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Donnerstag, 14. November 2019

Warum da etwas nicht stimmt (1)

Krall geht von liberalistisch-kapitalistischer Zinsdynamik aus - wo menschliches Wirtschaften mathematischem Zwang ausgeliefert wird. Das heißt aber, daß nicht wirtschaftsimmanente Mechanismen zum Tragen kommen müssen, wie Krall meint, sondern wirtschaftsfremde, eben mathematische Motive. Wenn ein Unternehmen keine Zinsen bezahlt, aber dennoch Verluste schreibt, ist es natürlich zum Sterben verurteilt. Aber das passiert ja heute auch, trotz der niedrigen Zinsen (denn natürlich zahlen Kreditnehmer Zinsen, auch wenn die EZB für das von ihr selbst gedruckte, zur Verfügung gestellte Geld keine Zinsen verlangt).

Zinsen zwingen dem Kreditnehmer eine neue Logik auf, die mit seinem ursprünglichen Tätigkeitsfeld nichts zu tun haben. Das von Arbeit und Liebe zum Produkt begleitet sein muß. Das ist dann der Boden, auf dem gesunde, richtige, marktkonforme Innovationen stattfinden. Stattdessen zwingt die Zinsdynamik der Wirtschaft ein Denken auf, das von seinem eigentlichen Unternehmensgegenstand abgeht, und sich immer mehr nur noch darauf konzentriert, innerhalb des Geldsystems zu bestehen. Eine neue Logik gewinnt, vergleichbar der in der Politik, wo nicht die in der Realität besten Leute nach oben kommen, sondern die, die die systemimmanenten Mechanismen am besten beherrschen.

Deshalb der hohe Anteil von Beamten, Lehrern, Wirtschaftsfremden in den Reihen der Abgeordneten: Sie sind Menschen, die alles den Aufstiegsmechanismen innerhalb ihrer Parteien verdanken. Die aber mit dem eigentlichen Gegenstand der Politik nur am Rande - meist genügen Schlagworte - zu tun haben. Nicht die wirklichen Probleme der Menschen sind damit Objekt und Inhalt der Politik, sondern jene "Lösungen", die der Bereitschaft dienen, sie an der Macht oder in ihrer Stellung zu halten.

Natürlich ist die Vorgehensweise der EZB falsch. Natürlich dient sie nur dem Überleben der Systeme. Natürlich ist es ein Irrtum, Wirtschaft als Mechanismus zu sehen, den man hier ölt, damit er dort läuft. Natürlich ist es ein Irrsinn zu meinen, man müsse nur genug Geld unter die Leute bringen, dann wäre alles regulierbar, womit man Geld von seinem Hintergrund - Ausdruck von Wert, der auf Arbeit fußt - ablöst. Und natürlich ist dieser Einwurf niemals als Aufforderung zum Etatismus, zum Sozialismus zu verstehen. 

Aber freier Markt und Kapitalismus sind eben ZWEI PAAR SCHUH. Beide sind nicht deckungsgleich, sondern der freie Markt DIENT nur dem Kapitalismus, der in sich die unabdingbare Logik trägt, Kapital zu zentralisieren. Weil er das Gesetz des Stärkeren, des Skrupelloseren sieht, weil der siegt, der nicht das beste Produkt herstellt und anbietet, sondern der, der die mathematische Logik am besten bedienen kann. Die Folgen kennen wir alle: Auslöschung des Mittelstandes, Entstehung globaler Konzerne, die so viel Macht haben, daß sie die Politik vor sich hertreiben. Und vor allem: Unmenschliche Arbeits- und Lebensbedingungen. Eine Gesellschaft von Lohnsklaven und Konsumismusrobotern hier, von Profiteuren dort. Die gar keine Unternehmer sind, sondern tatsächlich einfach "clever" als Gesetz des "catch as catch can" bedienen. 

Wir haben es alle in den Branchenbereinigungsprozessen der letzten Jahrzehnte erlebt. Gerade gestern war der VdZ in einer niederösterreichischen Kleinstadt. Es zerriß ihm das Herz zu sehen, daß rund um den Stadtplatz dereinst drei Fleischereien tätig waren. Die Lokalruinen zeigen, daß nur noch einer davon überlebt hat. Und der kämpft furchtbar. Warum? Weil die Supermärkte, sämtlich Filialen von großen Ketten, die sich auch dort am Stadtrand aufgepflanzt haben, Fleisch anbieten. Billiger, einfacher, bequemer. Und bequemer heißt immer ... Qualitätsverlust. Ist aber einer der wunderbaren Verführungsmechanismen, Innovation zu unterdrücken, indem man sich lediglich der Anbequemungseigenschaften widmet. Während man um wahre Qualität zu erkennen, einen ganz anderen Zugang zur Welt und zum Produkt bräuchte, der fortan verloren geht. Kapitalismus löscht so auch das Vermögen der Konsumenten aus, Qualität überhaupt zu erkennen.

Es ist deshalb falsch zu meinen, zumindest so pauschal weil aus Statistiken (sic!) abgeleitet zu meinen, daß jedes Unternehmen - Krall nennt sie elegant "Zombieunternehmen" - keine Existenzberechtigung hätten, wenn es sich der GANZ EIGENEN Logik des Zinses nicht unterwirft. Und weiterarbeitet wie bisher, ohne durch Zinsdruck "Innovationen" zu generieren. Die aber gar nicht dem eigentlichen Produkt und Unternehmensgegenstand dienen, sondern dem bloßen finanziellen Überleben, dem bloßen Konkurrenzkampf innerhalb einer mathematischen Zinslogik. Jenem Kampf also, wo der Zweck alle Mittel heiligt.

Wir sind hier mit den Prämissen des liberalistischen Kapitalismus konfrontiert, der da dem Mythos aufsitzt, alles würde sich von selbst regeln, das wäre (gemäß der Evolutionstheorie IST es ja auch so) dann der natürliche Regelkreis, der alles zur vollkommenen Harmonie ausstabilisiert.


Morgen Teil 2)