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Donnerstag, 10. November 2022

Filmempfehlung (2)

Die Einheit der Welt zerbricht Als billige irische Arbeiter (Siehe Anmerkung*) kommen, senkt er einfach den Lohn für alle Arbeiter. Manche (auch unser Vater) können diese Ursache für die Kürzung gar nicht glauben, weil ihr Wertegefüge nur Gedanken wie die zuläßt, daß eben die Marktpreise für Kohle niedrig sind. Und das tragen eben wie immer ALLE mit. 

Aber daß der Reiche die Notlage aller ausnützt, das KANN nicht sein. Denn wo sollten die Menschen im Tal sonst ihren Lebensunterhalt verdienen? Nun aber müssen sie erstmals feststellen, daß sie nicht mehr untrennbar zu einem Ganzen verbunden sind, sondern einseitig diese Verbundenheit zur brutal ausgenützten Abhängigkeit ausgeformt wird.
Der Vater wehrt sich dennoch vehement gegen die Selbsthilfe der meisten übrigen Dorfbewohner, die nach Gewerkschaft und Streik rufen. Streik? Niemals, das wiederspricht den Lebensgesetzen! Ein sinnvolles, pralles Leben gibt es nur durch Opfer. 
Ein Mann von Ehre regelt seine Angelegenheiten somit selbst, sofern er sie nicht im Opfer erträgt. Und ein Vater und Familienoberhaupt schon erst recht. Solche Arbeitskämpfe aber sind ehrlos, und wenn man auch "verliert", so ist die unbefleckte Ehre vor Gott weit wichtiger.
Aber so bricht die Talgemeinschaft auseinander, und mit einem mal stehen sich Parteien gegenüber, die einander mißtrauen und den anderen als Todfeind begreifen. 
Das Leben im Tal wird fortan nie mehr dasselbe sein, nie mehr dieselbe Ausgewogenheit, Harmonie, unbeschwerte Lebensfreude (und Lebensfülle) enthalten, die es zuvor zu einem kleinen Garten Eden machte. Dem Vater wird dieser Bruch letztlich sogar das Leben kosten. Es bleibt kaum Hoffnung, daß seine Leiche, die alle im Leid noch einmal so erschüttert, daß alle Gräben geschlossen werden, alle Wunden nachhaltig wieder verschließt. Das Leben ist nun anders, und wird nie mehr wie früher.
Immerhin hat er aber im Tode die Ehre nocheinmal aufleuchten lassen, und bleibt so als leuchtendes Zeichen wenigstens noch in der Erinnerung bestehen. Wenn auch vom Sohn nun traurig besungen.
Fords Epos schwebt also keineswegs in einem isolierten Guckkasten, sondern zeigt, wie das Kleine allmählich in ein immer umfänglicheres Weltgeschehen eingebunden wird.

Aber jetzt beginnt die Gemeinschaft der Menschen im Tal auseinanderzubrechen. Erstmals, so die Erzählstimme im Film, tauchen Gedanken auf, die es zuvor nie gegeben hat: Daß sich hier Gruppen "feindlich" gegenüberstehen, daß die traditionelle Gemeinschaft zu einer Gesellschaft der Gewaltverhältnisse geworden ist, in der jede Seite versucht, mehr Gewalt über die andere zu gewinnen, weil sie sich nicht mehr in ein Weltganzes eingebettet sieht - ins "Grüne Tal" - sondern jeder für sich schauen muß, wie er überlebt.

Das war noch eine andere USA - "How Green Was My Valley" ist (erstaunlich genug) 1941 gedreht worden. Gerade also in einer Zeit, in der Hitler Europa unterworfen hatte, und die Amerikaner sich anschickten, gegen ihn in den Krieg zu ziehen, schafft Ford seinen tief melancholischen Appell an die amerikanischen Menschen, sich auf Heimat und Lebensgemeinschaft zu beziehen. Zeigt, wie verstörend ein Denken wirkt, das sich nicht mit den eigenen Lebenskreisen begnügen will. 

Übrigens in der Figur des Erzählers selber sehr deutlich gezeichnet: Der Bub, wegen eines Unfalls lange ans Bett gefesselt, und damit auf Bücher verwiesen, darf eine Schule besuchen, und könnte schließlich sogar studieren. Aber er lehnt es ab: Hier gehört er hin, und sein Leben wird nicht vom Schicksal seines Vaters abweichen. IHM wird er folgen. Also geht der schmächtige "Kluge" ebenfalls ins Bergwerk. In dem bald darauf aber sein Vater sein Leben läßt. 

1941 tobte in den USA ein Meinungskampf, ob man in den Krieg eintreten sollte, oder nicht. (Inoffiziell hatte man es ohnehin längst gemacht; die amerikanischen Schiffe leisteten längst mehr als nur Lieferdienste für England.) Es hat also ein Pearl Harbour im Dezember 1941 gebraucht. Erst das ließ dann die Dämme zum Weltkrieg hin bersten. 

Aber während in Deutschland "Hitlerjunge Quex" und ähnlicher Unsinn gedreht wird, blühen in den USA - ja, in Hollywood, richtig verstanden - Filme mit einem Bildnis von Jugend und Jungen, das heranwachsende Menschen voller wahrer Größe und Edelsinn zeigt.  

Man sieht auch an diesem Film  - und sie waren keineswegs die Ausnahme, sondern die Regel! - wie sehr in den USA noch eine Nation um eine originäre Kultur - als Weiterentwicklung des Abendlandes in seinem besten Sinn! - zu leben versuchte. Diese Entwicklung hat dann der Krieg radikal unterbrochen, und Amerika war nach 1945 ein anderes Land als vor 1941. 

Vielleicht versteht man so auch das Ansehen der GIs bei uns 1945f. besser, das diese immerhin in der Welt genossen, wenn man weiß, daß die USA vor dem 2. Weltkrieg ein anders Land war - als nachher. Es war eine aufkeimende Kultur, und das erkennt man genau daran, daß sie auf einem großartigen Vaterbegriff aufgebaut war. 

Zu dem ein ebenso großartiger Begriff der Frau und Mutter gehört, die in ihrer Rolle als Sachwalterin des Lebens und der Familie aufgeht. Natürlich in der klaren Hierarchie, die im Film auch so berührend dargestellt wird: "Der Vater ist das Haupt, aber die Frau ist das Herz der Familie."

Man könnte auch diesen Satz als die erste und eigentliche Botschaft des Films "How Green Was My Valley" von John Ford sehen. Ein anderer kann ihn freilich auch als Sozialstudie auffassen, wieder ein anderer als Geschichtswerk, oder ein nächster als psychologische Studie. Alle diese Kategorien erfüllt der Film. 

Über allem aber ist er ein Ganzes, und sollte vielleicht im ersten Schritt auch so angesehen werden: Als ein Blick in ein Leben, das keineswegs vergangen, sondern nur verschüttet ist.  Denn das Gute, das Sein, kann man nicht ausrotten. Das wäre das Ende der Welt. Man kann es nur schwer erkennbar machen.





Anmerkung* - Die Iren haben es ja selbst nicht leicht, und verlassen ihr Land aus Verzweiflung - wie es nun auch einige Waliser (und viele Europäer aus denselben Gründen: Wegen des Siegeszuges des Kapitalismus in Europa) tun: Auch vier Söhne wandern nun nach Amerika aus (um freilich dann wieder zurückzukommen, denn Arbeit und Lohn ist gut, aber ist es zum Leben wirklich genug?) Irland, von Wales nur durch eine relativ kleine Meeresenge entfernt, wird in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von einer wahrlich apokalyptischen Katastrophe (geschichtsfälscherisch von den englischen Historikern als "Potatoe Famine" bezeichnet; es war aber ein kapitalistisch wie rassistisch motivierter Genozid) heimgesucht.



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Erstellung 03.  November 2022 - Ein Beitrag zur