>>Er habe ja bereits darauf hinge4wiesen, daß die große Schule der französischen Akademie die das Wissen der vorangegangenen Jahrhunderte gespeichert, geordnet und lehrbar gemacht hatte, zu einer Verwandlugn der Farbe habe gelangen wollen, gaz wörtlich.
Das Ziel sei gewesen, die Malerei in eine Reihe mit der Alchemie, der Goldmacherei, der Magie treten zu lassen, und zwr durch Umwandlung von Wertlosem in Kostbares, son Totem in Lebendes, von Leindwandfetzen und Ölpaste in alle denkbaren Substanzen."Farbe sollte aufhören, nach ihren Pigmenten analysierbar zu sein, sie sollte vielmehr zu einem Stoff eigener Art werden. Die fettschimmernden Klümpchen aus der Tube, auf die Palette gedrückt, sollten durch eine besonders komplizierte Behandlung zu einer entrückten, neuartigen Materie werden, aber das war keine Zauberei, sondern geschah durch das allmähliche Auftragen feinster, durchscheinender Schichten, Lage um Lage, und diese Schleier - wieder eine Verwandlung - wurden zu etwas Festem, schufen den Eindruck belebter Undurchdringlichkeit."Er bat sie, ihn zu dem Bild im kleinen Salon zu begleiten. "Du siehst, wie dieses kaum nur angedeutete Hellblau, Rosa, Hellgelb gleichsam aus dem Innern der Vogelkörper herausleuchtet. Und zugleich scheint eigentlich überhaupt keine Farbe auf dem Bild zu sein, nichts als die undefinierten Töne von Dreck unterm Fingerngel."<<
Aus Martin Mosebach, "Taube und Wildente"
Zu diesem Zitat aus Mosebachs neuestem Roman erlaube ich mir nur eine Hinzugügung, an den Leser gewendet, um den Grund zu illustrieren, der mich bewogen hat, diese Stelle herauszugreifen: Kunst ist per definitiionem die Schaffung dessen, was sie darstellt. In diesem Lichte besehen, ist als Kunst der Alchemie engstens verwandt. Und tatsächlich, ist mit der Etablierung der Alchemie eine neue Figur im gesellschaftlichen Theater aufgetreten - DER KÜNSTLER. Erstmals war der Schöpfer eines Werkes von Bedeutung, erstmals wurde er bekannt, und erstmals war das Werk "seine Schöpfuing". Daß er erstmals auch besonderen Lohn beanspruchte, die Kunst als Leistung FÜR SICH gesehen wurde, wäre noch zu ergänzen.
Vor der Renaissance, die diese Wandlung zur Vollgestalt brachte - und wo es zur Neueinführung sowohl von Kunst als auch von Alchemie kam - war ein Werk nur als handwerklicher Ausfluß gewesen, dessen eigentliche Leistung (wenn schon) dem Bauherrn zuzuschreiben war. Er war als Urheber eines Werkes angesehen. Nun aber kamen Namen, Personen dazu, und Hadwerk und Kunst wurden zu verschiedenen Gütern. Der Mensch wurde als "Schöpfer" begriffen, ein unerhörter und neuer Gedanke!
Denn im Kunstwerk IST, was dargestellt wird. Und DAS ist das Werk eines Schöpfers, der vor sich den leblosen, gestaltlosen Ton - die materia prima - hat, und daraus ... ein Ding der Welt schafft. Von dort führt die Linie direkt zum Mechanismus und zur Stellugn der Wissenschaft, des Wissens um die Herstellung, wie auch er Technik als der wahren Esssnz der Welt.
Eine Sichtweise wie die der französischen Akademie ist somit nur als Endpunkt einer Linie denkbar, die zur Zeit der Renaissance und dem Descartes'schen Weltauffassen als mathematischen Mechanismus begonnen hat, und im 19. Jahrhunderte an ihr endgültiges Ziel gelangt ist. Als die Welt in einem wahren Machbarkeitsrausch von der Technik übernommen und vollkommen verändert wurde. So sehr, daß sie meinte, sogar einen neuen Menschen erschaffen zu können.
Und so, wie die französische Akademie in den Malkünsten die FARBE MACHEN, das heißt als ei Ding für sich von jedem Kenner der Prozedur, von jedem "Meister", von jedem "Eingeweihten" herstellbar machen wollte. Die Menschliche Gesellschaft wurde zueiner Gesellschft der Magier, die Geheimnisse der Welt zu einer Lehre. Zu der die Schlüssel aber in hermetischen Zirkeln - dem "Akademikern", den "Gebildeten" - verwahrt blieben, die frei entschieden, wem sie Zutritt verschaffen wollten, und wem nicht.
Man kann deshalb die gesamte marxistische Bewegung (ein Name für viele Auftrittsformen) des 19. Jahdhunderts deshalb als reaktives Aufbegehren von Nicht-Eingeweihten, Nicht_Dazugehörenden betrachten, die Zutritt zu den Arkanen verlangt haben. ZU deren Geheimnisen und Machtbesitz natürlich auch die Herstellung von "Waren" gehört.
Was zugleich zeigt, wie sehr diese Denkungsarten und Verhaltensfolgerungen AN SICH falsch sind, also nicht graduell, als "zu viel" oder "zu wenig" - sondern prinzipiell. Weil die Aufbegehrenden dasselbe (Falsche) begehren wie die, die es vermeintlich besitzen, und es anderen nur vorenthalten.
Aber diese geistige Bewegung hat einen Denkfehler begangen, der in Mosebachs Szene gut dargestellt wird: Die Kunst kann das wirklich Wirkliche der Dinge "schaffen", das stimmt, und das ist die Aufgabe des Künstlers, dessen eigentliche Lebensaufgabe eine persönliche Reifung weil die Anähnlichung mit Gott ist.
Aber was er dann schafft, ist nur das unsichtbare wirklich Wirkliche der Schöpfung, ihre Idee, als die Quelle alles Geschöpflichen udn damit als Gegenstand der Erkenntnis (und DARIN als Annäherung zu Gott, als Analogie, als Anähnlichung) - aber nicht DAS REALE DING SELBST.
Niemand wird die Wildente, die in der Szene beschrieben wird, von der Wand nehmen und in den Ofen schieben können, um sie dann zu verzehren. Das zeigt, worin der Mensch Gott ähnelt, aber vor allem, worin er sich UNTERSCHEIDET.
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Erstellung 21. November 2022 - Ein Beitrag zur