Es muß noch etwas dazu gesagt sein, das Thema ist zu komplex und nur schwer greifbar, das heißt im Konkreten vorstellbar. Deshalb finden sich in den zahllosen Äußerungen dazu gar so viele Ungewichtetheiten, die Verzerrungen. Es geht um die Sexualität.
Denn wenn es auch zweifellos richtig ist, daß es in gewisser Hinsicht "keine Sexualität" gibt, ist es mindestens fraglich ob man sagen kann, daß sie nur dann legitim, also naturhaft und damit nicht sündhaft - also selbstverfehlend - sei, wenn sie der Zeugung von Nachwuchs "dient". In Wahrheit entzieht sich nämlich die körperliche Begegnung allen diesen Einzelkategorien, ohne sie einfachhin zu widerlegen. Sie hat Zweck, aber sie ist kein Zweck.
Vielmehr ist sie in ein Insgesamt der Begegnung zweier Menschen eingebunden. Nur dort hat sie ihren Platz, wo sie dem Du als Ort der Ich-Konstituierung dient. Dort also im Grunde "passiert", weil das Zueinander der Hingabe, das vom Geist ausgeht. Denn der Mensch ist in seiner Verfaßtheit zuerst, also zuoberst Geistwesen, kommt vom Geist und geht über den Leib in den Geist zurück. Weshalb das Sichverlieren in eine für sich stehende Körperlichkeit einer Selbstverletzung gleicht. Also die Gesamtkonstitution schwächt.
Weshalb es auch Unsinn ist auf eine Weise von ihr zu sprechen, daß sie ein "Geschenk Gottes" sei, so wie man auch eine Eisenbahn zur Freuung aufbauen könne. Sie ist vielmehr also das, was dieses Insgesamt in einen Augenblick hineinhebt, der nicht zu Unrecht als "kleiner Tod" bezeichnet wird. Der so eine Kraft hat, daß er alles durchdringt, und in dieser Selbstverlorenheit die Türe zur Schöpfung eines neuen Menschen wird. Das Kind, die Zeugung ist also ein Teil der Selbstüberschreitung auf den Ehepartner hin. Darin liegt die zerstörerische Kraft der Verhütung, weil sie die vorbehaltlose, in richtigem Sinn "natürliche" Hingabe zerstört.
Zu sagen, daß die Sexualität keinen "Für sich Stand" hat, ist also richtig, aber zu sagen, daß sie nur den "Zweck" hat, Nachwuchs zu zeugen, falsch. Sie dient der Fortpflanzung, aus der Natur des Gesamtmenschen heraus, indem sie nie ausgeschlossen werden darf, weil das eben genau die Sexualität verzweckt. Aber der Frau/dem Mann zu begegnen "nur" dann, weil und wenn man Nachwuchs möchte, unterlegt dem Menschwerden und -sein selbst schon eine Verzweckung, die ihn entwürdigt.*
Um wieviel mehr aber braucht es einen kultivierten, formalisierten Umgang. Er ist es, in dem alles weitere verborgen ist, um sich dann zu entbergen.
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Aus diesem Grund braucht auch kein Mensch "Sexual-Aufklärung" die über formalen Umgang der Geschlechter wie ihrer als Eheleute miteinander hinausgeht. Denn die Gesamthingabe aneinander, die einem geistigen Akt eingeschlossen ist, der ihr immer am Anfang stehen muß - und das ist eben die Ehe, die ja wie kein anderer menschlicher Akt alle Dimensionen des Menschseins einschließt, vom intimsten Moment an bis zum öffentlichsten - hat in sich selbst (weil der Geist auch den Leib zu umfangen beginnt, in dem, was wir als "Lust" meinetwegen bezeichnen mögen, was in Wahrheit eine Durchdringung einer Hingabebewegung ist) sein Wissen.
Hier gar noch Begriffe wie "erfüllt" beizugesellen entstammt einer Verwirrtheit, die mit der Sache selbst nichts zu tun hat, sondern eben aus ihrer Denaturierung stammt. Personale Begegnung hat diese Erfülltheit immer und in je personalem Maß in sich und muß, ja darf gar keinem Technikkatalog entstammen. Und zwar gerade in ihren Brüchigkeiten, die zu heilen ja die Ehe einer der Orte sein kann, wenn man heilen nicht als "Perfektion" versteht, sondern als Rückgeborgenheit in ein ganzes Sein des Miteinander und Füreinander.
Der Beiton des Tragischen, auch des Außergewöhnlichen, der das Thema heute oft umgibt, ist absolut unangebracht. In der Ehe ist alles an seinem Ort, und in seiner Natur strebt es selbst zu Angemessenheit und verdient vor allem Gelassenheit. Deshalb ist die Art, wie heute über Sexualität gesprochen wird, aus der Ehe und deren Intimität herausgegriffen wird, schon Krankheitssymptom, ist die Art wie damit umgegangen wird der verzweifelte Versuch, einen Defekt doch noch gesund zubeten. Nichts hat die Sexualität so unfrei und defekt gemacht wie die sogenannte "sexuelle Befreiung".
Aus der auch die schwurbelige Pädagogik stammt, in der ein Akt der "Aufklärung" eingeführt wurde. Der immer die Sexualität als "Ding für sich" stellen muß. Deshalb ist und war es immer richtig, sie unter die Decke des Tabus, auch des Gesprächstabus zu stellen. Der bestenfalls dort punktuell zu begegnen ist - so wie man ein aufgeplatztes Ding wieder zunäht, indem man die herausgequollenen Innereien zurücksteckt - wo sie in Verletzung ihres Wesens ins Bewußtsein wie ein Ding für sich "gesprungen" ist.**
Es braucht also eine Atmosphäre, eine Umgebung, die diese Integrität, diese Eingeschlossenheit des körperlichen Drängens in eine ganzpersonale Bewegung durch Diskretion und Tabu zu bewahren sucht. Während die kindliche, jugendliche Umgebung bis hin zur Schule, der Öffentlichkeit, den Medien, von solchen Indiskretionen frei bleiben muß. Weil jedes Sprechen darüber die Behutsamkeit eines Menschen braucht, der in personaler Beziehung (wie es bei den Eltern der Fall ist) vermag, etwas beim Namen zu nennen, ohne daß es zum Namen wird. Eine Methodik, eine Technik dazu gibt es nicht, schon gar, weil auch dieses "Thema" so wie fast alles im Menschen "oszilliert", also nicht einfach gleich bleibt wie die Kurbelwelle eines Motors. Sondern eben von der personalen Begegnung ihr Maß empfängt.
*Das stellt die ganze Fragwürdigkeit auch angeblicher "natürlicher Empfängnisregelung" á la Rötzer vor Augen. Unter dem seltsamen Schlagwort "verantworteter Elternschaft" wird hier oft gröbster Unfug getrieben und verbreitet, ja die natürliche Empfängnisregelung sogar als Verhütungsmethode eingesetzt. Wobei - ist sie überhaupt mehr? Liegt nicht der Ansatz zum Umgang mit Empfängnis einem ganz anderen Verhalten, vor allem einer anderen Haltung immanent?
So nebenbei: Es gibt Untersuchungen, die mit dem Unterton des Erstaunens das Ergebnis brachten, daß die Frau dann die stärksten Bereitschaftssignale (erotische Wirkung) aussendet - meist völlig unbewußt, bis hin zu Gerüchen - wenn sie ihre empfangensbereiten Tage hat. In der Störung dieses Selbstseins, im Mangel oder gar Fehlen kultureller Umgangsformen vor allem, die (Selbst-)Vertrauen geben könnten, liegt wohl ein starker Grund für das sexualisierte, formlos-maßlose Gehabe so vieler Mädchen heute. Noch dazu getrieben von einem Imperativ, der sie zu einem unfraulichen, selbstverfehlenden Gehabe im Namen der Gleichstellung von Mann und Frau treibt.
**Es mag der reifen, älteren Persönlichkeit möglich sein, etwas offener über Sexualität zu sprechen. Wo also das Bewußtsein von einem abgeklärten Hosenboden noch deutlich übertroffen wird. Aber das hat ein junger Mensch in keinem Fall.
**Es mag der reifen, älteren Persönlichkeit möglich sein, etwas offener über Sexualität zu sprechen. Wo also das Bewußtsein von einem abgeklärten Hosenboden noch deutlich übertroffen wird. Aber das hat ein junger Mensch in keinem Fall.
*271017*