Die
Wahrheit in die Welt zu holen heißt, das Denken des Denkens selbst
(also das Denken Gottes, der das Sein ist) in die Welt zu holen, ihm in
der menschlichen Sprache ein passendes Kleid anzuschneidern, wenigstens
mit der Zeit. Niemand erträgt aber auf Dauer, die Wahrheit zu denken
(das ein Offensein für die Wahrheit, also Gott ist, um im Gehorsam
Mensch und Gott anzugleichen; das ist es, was man Sittlichkeit nennen
kann) und falsch, also nicht der Wahrheit gemäß, zu leben.
Denn
wahr zu denken aber falsch zu leben heißt, ständig das Gericht ganz
konkret mit sich herumzutragen. Also muß man sich entscheiden. Die
Entscheidung der allermeisten Menschen fällt eindeutig zugunsten des
faktischen So-Seins ihrer Fleischlichkeit aus, und seiner Tendenz, sich
in der Welt zu verbergen, sich ihr anzugleichen (nicht: Gott). Zu viel
wäre zu tun, zu schmerzhaft wäre das Leben als Prozeß selbst, denn dann
würde es das, was es ja eigentlich ist: Fegefeuer. Sie schieben dieses
Fegefeuer in vager Hoffnung, daß es dafür reicht (und nicht in völliger
Abwendung vom Sein, also in der Hölle endet), auf.
Das
ermöglicht zwar noch Stücke "richtigen" Denkens, also auch richtigen
Sprechens, aber nie darf man sich dabei zurücklehnen. So zu leben, so zu
denken ist also auch anstrengend, man kommt nie zur Ruhe. (Das erklärt
auch die Vielzahl von "Methoden", mit denen man zur Ruhe zu kommen
versucht, auch ohne Wahrheit. Man überläßt die Anstrengung einer
Technik, einer Maschine, die tun soll, was man selbst nicht vermag.
Gleichzeitig muß man das Denken, die Sprache verwischen.)
Das
ist der Grund, warum die Menschen nicht wahr denken wollen, und ihre
Sprache, ihr Denkgebäude dem Fleisch anpassen, nicht dem Sein selbst.
Das ist der Grund, warum sie mit der Zeit auch ihre Sprache entgründen,
die Begriffe verwischen, im Unklaren lassen. Denn die Last des Gerichts
(also des Gewissens) ist auf Dauer zu groß.
Wahr
zu denken, als das einzige wirkliche Denken ist aber nicht so sehr die
Frage, ob man bereits alle Tugenden besitzt. Es ist vielmehr eine Frage
der Bereitschaft, sich dem Gericht - der Wahrheit - zu stellen und immer
auf sein Urteil zu hören. Aber wehe dem Denken des Menschen, der diesem
Urteil nicht letztlich folgt. Es wird trübe.
Nach K-apisehimuh (Ottawa-Indianer), Der große Geist
*041017*