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Sonntag, 13. November 2022

Europa auf Spitz und Knopf geschoben (1)

Wie extrem "auf Spitz und Knopf" das Unternehmen Barbarossa gestrickt war, wird einem beim Studium der Analyse der Wirtschaftslage im Hitlerschen Deutschland 1933 bis 1945 noch stärker als ehedem bewußt. Dabei bin ich unzufrieden damit, daß Adam Tooze in "Ökonomie der Zerstörung" so gar nicht berücksichtigt, daß die gesamte strategische Lage eines Deutschland als Staat inmitten Europas schon seit den Napoleonischen Kriegen extrem prekär war.
Oder ein Faktor, der fortan alles ändern mußte.
Dem Durchschnittskunden ist gar nicht bewußt, wie sehr die Lage DIESES aus verschiedensten Überlegungen heraus neu geschaffenen Deutschland - mit seinem Schwerpunkt nördlich des Weißwurscht-Äquators, also nördlich des Main - so fragil war, daß Deutschland mit Präventivkriegen regelrecht FIX kalkulieren mußte. Weil es die strtegische Disposition gar nie hatte (und BIS HEUTE nicht hat), Entwicklungen oder gar Kriegseröffnungen durch andere Staaten abwarten zu können. Zeit, Tempo, Geschwindigkeit, "Blitzkrieg" waren seit den neu eingeführten Reformen und Strategiekonzepten von Scharnhorst und Gneisenau die neuen Paradigmen deutscher Außenpolitik.

Die Grunddisporition, die der renommierte Historiker Adam Tooze aber kaum zu erkennen scheint, war also seit Napoleon mit einem Staatskörper "Deutschland" neu definiert. Als ei Land, dessen wirtchaftliche- kapitalistuhsche! - Potenz militärisch gar nicht zu bemeistern war. Also für einen Staat dieses Zuschnitts VON ANFANG AN nichts taugte. Alleien darüber ließe sich so viel sagen, daß selbst Reinhold Schneider nicht damir fertig wurde.

Alles ußte rasch gehen, und zuwar extrem rasch, überraschend, und egal welcher Feind mußte "erwischt" werden, sonst war dieser Staat existentiell nicht zu siochern. Die Nervosität, die sich schon seit dem Ministerpräsidenten Bethmann Hollweg vor 1914 überall festsetzte, war also berechtigt und Teil des Daseinsgefühls.

Das Hitler EINS ZU EINS übernommen hatte. Es ar das Daseinsgefühl JEDES deutsch Fühlenden jener Jahre: DieNotwendigkiet, eine Macht aufzubaue, die militärisch überhaupt nicht zu decken war., es sei denn durch Konzepte, die man unter andrem Aspekt durchaus als "nietheanisch-größenwahnsinnig" sehen konnte.

Und so war der Angriff auf die Sowjetunion 1941 keineswegs eine Hitler'sche Sondereskapade, sondern im politischen Denken jener Zeit (das zugleich ein militärisches Denken war, also viel realistischer als heute, wo wir die Selbst-Einrederei tatsächlich für einen Wirkfaktor halten - geht es eigentlich dümmer?) fast unauseichliche Konsequenz der Logik.

Vor den Augen der damaligen Führungen entstanden deshalb unausbleiblich Konzepte, die das Risiko bis zum Extrem ausreizen MUSZTEN. Die Blitzerfolge in Pollen, Frankreich, Griechenland, Notdafrika, Jugoslawien, die Erfolge bei der Besetzung Österreichs und der Tschechoslowakei, waren dabei in der (stark von de Medien getragenen) Öffentlichkeit militärisch weit überschätzte Zufälle. Und die meisten Generale Deutshclands wußten das sehr wohl. Mit Vernunft, mit verantwortlichem Kalkül war das alles nicht zu rechtfertigen. Selbst die Tschechei war militärisch gesehen ein Hazard, denn hätten sich die Tschechen ernsthaft gewehrt, wäre die Wehrmacht schon 1939 am Ende gewesen.

Der Angriff auf Rußland 1941 war in der politischen Überlegung dieses Deutshcland deshalb von Anfang an unausbleiblich, und keine Grille Hitlers. Wer A sagte, mußte auch B sagen. Und A war beriets 1935 gesagt worden. Ab 1936 ar die gesamte Lage Deutschlands - vor allem wirtschatlich, finanziell - auf Geleise geschoben, die nicht mehr anders als in einem Krieg enden KONNTEN. Und noch dazu in einem Krieg, der um fünf Jahre zu früh kam, und doch nicht später hätte eingeleitet werden KÖNNEN. Deutshcland war in einer wahrlich diabolisch zu nennenden Lage.

Bis 1940 war alles aber noch aufgegangen. Das Hazardspiel hatte scheinbar gefruchtet. Deutschland hatte (i9n diesem Puhjnkt den Überlegungen Japans nichtunähnlich) einen gewaltigen Wirtschafttsraum militärisch aufgerihtet. Der sich nominell durchaus mit dem Rest der Welt messen konnte. Und doch eine eklatante Schwäche hatte - Rohstoffe.

Dieses wahrlich europäische Problem, das Ost wie West ontologisch regelrecht aneinanderschmiedet, konnte unter diesen Prämissen (und ich weß, wie seltsam das klinen mag, aber es hat sich bis heute NICHT GEÄNDERT, es wird nur nicht mehr mutig genug aufgegriffen) nur durch die Integration der sowjetischen (russische) Rohstoffe "gelöst" werden.

Und das war selbst wiederum ein Hazardspiel. Die militärischen Kalkulationen zeigten eindeutig, daß Deutschland dabei nur bis maximal 500 Kilometer vordringen konnte, ehe es substantielle Versorgungen aus den eroberten Gebietne selbst anzapfen können mußte. Die Eisenbahnverbindungen im Intermatium Baltikum - Schwazres Meer waren für das wesentliche Problem eines Angriffs auf Rußland nicht ausreichend ausgebaut.
Wenn es auch manchem nicht passen mag, aber es gibt also tatsächlich EINEN Feldzug der Wehrmacht, der IN SICH EIN VERBRECHEN war, und das war der Angriff auf die Sowjetunion. Warum? Weil er nie anders kalkuliert war als daß er sich AUS DEM LAND nähren mußte. Das bedeutete vollwisentliche Inkaufnahme des Hungertods von Millionen von Sowjetbürgern der Ukraine bzw. des Intermariums (Baltikum bis Schwarzes Meer) - von Hitlerdeutschland als "Generalgouvernemant" zusammengefaßte Gebiet von Warschau - Krakau (Auschwitz) resp. Lublin - Bukowina (Lemberg bis kurz vor Tschernowitz), also in etwa die heutige Westukraine bis nahe Kiew.  
Daß das Konzept nicht ganz aufging war mehreren Faktoren zuzuschreiben: Einmal der bald nach dem Einmarsch 1941 einsetzuende Widerstand (Partisanen), der weit mehr Militär gebunden hat als geplant, und der vor allem den Frontnachschub noch weiter verteuert hat. Dann war es der für die Rüstungsindustrie immer problematischee Arbeitskräftemangel. Während in den ersten Jahren die Juden aus den besetzten Gebieten Europas in dieses Gebiet abgeschoben wurden, für das ein täglicher Kalorienbedarf von 1.000 Kalorien (das sind drei Krügel Bier, oder drei Handvoll Kohlehydrate) ein gezieltes Aushungern bedeuten sollte, das aber bald abgewandelt werden mußte. 
Weil NUR von dort wirkliche Massen von Arbeitern ausgehoben werden konnten. Aber dafür mußten diese Arbeitskräfte ausreichend bei Kräften sein. 
Wobei die Frauen nicht nur besonders leicht weil sogar oft von diesen begrüßt dazu eingesetzt werde konnten, sondern auch nur diese Frauen eine annähernd der deutschen Arbeitsnorm entsprechende Leistung erbracht wurde. Hunderttausende wurden nach Deutschland gekarrt. Oder sie bauten gleich Fertigungsstätten dort. Wie in Auschwitz, wo ein ganzer Industriepark entstand, an dessen Betriebe die SS - sie hat sich (siehe die Schriften von Eugen Kogon) davon eigentlich "selbst finanziert" - Arbeitskräfte vermietete.  
Schon Ende 1942 (Tooze belegt diese Angaben hinlänglich) mußte aber die Kalorienversorgung im Generalgouvernement deutlich erhöht werden, weil sonst keine Arbeitskraft mehr nutzbar war. Die Menschen waren einfach zu schwach dafür, und die Betriebe beschweren sich über die vielen, die bei der Arbeit einfach umkippten.. Außerdem mußte ja irgendwer die Felder wieder bestellen, und das Vieh versorgen. Denn man sah rasch, daß man nicht "alles" rauben konnte. In manchen Fällen versorgten Wehrmachtseinheiten sogar schon die Bevölkerung, die Rechnugn ging also einfach nicht auf.
Aber nicht einmal die Voraussetzung für den "Blitzkrieg", die als taktische Notwendigkeit davon lebte, daß durch die effektive Ausstattung mit Transportfahrzeugen rasche Auflösung und Konzentration von Truppenteilen möglich wurde, waren gegeben. Nicht generell. Nur 10 Prozent der deutschen Wehrmacht war in diesem taktischen Sinn motorisiert. Der Rest war wie in früheren Zeiten auf Fußmärsche und vor allem auf Millionen Pferde und Panjewagen angewiesen (und Pferdefurhwerke sind immer schon ein sehr teures Transportmittel für ein Heer gewesen.) 

Die deutsche Industrie, maßgeblich von den staatlich zugeteilten Rohstoffen gesteuert, konnte den Bedarf nicht decken, so "tüchtig" sie auch war. Aber Munitionsversorgung, Herstellung von Panzern usw. usf. waren ja ebenfalls zu bewältigen, und die Zentrale in Berlin bestimmte in vorausschauenden Jahresplänen, was jeweils dran war. Produktverbesserungen, wie sie auftauchende Feindwaffen oder Gefechtserfarhungen aufzeigten, brauchten ewig, bis sie (wenn überhaupt) umgesetzt (und damit auch Produkte verbessert) werden konnten. 

Der Mythos, den wir heute noch glauben, ist ein Ergebnis der NS-Propaganda, nicht der historischen Realität. Und in vielem sowieso nur der Notlage der Frontsoldaten selbst zuzuschreiben, die notgedrungen lernten, zu improvisieren. Die zahlreichen Fehlentscheidungen der Zentrallenkung sprechen eine andere Sprache. 

Man sieht das gerade bei so sagenumwobenen Projekten wie den V1 und V2-Raketen. Die zwar technisch dem Stand der Allierten voraus lagen, gewiß, aber taktisch sinnlos waren und also sinnlos enorme  Resourcen banden und vergeudeten. Daß die Engländer (vor allem die Londoner) sie so betonen liegt ganz gewiß an der allerhöchstens menschlich verständlichen Neigung, das eigene Leid gegenüber den begangenen Kriegsverbrechen - die 700.000 Bombentoten in Deutschland, die militärisch sinnlose, bösartige Kulturzerstörung durch die systematische Auslöschung deutscher Innenstädte - aufzublasen. Wobei die Engländer sowieso eine  ausgeprägte Neigung zur Geschichtsfälschung haben.

Mangels ausreichender Eisenbahnnetze in Westrußland mußte der enorm energieintensive Vormarsch der Hitlerschen Armeen also logistisch durch Lastkraftwagen getragen werden. Dafür gab es ein Konzept, das vorsah, daß die ersten Versorgungs-LKW 250 Kilometer tief nachstoßen konnten. Dann mußten sie entladen und Zwischenlager aufbauen, und zurückfahren. Währenddessen übernahm eine zweite Staffette die nächsten 250 Kilometer. Aber hzier endete die Wirtschaftflichkeit - ab jetzt würde die eingesetzte energie die gelieferte übertreffen. 

Die gesamte Reichweite einer offensiven Wehrmacht betrug also nie mehr als 500 Kilometer! Ab da setzte eine andere Rechnung ein, die auf Hoffnung aufgebaut war. Ab 500 Kilometern Vorstoßrtiefe benötigt die Versorgung selbst mehr Energie, als an die Front gelangt. Im Simpeltext: Ein L:stwagen, der eine gewisse Menge (sagen wir) Kraftstoffe 1000 Kilometer transportiert, benötigt (unter der Berücksichtigung von zu erwartenden Ausfallsraten, die schon im zivilen Verkehr 20 Prozent betragen) MEHR Treibstoffäquivalent, als er überhaupt noch an die Front trägt.

Im Grunde genommen war also der Angriff im Juni 1941 ein Hazardspiel folgender Logik: IM ERSTEN SCHRITT mußte MEHR ENERGIE INVESTIERT werden, als in den Kampfhandlungen genützt werden konnte. DEr Angriff war also ein Velrustgeschäft° Das sich erst ab dem Moment ändert, in dem NEUE Energiequellen erschlossen werden, VON WO AUS dann die Front neu versorgt werden kann. 

Das waren in dem Fall die Ölfelder von Baku bzw. am Kaukasus. Baku wurde zwar 1942 tatsächlich erreicht, aber die Ölfelder waren von der abrückenden Roten Armee so zerstört worden, daß sie für die Wehrmacht nichts mehr brachten. DAMIT WAR DER FELDZHUG ENDGÜLTIG GESCHEITERT. Noch VOR Stalingrad, noch vor dem Katastrophenwinter 1942/43.

DER GESAMTE VORSTOSZ DER WEHRMACHT IN DIE SOWJETUNION hatte also vom erste Moment an nur eine EINZIGE kakulierte weil mögliche Tiefe von 500 Kilometer. Und das heißt ... bis in die Mittte der Ukraine. Das heißt bis zum Dnjepr, maximal bis zum Don. Ab dort mußte neuerlich INVESTIERT werden. Von dort aus MUSZTE deshalb in den Kaukasus vorgestoßen werden, um das zusätzlich Investierte durch Überertrag in der Zukunft doch wieder vernünftig zu machen.

Und jetzt kommt's: Adam Tooze zeigt in "Ökonomie der Zerstörung" anhand von Zahlen und Statistiken, daß die Industrieleistung der Sowjetunion unter Stalin nicht nur völlig unterschätzt wurde, und auch in der Diskussion der Historiker bis heute völlig unterschätzt wird. Sondern daß es diese unfaßbare Leistung der sowjetischen Industrie war, die sämtiche Kalkulationen Hitlers zunichte machten. Die Nachlieferungen, die den Werken im Ural, wo Stalin eine "ultimative Haltelinie" etabliertt hatte, möglich waren, haben die Leistungen der deutschen Wirtschaft und damit die Versorgung der Front in Rußland zunehmend und immer deutlicher ÜBERTROFFEN. Mit Waffen, die den deutschen immer klarer auch technisch überlegen waren. 

Es mag sein, daß die Erzeugnise ovn Rheinmetall oder Krupp "mehr konnten", aber sie waren auch so unzuverlässig, daß man eigentlich sgen mu, daß sie für den Zweck, dem sie angeblich dienten, ungeeignet waren. Der Wartungsaufwand für einen Tiger-Panzer war extrem, und er war auch enorm störanfällig. Und der Panther war für das ukrainische Territorium (weiche Erde) völlig ungeeignet. (Genau dasselbe Problem scheint gegenwärtig sogar beim Leopard II - vom selben Hersteller, übrigens - kaum weniger zu bestehen.)

Und das ist denn doch überraschend, nicht wahr? Aus Swerdlowsk und Perm und vom Jenisseij sind mehr und bessere Flugzeuge, Panzer, Geschütze und Geschoße an die Front gelaufen, als Deutschland trotz des gewaltigen Wirtschaftsraumes, den sein nominell erobertes Territorium in Europa ausmachte, zu liefern vermochte. Und zwar schon OHNE Zweifrontenkrieg, der dann ab 1943 (Sizilien) den Krieg entdültig entschieden hat. 

Morgen Teil 2) Keineswegs nur ein Produkt der Willkür, Ideologie hat zwar gestört, aber nicht bestimmt. Die Lage Deutschlands war schon 1936 auf Schienen, die weit mächtiger als Hitler führten. Der war nur einer (immanenten) Logik gefolgt. 



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Erstellung 12. November 2022 - Ein Beitrag zur