Und wir greifen weiter tief in die Kiste des Deutschen Films. Diesmal eine Verfilmung aus 1938, die eines Romans von Hans Spoerl, "Der Maulkorb". Die Freiheit der Meinung war im Dritten Reich ein ganz erstaunliches Thema. Und wenn man Goebbels, dem Chef der Reichsschrifttumskammer, der Oberzensurbehörde, vieles vorwerfen mag, eines sicher nicht: ER war nicht dumm. Er wußte genau, daß man der freien Meinungsäußerung viel Raum lassen mußte, um den Kochtopf nicht zum Sieden zu bringen. Besser, diesem Gespenst "Realität" ins Auge zu sehen, als es unbekannte Wege gehen zu lassen. Ganz subtil, bitte schön. Was ist das Thema des Films? Die Infragestellung der traditionellen Obrigkeit. Waren die Nationalsozialisten gar Revolutionäre? Brauchten die Nationalsozialisten gar die Untergrabung der Autorität? Läßt sich hier gar eine Linie zu Kleist ziehen, zu seinem "Zerbrochenen Krug"? Auch hier der arme, kleine, ehrliche Bürger, der sich für die Obrigkeit opfert, einfach weil er den Traum hat, daß es ihm "ein bißchen besser" geht. Schier schwindelig könnte einem da werden. Auch wenn hier die Solidarität dem Staat gegenüber das wundersame Allheilmittel ist, das auch alles übrige ordnet. Einmal für Gott geopfert, ist die Gnade überwältigend. So ungefähr.
Wieder aber - welch großartiges, freies Schauspiel, bis in die Nebenrollen. Möglich, weil einfach alles Rollen sind, die hier geschaffen wurden, keine der Verwirrungen der Gegenwart noch herrschten, was "natürlich" sei und damit Austrocknung auf Niedrigkeit meinen. Der Mensch ist immer ein Spieler, ja er ist erst Mensch, sofern und wo er Stil, seinen Stil hat. Besonderes Scheinwerferlicht deshalb auf Will Quadflieg, diesem Meister des Sprechens, diesem wahren Schauspieler, der eben wußte, daß der Schauspieler "immer spielt" - dann ist er Menschendarsteller. Ach, und wer die wunderbare Elisabeth Flickenschildt liebt, der wird auch bedient.
*131017*