Jahrzehntelange entomologische Beobachtungen hatten immer wieder dasselbe gebracht, sodaß Jean Henry Fabre zu einem Schluß kam: Insekten egal welcher Art handeln nicht einem subjektiven Sinn gemß, sondern ihr Instinkt füllt Stellen in einem Plan. Jede Handlung steht nämlich für sich, hat offenbar seine Belohnung ("Lust") in sich. Das Insekt "fragt" sich aber nie, ob sie noch sinnvoll ist.
Was ist damit gemeint? Fabre hat es in zahllosen Versuchen demonstriert. Immer wieder nahm er etwa Hautflüglern, Sandwesen oder Schlammbrütern oder oder ihre Brut weg. Er brach ihre oft so kunstvoll errichteten Bauten auf, auch noch während das Insekt sie errichtete und etwa nach neuem Material unterwegs war, er nahm die eingelegte Nahrung weg, mit der sie das eingelegte Ei versorgen wollten, sobald es geschlüpft war, oder er nahm überhaupt das Ei weg. Alle Varianten probierte er, immer wieder korrigierte er seine Versuchsreihen.
Auch die Raupen von Schwalbenschwanzschmetterlingen kamen dran. Hier zerschnitt er etwa deren Kokon, während sie ihn noch spannen, stellte ihn auf den Kopf, machte Löcher, das Ergebnis war dasselbe. Die Raupe setzt das Stadium ihrer Arbeiten - etwa die Innenarbeiten - fort, in dem sie war und wo sie von einem zum anderen fortschritt, obwohl der Kokon etwa auf einer Seite offen, sie also leichte Beute für Räuber ist. Aber sie schloß das Loch nicht, obwohl sie eindeutig noch genug Spinnstoff hatte! Ihn zuzumachen war bereits dran, nun stand etwas anderes an, auch wenn es sie das Leben kosten würde.
Sämtliche Insekten fahren in ihrem Handeln je nach Stufe - Eilegen, Bau oder Kokon errichten, mit Nahrung füllen ... - fort. Sie müssen sehen, daß es sinnlos ist, weil etwa das Ei fehlt, die bereits hergebrachte Nahrung herausgenommen wurde, sodaß die Raupe nach dem Schlüpfen verhungern mußte. Ja er nahm die Mauern des Baus weg. Ergebnis? Die Wespe (und alle Insekten haben ein stupendes Ortsgedächtnis, sie finden die Stelle immer, wo sie ihren Nachwuchs aufziehen möchten, selbst wenn der Bau selber weg ist) setzte ihre Arbeit auf der glatten Mauer fort, weil nun das Verputzen und dann das Verschließen dran war, sogar wenn der Bau selber fehlte.
Sie arbeiten nach einem Plan, der im Ganzen steht, aber dessen Teile jeweils für sich bestehen, der nicht im Insekt selber "intelligent" vorhanden ist. So perfekt, so unglaublich vollkommen ihre Tätigkeit an sich wirkt. Aber das Tier selber kennt keinen Sinn, den sie reflektieren, korrigieren, anpassen würde. Kommt etwas Außerplanmäßiges, das den Zweck ihres Tuns im Ganzen zunichte macht, ist sie völlig überfordert, dabei: nicht einmal gestört! Ist dies dran, macht sie dies, ist das dran, macht sie das. Das war's.
Zu ganz analogen Schlüssen kommt Jakob Uexküll bei seinen Untersuchungen niedrigster Lebensformen, beginnend bei reinen Plasmatieren, bis hin zu Seeigeln. Plasmatiere sehen zwar aus wie Flüssigkeiten, verhalten sich aber anders als diese nach einem Gesamtplan. Sie haben ja eine erstaunliche Besonderheit: Sie können jeweils Organe formen, die der zu verrichtenden Tätigkeitsstufen (sagen: beim Eß- und Verdauungsakt) entsprechen, lösen diese Strukturen aber dann wieder auf, um aus dieser Regeneraton heraus die Strukturen für den nächsten Schritt zu bilden. Bis hin zur Ausscheidung.
Je höher die Lebewesen werden, desto mehr nehmen die Einzelorgane insofern Form an, als sie ihre Struktur behalten, desto weniger also können neue Strukturen gebildet werden.
Zu einem ersten Höhepunkt der Aussagen kommt er in "Umwelt und Innenwelt der Tiere" bei den Schilderungen seiener Beobachtungen an Seeigelarten. Wo er zu denselben Aussagen wie Fabre kommt: Seeigel verhalten sich nach einem Plan, der einen nur staunen läßt, weil alles derartig ineinandergefügt ist. Aber die Seeigel selbst sind nur ein Plan, der wiederum in einen großen Plan "mit der Umwelt" eingefügt ist.
Niedere Tiere wie die Seeigel haben kein "Gesamtzentrum". Sondern alle ihre Organe, jeder Stachel, die Nerven, die Beißzangen, die Giftverwendung, die verschiedenen Muskelgruppen, die die Stacheln bewegen, alles hat im Grunde ein Teil- und Eigenleben. Man kann sie alle regelrecht "für sich" untersuchen, sie funktionieren genau gleich und sind reine Reflexmaschinen. Aber darin (!) sind sie alle derartig auf "einen ganzen Seeigel und die Umgebung, die er braucht" abgestimmt (und nicht um ein Jota mehr! Alle anderen werden bestenfalls zu Reizen, aber nicht zu Dingen, auf die er reagieren könnte, die er gar "erkennte"), daß er als Seeigel - wie eine Republik, schreibt Uexküll einmal - lebt und überlebt. Was beim reinen Beobachten des Tieres so gezielt aussieht, ist in sich jeweils kein Ziel, sondern nur die Abfolge für sich stehender Reaktionen von Organen auf Einzelreize.
Auch hier also: Alles ist ein Plan, in den alle Einzelfaktoren - Lebewesen wie Umgebung - eingefügt sind, aber nichts ist die Intention eines ganzen, einzigen Lebewesens. Das beginnt erst im Geist. Das gibt es erst im Menschen.
*241017*