Martin Mosebach schreibt in "Die schöne Gewohnheit zu leben" von dieser seltsamen Dumpfheit der Italiener ihrer Umwelt gegenüber, als "altes kaltes Volk", wie es auch Rudolf Borchardt einmal beschreibt. Das die Welt kennt und ihr in Zynismus und Hyperrealismus die kalte Schulter zeigt. "Man könnte von einer welthistorisch bedingten Disposition zur Kälte bei den Italienern sprechen."
Deshalb kann man den Italienern nur wünschen, was Berlusconi als neuesten Slogan verkündet: den "Sieg der Liebe über den Neid und den Haß." Um ihm in Rom zuzujubeln, waren sie jedenfalls genug, aber gut, da gab es was zum Wärmen, das sagt noch nicht viel. Dreitausend Busse, zehn Sonderzüge. Italien wählt in ein paar Wochen seine Stadtparlamente, da hat es was für die Piazza in Cremona und Tarent gebraucht.
Eine Million sei es gewesen, verkündete Berlusconi. Ach was, wild übertrieben, unkte die Opposition. Ohne aber leider zugleich ihre Schätzung bekanntzugeben. So blieb ihr Bezugspunkt ihre eigene Demonstration von vor zwei Wochen, wo an der Piazza del Popolo (Bild 2) knapp zweihunderttausend Italiener ihr kaltes Herz zu wärmen versucht hatten. Äußerer Anlaß war - angeblich - jeweils die Ankündigung der Staatsanwaltschaft, die Partei Berlusconis unter die Lupe zu nehmen. Weiß der Deibel warum.
Beiden geht es jedenfalls ganz exemplarisch in solchen Situationen, der Österreicher kennt das ja, vom Heldenplatz am 13. März 1938: Erst betonen die einen, daß es möglichst viele, und die anderen, daß möglichst wenige sind. Kurz darauf ist das genaue Gegenteil der Fall.
Vielleicht sollten sie sich jetzt schon auf eine gültige Interpretation einigen und mal die Köpfe am Bild zu zählen und dann auf die Quadratmeter hochzurechnen beginnen. Das Bild müßte die Piazza vor der Lateranbasilika, der eigentlichen Bischofskirche des Papstes, zeigen - die ist groß. Ja, ist sie nicht viel größer, als die Piazza del Popolo am Ende der Via del Corso?
*210310*