Was Mann und Frau zu sich selbst macht
ist das, was sie umfängt, also die Ehe, als Gründung einer neuen Welt,
wo eine Beziehung welthaft, also gestalthaft wird, im geschlechtlichen
Zueinander. Sodaß gilt, daß erst als Vater und als Mutter das Geschlecht
zu sich selbst wird. Das ist ein immanentes Geschehen, kein direkt
erreichbares Gut. In seinem wesentlichen Element, daß das andere
Geschlecht eben "anders" ist. Wie? Das wirklicht sich erst in dieser
Begegnung, und zwar in einem dann Gemeinsamen, das dann als "Haus"
tatsächlich Welt (in ihren weiteren, umfassenden Formen, wie Gemeinde,
Region, Land, Staat) ist, die wiederum vom Umfassenderen her begründet
wird.
In
diesem kleinen Punkt (der sanfter Hinweis auf eine bei ihr immer
wieder durchscheinende Ungereimtheit in ihrem Denken - sie ist, als
Frau, eben auch intuitiv, und damit tendenziell synthetisch) muß man dem
sonst sehr inspirierenden Vortrag der em. Philosophiedozentin Hannah
Gerl-Falkovitz widersprechen. Die im Jänner 2019 am Wiener
Religionspädagogischen Institut in einem weitausholenden Einblick in die
Überlieferung und Tradition vieler Völker dieses Mysterium anspricht.
Das erst Fruchtbarkeit möglich macht. Als Hinzukommendes, als zuvor
nicht gekannte, nunmehr aktivierte Potenz, die zugleich das Tor zum
Ewigen, zum Jenseitigen, zum Transzendenten darstellt. Und zwar in
dieser Auslieferung an das Nicht-Gekannte.
Falkovitz
spricht dabei die in den maßgeblichen Mythen überlieferte Eigenart der
Geschlechter an. Wo der Mann sich durch Heldentat und Befreiungskampf
die Frau verdienen muß, die prinzipiell die Passive ist, will sie sie
selbst sein. Die, die wartet, die erwartet und sogar fordert. Um dann
dem Helden gnädig ihre Hingabe zu schenken, die ihr weit mehr kostet als
ihn: Denn sein Penetrieren ist ein definitives und endgültiges
Verletzen (als Verändern) ihres Daseins weil ihrer Leiblichkeit.
Erst
in dieser Differenz, in diesem Hineingehen ins Unbekannte, wird der
Mensch nicht nur zu sich selber, sondern erkennt er sich auch. Kein
Blick in den Spiegel, kein Blick aufs gleiche Geschlecht kann das
leisten. Die Identifikation mit beziehungsweise über das gleiche Geschlecht, wie es
für Vater und Sohn typisch ist (und sein muß), bildet dabei nur die
stumme Grundlage des Hinaustretens in den Kampf (ums Weib.) Die Frau ist
dabei einfach die, die dem Mann "das Leben" bedeutet: Adam nennt seine
Frau, die Gott ihm gemacht hat, "Leben" (Eva).
Will
er, der Mann, leben und Leben in die Welt tragen, muß er sich zu ihr
durchkämpfen, sie erobern, und sich an die nunmehr als Lohn des
Preisgeldes Hingebungsbereite hingeben. Die Frau ist dabei die, die als
Leib "einfach da" ist. Darin liegt ihre Kostbarkeit, und darin liegt
auch ihre Pflicht, diese Gabe, die sie "ist", durchaus zu verteidigen,
also mit einem Preis zu versehen.*
So,
in dieser Auslieferung ans Unbekannte, das durch Initiation gehen muß,
als Schritt die eigene Basis als Ausgangspunkt zu festigen, zu
"erhärten", ist auch der Raum für die Begegnung mit Gott eröffnet. Und
zwar zu Gott in seiner mit der Erde, dem Menschen verbundenen Realität!
Insofern ist Gott der "in der Mitte", nicht "der andere selbst". Der
einem durchaus auch das ganze Leben, selbst in langer Ehe, fremd bleiben
kann, wenn nicht sogar soll. Diese Fremdheit gilt es aber
durchzuhalten. Was dem heute so oft anzutreffenden Wahne widerspricht,
mit dem anderen "zu verschmelzen", "eins" zu werden.
In
diesem Sinne gibt es dieses "Einswerden" gar nicht, sie ist eine sogar
gefährliche Illusion. Die Frau wird dem Manne nämlich immer fremd
bleiben, und sie muß das sogar. Nicht, weil sie etwas verheimlicht,
sondern weil sie anders "ist". Und zwar mehr, als umgekehrt, weil der
Mann weit eher nach der Logik der Welt aufgebaut ist. Es ist somit
pathologisch, dieses Unergründliche ausschöpfen zu wollen, etwa durch
Techniken und Methoden, die "restlose Offenheit" bewirken sollen.** Die
in jedem Fall eine Illusion ist, die auch dem, der angeblich "restlos
offen" ist, eine innere Fessel anlegt, die er kaum mehr erkennen kann.
Es muß also genügen auf diese Unergründlichkeit zu pochen!
Wenn
Gerl-Falkovitz also von der Fremdheit als "Salz in der Suppe" spricht,
so darf man das nicht als rein pragmatischen Tip verstehen, sondern es
ist sogar das, was die Anziehung der Geschlechter in der Erotik (sic!)
ausmacht. Die von einer andeutenden Verhüllung lebt, nicht von der
anatomischen Reservelosigkeit.
Auch
die Vertrautheit, diese wunderbare Frucht der Verbindung von Mann und
Frau, gedeiht nur auf dem Boden dieses Respekts vor dem letzthinnigen
Geheimnis, das mir im anderen gegenübersteht. Sie gedeiht, wenn der
andere sich der Verläßlichkeit sicher sein kann, daß der andere den
Moment der Ungeschütztheit, den ich ihm in der Partnerschaft biete, auch
respektiert, ja schützt. (Im alten Bürgerlichen Gesetzbuch galt deshalb
die Bloßstellung und Indiskretion als Grund für schuldhafte Entlassung bzw. Scheidung.) Das Miteinander von Mann und Frau ist als Ganzes ein
Geheimnis, ein "Heim", in dem jeder der beiden wohnen kann.² Das mit der
Zeit immer mehr wachsen kann, in dem sich mit der Zeit mehr und mehr
Räume auftun können, beschreibt es Gerl-Falkovitz.
Wo
aber ein Geheimnis auftritt, das noch dazu das Geheimnis des Lebens
einbegreift, spricht man in allen Kulturen und Traditionen von
"Heiligem". Denn es geht um weit mehr als um menschliche Begegnung. Es
geht um das Einschließen des Geheimnisses der Welt, in dem sich das
Transzendente, das Göttliche der Erde schöpferisch zuneigt und das
deshalb nicht machbar, das nur erflehbar ist.
Morgen Teil 2)
*Es ist also interessant, daß die
"käufliche Liebe" im entsprechenden Gewerbe diese natürliche, in ihrer
Natur natürlich "andere" Konstellation von Mann und Frau so täuschend
lebensecht nachspielt.
**Der
VdZ hat sich an dieser Stelle deshalb schon mehrmals sehr ablehnend
gegen auch in katholischen Kreisen so beliebte Methoden wie "Marriage
Encounter" gewandt. Die nur den Spielraum der Freiheit bei den Partnern
einengen und determinieren, aber kein innigeres "Miteinander" als
Ganzheit bringen.
²Das
trifft auch für den Fall der "Pathologie" zu, die wie die Sünde als
Abwendung von Gott (wenn auch in anderer Schuldkonstellation) eine
Entfernung vom eigentlichen ontologischen Geschehen bedeutet. Lesbar im
(nach heutigem Maßstab) psychologischen Sinn ist immer nur die
abgrenzbare Pathologie! Nur sie beugt sich einem nachvollziehbaren
Mechanismus. Dennoch (sic!) ist der wahre Andere, der wirkliche Mensch
der er ist, dasselbe Geheimnis geblieben, das nur verschütteter,
verborgener bleibt, auch im Affiziertwerden durch das allem
unterliegende, wirklich wirkliche Geschehen, und durch die Pathologie
verdrängt wird. Aber das ändert nichts am Geschehen weil am Ort, an dem
jemand steht.
*101019*