Krall geht von
liberalistisch-kapitalistischer Zinsdynamik aus - wo menschliches
Wirtschaften mathematischem Zwang ausgeliefert wird. Das heißt aber, daß
nicht wirtschaftsimmanente Mechanismen zum Tragen kommen müssen, wie
Krall meint, sondern wirtschaftsfremde, eben mathematische Motive. Wenn
ein Unternehmen keine Zinsen bezahlt, aber dennoch Verluste schreibt, ist
es natürlich zum Sterben verurteilt. Aber das passiert ja heute auch,
trotz der niedrigen Zinsen (denn natürlich zahlen Kreditnehmer Zinsen,
auch wenn die EZB für das von ihr selbst gedruckte, zur Verfügung
gestellte Geld keine Zinsen verlangt).
Zinsen
zwingen dem Kreditnehmer eine neue Logik auf, die mit seinem
ursprünglichen Tätigkeitsfeld nichts zu tun haben. Das von Arbeit und
Liebe zum Produkt begleitet sein muß. Das ist dann der Boden, auf dem
gesunde, richtige, marktkonforme Innovationen stattfinden. Stattdessen
zwingt die Zinsdynamik der Wirtschaft ein Denken auf, das von seinem
eigentlichen Unternehmensgegenstand abgeht, und sich immer mehr nur noch
darauf konzentriert, innerhalb des Geldsystems zu bestehen. Eine neue
Logik gewinnt, vergleichbar der in der Politik, wo nicht die in der
Realität besten Leute nach oben kommen, sondern die, die die
systemimmanenten Mechanismen am besten beherrschen.
Deshalb
der hohe Anteil von Beamten, Lehrern, Wirtschaftsfremden in den Reihen
der Abgeordneten: Sie sind Menschen, die alles den Aufstiegsmechanismen
innerhalb ihrer Parteien verdanken. Die aber mit dem eigentlichen
Gegenstand der Politik nur am Rande - meist genügen Schlagworte - zu tun
haben. Nicht die wirklichen Probleme der Menschen sind damit Objekt und
Inhalt der Politik, sondern jene "Lösungen", die der Bereitschaft
dienen, sie an der Macht oder in ihrer Stellung zu halten.
Natürlich
ist die Vorgehensweise der EZB falsch. Natürlich dient sie nur dem
Überleben der Systeme. Natürlich ist es ein Irrtum, Wirtschaft als
Mechanismus zu sehen, den man hier ölt, damit er dort läuft. Natürlich
ist es ein Irrsinn zu meinen, man müsse nur genug Geld unter die Leute
bringen, dann wäre alles regulierbar, womit man Geld von seinem
Hintergrund - Ausdruck von Wert, der auf Arbeit fußt - ablöst. Und
natürlich ist dieser Einwurf niemals als Aufforderung zum Etatismus, zum
Sozialismus zu verstehen.
Aber
freier Markt und Kapitalismus sind eben ZWEI PAAR SCHUH. Beide sind
nicht deckungsgleich, sondern der freie Markt DIENT nur dem
Kapitalismus, der in sich die unabdingbare Logik trägt, Kapital zu
zentralisieren. Weil er das Gesetz des Stärkeren, des Skrupelloseren sieht,
weil der siegt, der nicht das beste Produkt herstellt und anbietet,
sondern der, der die mathematische Logik am besten bedienen kann. Die
Folgen kennen wir alle: Auslöschung des Mittelstandes, Entstehung
globaler Konzerne, die so viel Macht haben, daß sie die Politik vor sich
hertreiben. Und vor allem: Unmenschliche Arbeits- und
Lebensbedingungen. Eine Gesellschaft von Lohnsklaven und
Konsumismusrobotern hier, von Profiteuren dort. Die gar keine
Unternehmer sind, sondern tatsächlich einfach "clever" als Gesetz des
"catch as catch can" bedienen.
Wir
haben es alle in den Branchenbereinigungsprozessen der letzten
Jahrzehnte erlebt. Gerade gestern war der VdZ in einer
niederösterreichischen Kleinstadt. Es zerriß ihm das Herz zu sehen, daß
rund um den Stadtplatz dereinst drei Fleischereien tätig waren. Die
Lokalruinen zeigen, daß nur noch einer davon überlebt hat. Und der
kämpft furchtbar. Warum? Weil die Supermärkte, sämtlich Filialen von
großen Ketten, die sich auch dort am Stadtrand aufgepflanzt haben,
Fleisch anbieten. Billiger, einfacher, bequemer. Und bequemer heißt
immer ... Qualitätsverlust. Ist aber einer der wunderbaren
Verführungsmechanismen, Innovation zu unterdrücken, indem man sich
lediglich der Anbequemungseigenschaften widmet. Während man um wahre
Qualität zu erkennen, einen ganz anderen Zugang zur Welt und zum Produkt
bräuchte, der fortan verloren geht. Kapitalismus löscht so auch das
Vermögen der Konsumenten aus, Qualität überhaupt zu erkennen.
Es
ist deshalb falsch zu meinen, zumindest so pauschal weil aus
Statistiken (sic!) abgeleitet zu meinen, daß jedes Unternehmen - Krall
nennt sie elegant "Zombieunternehmen" - keine Existenzberechtigung
hätten, wenn es sich der GANZ EIGENEN Logik des Zinses nicht unterwirft.
Und weiterarbeitet wie bisher, ohne durch Zinsdruck "Innovationen" zu
generieren. Die aber gar nicht dem eigentlichen Produkt und
Unternehmensgegenstand dienen, sondern dem bloßen finanziellen
Überleben, dem bloßen Konkurrenzkampf innerhalb einer mathematischen
Zinslogik. Jenem Kampf also, wo der Zweck alle Mittel heiligt.
Wir
sind hier mit den Prämissen des liberalistischen Kapitalismus
konfrontiert, der da dem Mythos aufsitzt, alles würde sich von selbst
regeln, das wäre (gemäß der Evolutionstheorie IST es ja auch so) dann
der natürliche Regelkreis, der alles zur vollkommenen Harmonie
ausstabilisiert.
Morgen Teil 2)
*280919*
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