendwie, und wenn Du es nicht kannst, bist Du böse, nicht ich." Denn sie hat die Kriterien des Gastrechts wesentlich mit zu definieren. Und es in den letzten Jahren, ja Jahrzehnten, brutal ausgenützt, um sich vor jeder Politik zu drücken.

In einer Zeit, in der in der westlichen Welt nach wie vor 60 % des Internetdatenvolumens auf Pornoseiten fällt, könnte man das Beharren auf gezeigter Nacktheit aber auch ganz anders deuten. Und wenn der VdZ Kommentare in Zeitungen liest, die wie dieser in der österreichischen Tageszeitung Die Presse, was denn nun der Europa zu eben jenem einende Wertekatalog sei, was denn das Abendland ausmache, dann wird ihm ehrlich gesagt sehr sehr übel. Dann fragt er sich, ob er überhaupt hierher gehört, fragt er sich, wohin dann aber das Abendland verschwunden ist, und was diese Leute heute, die sich oft so lautstark um den Verfall "europäischer Werte" sorgen, denn überhaupt meinen.

Es ist etwas anderes als der VdZ darunter versteht. Und wovon er nicht lassen will. Aber für einen völlig beliebig definierten, völlig verschwommenen, widersprüchlichen "Demokratie"-Totschlag-Begriff, für einen Liberalismus der überhaupt nicht weiß, wovon er redet, außer, und sich zum "Wert" aufwirft wie und wo es ihm gerade einfällt, für eine Regenbogenparade, den krankhaften und alles krankmachenden Egalitarismus, den Genederwahn oder die Homosexuellenehe - und das sind nur oberflächlichste Auswahlen - wird der VdZ sicher nicht in den Krieg ziehen. Nicht nach außen. Eher - nach innen. Denn das ist Zerstörung des Abendlandes. Und im übrigen agieren diese Herrschaften allesamt extrem brutal und unhöflich. Schon das ist mehr als störend. Der VdZ würde sie nicht als Gast einladen.*

Weil er nämlich nicht von der Pflicht lassen will, einen Gast zuvorkommend zu behandeln.

Übrigens: Es gehört auch zum Verständnis der Höflichkeit dem Gast gegenüber, daß dieser sie einzuschätzen vermag, um die Pflicht zu unbegrenzter Gastfreundschaft nach drei Tagen für beendet zu sehen. Nachdem das im Kaukasus uraltes Gesetz ist, dürfte es auch ein Perser verstehen. Im Kaukasus gibt das dem Gastbeger das Recht, es nach drei Tagen - aber immer noch: so höflich wie möglich - merken zu lassen. Denn es gehört zur Höflichkeit, es gehört zjum Respekt, es gehört zur Pflicht dem Gast gegenüber, diesem seine Entscheidung selbst zu überlassen. Der Rest ist eine kleine, aber entscheidende Kulturdifferenz.

Man muß sehr sehr viel mehr differenzieren, als heute passiert, werte Frau V. Und zwar gerade in den Ebenen der Debatte, die so hoch kocht in Europa. Die werden nämlich kräftig durcheinandergeworfen.

So jedenfalls sieht es der Verfasser dieser Zeilen, 
der dennoch hofft, daß Sie, gnädige Frau, ihm gewogen bleiben.





*Er kann übrigens viele Geschichten von Gästen erzählen, die ein bestimmtes situatives Band nicht überschritten, auch in Absprache, und so nicht nur gern gesehene, sondern häufige Gäste im Hause des VdZ waren, obwohl ihre Lebensführung nicht zur Sprache kam. Seltene andere, die sich nicht daran hielten, wurden eben nicht mehr eingeladen, ohne daß sie bei dem problematischen Besuch aber korrigiert wurden. Barbaren sind aber nicht Abendland, und schon gar nicht Kultur. Umgekehrt - Gastgeber, die nicht die Grundsätze des VdZ einhalten wollten, wurden eben nicht mehr besucht. Ohne daß man sich deshalb als Gast "daneben" benommen hätte.





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