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Donnerstag, 7. November 2019

Filmempfehlung

Diese Filmempfehlung mag den Leser kurz irritieren, aber er wird gleich sehen, warum sie hier Platz findet. Denn in "Tombstone" (den es im Netz kostenlos leider nur in englischer Originalfassung gibt) präsentiert sich nur auf den ersten Blick einer der üblichen, wenn auch saugut gemachten Western. Der Film unter der Regie ist vielmehr eine Parabel auf die Entstehung von Recht und Ordnung als Grundlage einer Gesellschaft. Die sich zwar irgendwie ganz gut gefühlt hat, solange in ihr alleine das Recht des Stärkeren galt, ja die auf eine Weise sogar prosperierte. Aber in Gebieten, die dem Zustand des Chaos entsprechen: Glücksspiel, Alkohol, Bordelle. 1880 hatte die Stadt aber nicht nur 7.000 Einwohner, sondern auch drei Zeitungen. Und wurde beherrscht von Cowboys und im Grunde Gesetzlosen. Nicht, daß es da nicht auch eine Ordnung gegeben hat, aber die war nur insoweit gegeben, als man sich mit den Anführern gutstellte.

Das Auftauchen der vier Marshalls, der Brüder Earp und Doc Hollyday, steht im Zusammenhang mit dem Ende des Bürgerkriegs 1865. Mit dem Sieg der Nordstaaten hatte auch eine zentralistische Idee von Recht und Ordnung gesiegt. Die Rechtsvorstellung der Nordstaaten hatte über die der Südstaaten gesiegt. Nun konnten sich alle Bürger auf eine Ordnung verlassen, die vor allem in den Frontier-Staaten nicht mehr primär auf der Gewalt des Augenblicks beruhte oder von Launen der Mächtigen abhing, sondern die zwar eine starke Rückhand - durch mögliche Gewalt - hatte, aber in der eine neue Form von Zivilisation einzog, in der alle mit denselben Prinzipien des Rechts rechnen konnten, als Grundlage für eine friedliche Gesellschaft, die von einheitlichen inneren Prinzipien getragen war. 

So zumindest die offiizielle amerikanische Geschichtsschreibung. Denn in den ehedem spanisch-französischen Südstaaten war die Lage völlig anders. Dort hatte es Recht gegeben, wenn auch mit anderer Prägung. Die Beseitigung der alten Autoritäten 1865 hatte aber auch dort Chaos und Rechtlosigkeit ausbrechen lassen, die Konföderierten-Staaten fielen in einen Zustand des Nichts, und Probleme brachen auf, die es nie gegeben hatte.

Im Vielvölkerpott der nur von Zuwanderern aus der ganzen Welt gebildeten Vereinigten Staaten gab es in dem Maß, wie sie von ihren europäischen Herkunftsvölkern und -staaten abgelöst waren, keine einheitliche kulturelle, ethnische, religiöse Prägung, die historisch gewachsen und in den Menschen selbst, in ihren Lebensweisen und Wertelandschaften verankert wäre, wie das in Europa der Fall war. Wo es die Kirche gegeben hatte, die diese Einheitlichkeit des Rechtsempfindens garantiert hätte. Sodaß sich das Rechtsempfinden der Europäer grosso modo deckte, und mit dem offiziellen Recht der Obrigkeiten ident war. Sodaß in Europa ursprünglich eine Ordnungsmacht Garant von Ordnung wie auch Erlösung von Willkür und Zufälligkeit und Gewalt war. Das gab es in den USA nicht. Also sollte Recht und Ordnung künstlich hergestellt, den bestehenden regionalen Regelungen übergeordnet und durchgesetzt werden. Und das tat die Zentralregierung in Washington mit der Bestellung von Bundesmarschalls.

Das Interessante am Film ist aber auch, daß diese neue Rechtsordnung, an die sich die Einwohner von Tumbstone gewöhnen müssen, praktisch doch nur deshalb durchgesetzt werden kann, weil die maßgeblichen Gesetzesvertreter  mit dem Anführer Wyatt Earp zum einen Verwandtschaftsbande, zum anderen aber (Doc Hollyday) echte Freundschaft prägt. Von diesem ganz persönlichen Ehrbegriff ausgehend, der selbst wiederum im logos, also einem transzendenten Urbild gründet, das tatsächlich das Recht einer Gesellschaft tragen kann und sogar muß, bilden die vier Männer jene starke Macht, die nur fast zufällig dem Gesetz dient, und es auch durchsetzt. Und dabei die zufällige "Naturordnung" einer Gesellschaft der freien Cowboys und Naturburschen überwindet.