Der VdZ kennt aus naheliegenden Gründen viele, die sich traditionell den Sozialdemokraten zuzählen. Und er hatte immer dafür eine gewisse Wertschätzung, denn er hat die "typischen Sozialdemokraten" - sofern er sie als BASIS wahrnimmt, also als das eigentliche Material, aus dem sich die soziale Idee, die sie beflügelt, also die SPÖ rekrutierte, die Sozialistische Partei Österreichs also* - immer als oft hart arbeitende Menschen mit einem recht ausgeprägten Hausverstand kennengelernt. Mit einer in Fragen des Alltags bemerkenswert weitreichenden Übereinstimmung der Sichtweisen. Insofern fühlte er sich vielen verbunden, wenn er auch ideologische, weiterführende Diskussionen vermied. Aber was er immer auch bei diesen "ideologischen Gegnern" feststellte war eine sehr grundgesunde Sicht der Alltäglichkeiten. Die zu seiner Ansicht führte, daß die Basis der Sozialdemokraten oft konservativer ist als die es sind, denen man Konservativismus oder gar "Rechte" zu sein vorwirft.
Sie alle heiraten oft noch ganz selbstverständlich, bekommen Kinder, fahren auf Urlaub, gehen ins Stadion und zittern für ihren Verein, feiern Sylvester und Weihnachten. Manche gehen sogar dann und wann zur Kirche. Die alltägliche Lebensweise beider weltanschaulich klar geschiedener Gruppen unterscheidet sich deshalb oft kaum, und sie eint unter anderem eine Fremdheit gegenüber linken Grünen. Mit ihnen etwa über "Gender" zu diskutieren mündet regelmäßig in völliger Einheit, in der sich linke wie rechte ununterscheidbar an die Stirn fassen. Und Feminismus ist in diesen Kreisen ein ebensolches Schreckenswort wie bei Tarockabenden alter Hofräte und beide Gruppen gehen dann nach Hause, wenn ihnen die Liesi am heimeligen Herd ihr Gulasch fürs Abendessen hergerichtet hat. Und beide lassen sich angeblich scheiden, wenn die das nicht mehr tut.
Diese alltägliche Lebensweise ist es auch, die ein Volk eint, ja ausmacht. Die nach ideologischen Auseinandersetzungen immer wieder auf den Boden holt und nach fünf Bieren beim Ferdl-Beisel um die Ecke niemandem das Gefühl gibt, in seinem Heimatland alleine, nicht zu Hause zu sein. Genau das aber wurde verändert, und das verstehen beide Gruppen nicht, damit wollen sich beide Gruppen nicht abfinden.
Zugleich hat der VdZ aber den Eindruck, daß sich in der Sozialdemokratie eine zweite Schichte herangebildet hat, oder dabei ist, die Führung endgültig zu übernehmen, auf Bundesebene zumindest. Denn in den Bezirken, wo gar noch der Parteikassier einmal jährlich alle Mitglieder persönlich besucht, um den Mitgliedsbeitrag zu kassieren (und sich dort anhören muß, daß man über den neuen Kurs böse schimpft, der VdZ kennt auch so einen), der aber nicht reicht, denn die SPÖ in Österreich hat sich, wie man nun liest, in den letzten Jahren hoch verschuldet.
Was gar nicht verwundert. Weil die große Spitze zu ihrer eigenen Basis in einem ähnlichen Widerspruch steht wie zum VdZ. Weil hier eine Ideologie eine Rolle spielt, die den Eindruck erwecken muß, daß sie mit der Realität und ihrer eigenen Basis nichts mehr am Hut hat. Die muß diesen Leuten sogar lästig sein, Objekt, das es zu verändern gilt. Wie überall: man schafft sich halt das Volk um. Frage der Leser doch einmal Schwerarbeiter aus Simmering (das als ehedem tiefroter Bezirk heute und aus genau dem Grund mehrheitlich FPÖ wählt), was sie von der "refugees welcome"-Politik des Bürgermeisters hält. Oder von der "Ehe für alle". Etcetera.
Diesen Eindruck verstärkt der vormalige Kanzler Kern. Der doch nach der jüngsten Niederlage der Sozialdemokratie - die nur durch einen Trick auf dem Papier als "immerhin gleichauf mit der nicht mehr so jüngsten Niederlage vor vier Jahren" endete - eine völlige Umkrempelung der SPÖ ankündigte. Diese soll progressiver werden, und das soll wohl so aussehen, daß er Positionen der Grünen (die sich unter Peter Pilz zu einem ganz seltsamen Gewässer gespalten haben, aber Pilz ist in der Wolle linksgrün, was schon sein Rücktritt wegen Genderverstößen beweist) ebenso zu übernehmen gedenkt - vielleicht wollen sie nun als Aufdecker jenes Skandals auftreten, den sie selbst wesentlich so unerträglich gemacht haben, jener Ungereimtheiten, die sich rund um die Anschaffung der Euro-Fighter aufgetan haben? - wie die lila-pinken Ansichten der Liberalen unter Strolz, der mit seinen genderfreundlichen Sichtweisen (er war der einzige Politiker, der in den Interviews nach der Wahl vom 15. Oktober in Inclusivsprache zu sprechen bemüht war, was besonders amüsant wirkte) ohnehin auf einem abgehobenen Minderheitenniveau stand wie weiterhin steht.
Als Vorgeschmack haben ja diese beiden Fraktionen im Parlament - SPÖ und pink-Liberale - sofort nach der Wahl einen Gesetzesantrag gestellt, der progressiven Charakter beweisen sein soll. Und etwa die Einführung eines "dritten Geschlechts" fordert. Dies soll auch der neue Geist der SPÖ sein - sie soll sich als progressive Partei neu präsentieren, geht es nach Christian Kern. Denn die ÖVP sei wie die Wahl beweise, eindeutig zu einer rechts-populistischen Partei verkommen.
Wer aber bitte aus den Reihen der Sozialdemokraten Österreichs ist der Ansicht, daß die Einführung eines "dritten Geschlechts" oder einer "Ehe für alle" wichtig oder auch nur wünschenswert sei? Hat einer der Parteigranden schon einmal mit seinen Wählern ein Bier im Stelzenhaus im Prater geteilt?
Der VdZ stellt sich also die Frage, was für ein Bild von der alten Sozialdemokratie dieser ehemalige ÖBB-Anführer - der vor allem dadurch auffiel, daß er vor etlichen Jahren die Staatsbahnen schon deshalb sanierte, weil er Milliarden von Altlasten auf den Bund überwälzte, Zehntausende entließ und schlicht dem Fett der Sozialtöpfe überantwortete - denn wohl haben möge. Denn wenn der VdZ mit Sozialdemokraten spricht, hat er alles andere als den Eindruck, daß diese mit solchen Fragen etwas anfangen können. Im Gegenteil. Und was mit "rechtspopulistisch" gemeint ist, kann der VdZ ebenfalls nicht nachvollziehen.
Denn dem Kanzler dürfte unbekannt sein, daß in Bestätigung dessen, was der VdZ hier erzählt, schon seit vielen Jahren - und LANGE vor der AfD - in den Reihen der Sozialdemokraten Meinungen (und vor allem an der Basis, aber das erfährt man nur, wenn man in Beisel geht und am Fließband steht und die Papptelleranrichtungen in den Werkskantinen teilt) gab und immer gab, die sich haargenau mit denen dieser sogenannten Rechtspopulisten decken. Die dort aber der ganz einfache, gesunde Hausverstand entstehen ließ. Aus Erfahrung, aus Beobachtung, vor allem aus Bereitschaft zum Realismus. Denn der arbeitende Mensch hat wenig Interesse an Sichtweisen, die er in seinen täglichen Erfahrungen gar nicht wiederfindet, ja die diesen widersprechen. Oder glaubt wirklich jemand, daß der gschupfte Ferdl, der seine Mizzi beim Arbeiterfest übers Parkett schleift und anschließend vernascht ernsthaft an "Genderfragen" interessiert ist? Daran glaubt, daß Frauen eben nicht Frauen sind? Ernsthaft an ein "drittes Geschlecht " glaubt?
Diese Basis aber, diese Menschen, denen die SPÖ alles verdankt, was sie bis heute an Macht und Einfluß aufbauen konnte, fühlen sich selbst in ihrer Partei nicht mehr zu hause. Das hat der VdZ immer wieder zu Gehör bekommen. Ja, er erinnert sich an ein Gespräch mit einer Sozialdemokratin allertiefsten Wassers, in dem beide förmlich Verbrüderung feierten, weil sie sich in einem Punkt völlig eins waren: Sowohl die Sozialisten als auch die Christdemokraten der Volkspartei erleben mit fassungsloser Traurigkeit, daß sie in ihrer eigenen Partei, der sie viele Jahrzehnte die Treue hielten, die ihre weltanschauliche und menschliche Heimat war, Fremde geworden sind. Die Erfolge der SPÖ verdankt sie aber einer Eigenschaft, die sich in den neuen Generationen, die der nunmehr abgewählte Kanzler in den Schichten, die er nun ansprechen möchte, gar nicht mehr findet! Treue, unbedingte Parteitreue, auch wenn es mal schlecht geht, auch wenn die Spitzen mal einen Anfall von Verstiegenheit bekommen.
Diesen Eindruck bestätigt dieses Gespräch mit einem Sozialdemokraten ebenso tiefsten Wassers, aber aus Deutschland. Der da mit Staunen feststellt, daß Position der AfD doch seit je auch Positionen der SPD gewesen sind, ja VOR diesen vertreten - aber nie gehört worden waren. Was der deutsche SPD-Regionalpolitiker Richard Schröder hier darlegt ist nämlich nichts anderes als das, wovon oben die Rede ist: Die Basis, die hart arbeitenden Menschen, haben auch viel viel Hausverstand. Was heute als rechtspopulistische Forderungen sogenannter rechter oder "rechtsradikaler" Parteien denunziert wird, ist nämlich nichts anderes als simple Alltagswahrnehmung. Wie sie aber nur jene haben, die um die Härten der Existenz wissen.
Der Grund, warum den etablierten Parteien vor allem in Deutschland (in Österreich hat die ÖVP, quasi die österreichische CDU/CSU) die Wähler davonlaufen liegt darin, daß die Menschen den Auszug der Vernunft aus der Politik nicht mehr länger mitmachen wollen. Und der Grund, warum die etablierten Parteien immer noch relevante Größen in der Parlamentsauswahl sind, liegt in einer Treue, die sie aber nicht einmal als Zukunft begreifen, weil sie nach ganz anderen "Wählerschichten" gieren. Jenen winzigen Minderheiten, die genau das repräsentieren, was von ihrer eigenen Basis als verqueres, wirklichkeitsfremdes und brutales "Establishment" abgelehnt wird.
Wobei die sogenannten rechtspopulistischen Parteien - in Deutschland die AfD, in Österreich die FPÖ und neuerdings auch ÖVP, wie Ex-Kanzler Kern (und einige Rabauken, die sich in Wien bereits anschicken, heftig Randale zu machen) - eigentlich nur aus diesem Grund entstanden sind! Aus Menschen, die in den gängigen politischen Parteien keine Vernunft mehr fanden. Die aber scheinen den etablierten Parteien (oder besser gesagt: deren basisfernen Kadern) gar keinen Versuch wert, zurückgeholt zu werden. Viel interessanter ist es offenbar, sich in gemeinsamer Anstrengung um eine Minderheit zu kümmern, die bald wohl als "Großpartei der vereinten Vernunftlosen" in die Geschichte eingehen wird. Denen es trotz enormem Aufwandes nicht gelungen ist, ihre ehemaligen Wählerschichten endgültig von der Wirklichkeit weg umzuerziehen.
*Der VdZ weiß, daß sich die SPÖ heute "sozialdemokratische Partei" nennt. Doch nicht nur kennt er sie als "sozialistische Partei", sondern diese Namensänderung fand er immer lächerlich. Sie wurde vorgenommen, als nach 1989 der kommunistische Block zusammenbrach und es nicht mehr opportun schien, sich weiterhin nach einem niedergegangenen System zu nennen. Ab hier übrigens ging es mit der SPÖ definitiv bergab.
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