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Freitag, 17. November 2017

Warum der 1. Weltkrieg wirklich ausbrach

Irgendwie ist die ehemalige Mitarbeiterin des österreichischen Militärs natürlich eine Sondererscheinung, belassen wir es dabei. Aber Mag. Monika Donner ist nicht dumm, und nützt offenbar auch ihre Zeit gut. Denn was sie hier recherchiert hat, und in eine Gesamtsicht der geostrategischen Lage vor dem Ersten Weltkrieg verarbeitet hat, deckt sich weitestgehend mit dem, was der VdZ dazu denkt und zu wissen meint.

Das Video lohnt. Und im Grunde sollte diese Sichtweise allmählich Fuß fassen, weil es auch die Selbstbetrachtung der Österreicher und Deutschlands erhellt. Wenn beide Länder so große Probleme der Selbstfindung haben, so liegt es nämlich ganz sicher darin, daß sie das notwendig zu Denkende nicht denken wagen. Und das ist vor allem eine Betrachtung der eigenen Vergangenheit. Ohne gerechtes, wahres Geschichtsbild ist Seelenfrieden, ruhige Betrachtung der Gegenwart nicht möglich. Bleibt die Vergangenheit im Dunklen, bleibt die Gegenwart irrational und diffus.

Donner spricht die Konfliktzonen an, die sich im späten 19. Jahrhundert aufgebaut hatten. Wie in Afrika, in der Levante, im persischen Golf (Bagdad-Berlin-Bahn), die Allianz zwischen Frankreich und Rußland, im Elsaß, in der Frage der Flotten, wo überall die Interessen eines in atemberaubendem Tempo stärker werdenden Deutschlands mit denen der Engländer und Franzosen kollidierten. 

Nur in einigen Punkten stimmt der VdZ nicht mit Donner überein. So darin, daß Deutschland nach der Weltmacht gegriffen habe. Das hält der VdZ nicht für richtig, zumindest indirekt war das der Fall.  Weil der wirtschaftlichen Kraft, die Deutschland nach der Zentralstaatsschaffung 1871 (die nur formal eine Reichsgründung war) notwendig auch eine militärische Machtnotwendigkeit folgte. Das von Bismarck geschaffene Deutschland (so könnte man das tatsächlich bezeichnen) mußte zwangsläufig (selbst wenn Bismarck das zu vermeiden suchte) seine Rolle als beginnend dominierender Faktor im Europa- und Weltgefüge einnehmen.

Ebenfalls hält der VdZ die These, daß die Wallstreet Hitler großgezüchtet und finanziert hätte für nicht schlüssig. Sie aus relativ kleinen Krediten (die gibt es, ja) abzuleiten, ist ihm zu dünn. Und geredet wird immer viel wo Menschen sind, also sind auch Wortmeldungen unterschiedlichster Art nicht immer so ganz auf die Goldwaage zu legen. (Daß Henry Ford die Juden als politische Kraft der Ostküste/Wallstreet in ihrem politischen Einfluß sehr kritisch sah ist kein Geheimnis, er hat es ja sogar in Buchform veröffentlicht. Wobei Antisemitismus noch etwas ganz anders ist!)

Und was heißt "Hitler finanziert"? Die Wirtschaftsprogramme der NSdAP waren enorm geldintensiv, weil im Grunde schuldenbasiert, waren "deficit spending" reinsten Wassers, analog zu Roosevelt. Sie alle - weltweit - griffen jeder gehofften wirtschaftlichen Entwicklung durch staatliche Programme weit voraus. Überall war es Bluff. Aber es waren bei Hitler Schulden (sogar "Wechselreiterei", also die Bezahlung eines Wechsels durch einen nächsten) im Inland!

Irgendwann reichte das nicht mehr, Deutschland war 1939 finanziell am Ende, und brauchte dringend ausländisches Kapital. Nicht, weil es zu viel rüstete, die Rüstungsprogramme liefen erst 1937/38 so richtig an. weshalb die Militärs vor jedem Krieg dringend warnten, die Besetzung der Tschechei 1939 war ein extremes Hazardspiel! Hitler selbst wußte, daß Deutschland vor 1944 keinen Krieg beginnen hätte dürfen, weil das Heer zu schwach war, die Säulen deutscher Strategie - Mobilität - vorher gar nicht stellen konnte.

Das größte Problem der deutschen Wehrmacht war deshalb die Untermobilisierung (sic!) angesichts seiner einzig möglichen Mobilitäts-Strategie. Der Rußland-Feldzug zeigte es unbarmherzig, er scheiterte genau daran: Nur 10 Prozent der Heereskräfte war motorisiert! Es hätten aber weit mehr sein müssen. Der Feldzug kam also nur im Schritttempo voran, damit kam er viel zu langsam voran. Moskau 1941 war die Antwort, der Anfang vom Ende. Das Heer wußte das, deshalb wurde seine Führung auch 1939 abgelöst.

Deutschland brauchte aber das Gold, internationales Geld, um seine Importe (es konnte sich NIE selbst mit Lebensmitteln versorgen, Fette etwa waren ein unlösbares Problem) zu bezahlen. (Dazu an anderer Stelle mehr.) Das erste, was am 13. März 1938 aus Wien abrollte, waren deshalb die LKW mit dem Gold Österreichs (und das hatte damals sehr viel Gold, der Schilling - vulgo "Alpendollar" - war extrem stabil, weil goldgedeckt.)

Gut, man kann darüber sprechen, ob die Kreditklemme, in die man Deutschland (durch die Reparationszahlungen seines Goldes beraubt) auf den Weltfinanzbörsen rückte, ein aggressiver Akt war, ähnlich wie bei Japan (hier direkt mit Rohstoffen), sodaß ein Krieg schon aus dieser Sicht unausweichlich wurde. Auch darüber, daß das die Alliierten wußten, es darauf anlegten. Und mit der Eskalation des Krieges genau darauf abzielten - Deutschlands Ressourcen waren absehbar begrenzt und erschöpflich. Aber wer redet darüber? Der VdZ bleibt bei seiner Ansicht, daß sich Deutschlands Zentralisierung 1871 eine Entwicklung (Wirkung) in Gang setzte, der das Land als Staat letztlich nicht gewachsen war. Er bleibt also dabei: Der Fehler war die Reichsgründung 1871.

Erst aber, wenn man diese Reziprozität zwischen den Ängsten Englands (freilich, im Rahmen eines Versuchs, die dominierende Weltmacht zu bleiben) und der Deutschlands immanent einwohnenden (wenn auch explizit "bescheiden" bleibenden) Machtansprüche sieht, wird in den Augen des VdZ ein Schuh draus. England sah es realistischer, das meint der VdZ wirklich, und "mußte" handeln. Das stimmt wohl, weil es doch nicht in Ruhe einfach zusehen konnte, bis ihm Deutschland endgültig wirtschaftlich und daraus folgend militärisch (insofern reagierte Wilhelm II. realistisch, wenn auch zu spät, als er dem Flottenbau Vorrang gab; damit hat er aber die Konkurrenz mit England erst so richtig angeheizt) global den Rang ablief.

England war extrem globalisiert - als Empire - und von seinen Kolonien - England war ein "Gesamtwerk", damit durch die See verwundbarer als Deutschland - abhängig. (Aus dieser Sicht hatte Cecil Rhodes gar nicht Unrecht!) Und Deutschland hätte das mehr berücksichtigen müssen. (Konnte es das aber angesichts der Wirtschaftsentwicklung? Das ist eben die Frage, die wieder in die Frage um den Fehler des Zentralstaates 1871 mündet, der ein Sieg des Technizismus war.) Bismarck jedenfalls bedachte es, wenn er es auch verkannte. Wilhelm II. verhielt sich hingegen tatsächlich provokativ erlag der "Versuchung der Stärke". Dabei hätte es sein rechter Arm ... komplett ausgesagt! Der starke Arm war ... schwach, war unterentwickelt!

Daß in alledem private Vereinigungen, vor allem im Finanzbereich, ihre Süppchen zu kochen versuchten und enormen Einfluß hatten (wie wir es heute haben) ist ein eigenes Kapitel. Für das es sehr viele Indizien gibt, keine Frage. 

Es kommt im Videogespräch schließlich zu Fragen um den 2. Weltkrieg. Auch dazu findet der Leser auf diesen Blog-Seiten viele Texte, in denen der VdZ größtenteils zu ähnlichen Teil-Schlüssen kommt wie Donner. Daß es etwa rund um den japanischen Angriff um Pearl Harbour zahllose Ungereimtheiten in den offiziellen Versionen der Geschichte des Kriegseintritts der USA gibt, ist kein Geheimnis. Es gibt zu viele Indizien, die für eine recht andere als die offizielle Version sprechen, die auch der VdZ noch in der Schule hörte. Noch dazu, wo das Verhalten der USA über die Jahrhunderte bis in die Gegenwart exakt diese Charakteristik zeigt: Jemanden so lange zu provozieren, bis er zuschlägt, um dann "gerechtfertigt" (weil angeblich nur verteidigend) zuschlagen zu können. Was bis zu Seltsamkeiten um 9/11 geht.

Aber kennen wir solches Verhalten nicht aus ganz persönlichen Erfahrungen mit Menschen, ja von uns selber? Entspricht nicht die USA in ihrer Gesamtheit diesem Charakterbild? Wo man die umgebende "anstoßende" Welt zu einem Verhalten provoziert, weil die Kraft, der Mut fehlt, so zu handeln, wie man handeln sollte oder wollte? Gestalten wir nicht selber im Alltag oft und oft unser Leben so, daß wir die Verantwortung dahingehend abschieben, als wir versuchen, ein "Schicksal" zu schaffen, in dem wir nicht mehr anders können - im Schaffen von "Alternativlosigkeiten" also?

Der VdZ ist halt überall dort vorsichtig, wo die Geschichte zu monokausal betrachtet werden soll. Das widerspricht einfach seiner Erfahrung mit dem menschlichen Handeln, das meist ein ungeheures Gemengelage ist. Sodaß er lieber von "Richtungsfeldern" spricht, im großen wie im kleinen Wirkfeld. Die freilich, natürlich, immer durch konkrete einzelne Taten in geschichtliche Dimensionen gehoben werden. In jeder Biographie wie auf der großen Weltbühne. Es wird aber oft der Fehler gemacht, daß man Ereignisse in direktem Zusammenhang mit speziellen Ursachen setzt, um dann zu meinen, sie wären begreifbar und erklärt.

Das ist unter anderem eine Gefahr einer Geschichte, die zu sehr in Studierstuben entsteht, wo Historiker zu wenig persönliche Verwurzelung in den nächstliegenden Wirklichkeiten der Welt haben. Denn erst diese Einbindung macht möglich, die Plausibilität von großen Theorien der Welt und ihrer Geschichte anhand von Grundschemata zu beurteilen. Oder kennt der Leser ein Geschehen aus seinem persönlichen Umfeld, wo Handlungs-Intention und ausgelöste Wirkung völlig übereinstimmen? Der VdZ nicht. Und das gilt auch für die "große" Geschichte. 

Oder, simpel ausgedrückt: Wer im Alltag keine Menschenkenntnis hat, wird niemals die große Geschichte erforschen können.

Es ist also auch eine Tatsache, daß die Geschichte der Weltkriege im 20. Jahrhundert das Verhalten komplexer Systeme zeigen, wo viele viele Bruchstellen, Spannungen und Entwicklungen schlagartig eine bestimmte (desaströse) Richtung einschlugen. Wo dann formal auslösende Ursache und Wirkung in gar keinem Verhältnis der Dimensionen stehen. (Vulgo: der berühmte Schmetterlingsflügelschlag, der einen Orkan auslöst.) Darin täuscht man sich gerade in der Geschichtsbetrachtung sehr sehr oft. Denn hier muß jede Geschichtsbetrachtung scheitern. Erstens werden wir nie alle Faktoren kennen, weil wir ihre Gewichtung im Rahmen eines Gesamtereignisses nicht kennen und nie kennen werden. Zweitens aber tragen Ereignisse, Wirkungen, Gelingen wie Scheitern immer einen Rest von Geheimnis und Transzendenz, von Gottes Zulassung, aber auch und gar Gottes Willen. Deshalb sollten wir zu jener Art des Erkennens kommen, in der es von der Gottesmutter hieß: "Und sie erwog in ihrem Herzen."

In gewisser Weise ist menschliches Handeln und Urteilen (auch in der Geschichtsbetrachtung) immer ein schöpferischer Akt, ein Akt des Mutes, der Entscheidung, weil es immer irgendwie ein Hineingreifen in eine dunkle Box ist, die nur Löcher für die beiden Arme hat, mit denen man hineingreift und "handelt" und "urteilt". Aber - der Mensch MUSZ so agieren, um Mensch zu sein, weil immer neu zu werden. Sich dieses Urteilen zu ersparen, ist nicht ach so liebevoll-menschlich, sondern eine Flucht vor dem Menschsein selbst.

Man darf also nicht jedes Detail auch dieses Videos in seiner Gewichtung als "Ursache" auf die Rasierklinge werfen. Aber im großen Ganzen ist Donner insofern zumindest zuzustimmen, als es wirklich höchste Zeit ist, daß wir - Deutsche, Österreicher - eine uns auferlegte monistische Sicht der Geschichte des 20. Jahrhunderts ablegen und versuchen, die Dinge endlich so zu sehen, wie sie waren.









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