Dieses Blog durchsuchen

Dienstag, 23. März 2010

Einsamkeit

Geboren ist er am 13. Juni 1966 in St. Petersburg, das damals noch Leningrad (Leninstadt) hieß. Schon in der Grundschule war sein überragendes mathematisches Talent aufgefallen, und sein Weg war somit vorgezeichnet: 1982 gewann er als Schüler eine Goldmedaille bei der Internationalen Mathematik-Olympiade (mit voller Punktzahl) und wurde deshalb ohne Aufnahmeprüfung zum Studium zugelassen. Für einen Sohn jüdischer Eltern in der antisemitischen Sowjetunion eine bemerkenswerte Ausnahme. 1990 promovierte er in Leningrad über einem Problem der Sattelflächen im Euklidischen Raum.

Es folgten Aufenthalte an Universitäten in den USA, und tolle Angebote wiesen auf eine kometenhafte Karriere. Da überlegte es sich Grigori Perelman noch einmal. Er kehrte 1995 nach St. Petersburg zurück, und war dort Steklow-Institut tätig. Weil man seine überragenden Fähigkeiten erkannt hatte, ließ man ihn völlig in Ruhe, obwohl er nichts mehr publizierte, wie man sagt: an der Differentialgeometrie arbeitete, und nicht einmal seine Habilitationsschrift verteidigte, was im russischen Bildungssystem, wo der "Doktor" immer weit höher qualifiziert war als z. B. in Österreich, notwendig gewesen wäre. Er blieb "Kandidat" (etwa: Magister), als einziger der führenden Wissenschaftler am St. Petersburger Institut.

2003 kündigte er aber dort, und es ist die letzte bekannte Beschäftigung, der er nachging. Eine Zeit lang wohnte er in der Datscha eines Freundes, isoliert und zurückgezogen, und befaßte sich noch mit mathematischen Problemen. Schließlich zog er wieder zu seiner Mutter in die Vorstadt von St. Petersburg. Nun wird von ihm nur noch bekannt, daß er ein ausgezeichneter Tischtennisspieler ist, Geige spielt, und von seinen Ersparnissen lebt.

Bereits 1996, als 30jähriger, hatte er den EMS-Preis der Europäischen Mathematischen Gesellschaft abgelehnt. 2002 veröffentlichte er den ersten Artikel einer Serie, in denen er die Poincaré-Vermutung bewies. 2003 bis 2006 prüfte ein internationales Gremium diese Beweise, um deren Stichhaltigkeit festzustellen.

Damit stehen Perelman Preisgelder zu, neben der Anerkennung, die ihm weltweit zuteil wird. Oder: würde. Denn man geht davon aus, daß der Sohn einer Mathematikerin und eines Elektroingenieurs auch diese Preise nicht abholen, dafür seine Zurückgezogenheit nicht aufgeben wird. Obwohl ihm nun mit Fields-Medaille (einer Art Nobelpreis für Mathematik) und dem Millenniums-Preis des Clay-Instituts in Cambridge (USA) zugesprochen wurden, die zusammen mit 1,015 Millionen Dollar dotiert sind.

Angeblich aber hat sich Perelman völlig aus der Mathematik zurückgezogen. Angeblich weil er sich keinen Jurys mehr stellt, die gar nicht verstehen, was er sagt. Angeblich weil er enttäuscht über den Niedergang der Ethik in der Gesellschaft ist. Und in der Mathematik.




*240310*