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Mittwoch, 31. März 2010

Genau so war ja die Argumentation

Genau das, was Robert Menasse im KURIER-Interview zur EU sagt, war ja die Argumentation, damals, als es um den Beitritt zur EU ging: So wird es kommen. Und Menasse bestätigt, ja, so ist es gekommen, und so wird es kommen. Daß Menasse als bekennender Linker das positiv sieht ist natürlich logisch - er ist mittlerweile von der EU überzeugt. Lesen Sie, warum sie das erfüllt, was sich ein Linker als vernünftige Politik vorstellt (gekürzt) - als aufklärerisch-marxistischer Superstaat, der endlich effizient umsetzt, was marxistische Ideologie als glückliche Zukunft präsentiert. Die Katholenschädel, die noch vor wenigen Jahren alles getan haben, um Österreich in die EU zu treiben, können sich ja einmal in Ruhe überlegen, warum die prononciertesten Linken längst die massivsten Befürworter der EU sind - weil man mit einem derart mächtigen Apparat, der auf dem Bodensatz linker Ideologien sitzt, den die Universitäten dorthin schwemmen und geschwemmt haben, tatsächlich viel Einfluß auf die Gesellschaftspolitik der "Regionen" nehmen kann, die man ja begrüßt. Nachdem man sie gleichgeschaltet hat.

KURIER: Herr Menasse, was machen Sie in Brüssel?
Robert Menasse: Ich bin seit einem Monat hier, gehe jeden Tag in die Kommission, in den Rat, spreche mit Beamten, lasse mir von ihren Tagesabläufen erzählen. [...] Ich arbeite an einem Roman, [...] Eine der Romanfiguren arbeitet in der Kommission.

[...]
 


Was ist Ihnen bisher Besonderes aufgefallen? 
Ich hatte große Vorurteile gegenüber der Kommission. Ich sah sie als aufgeblähten, realitätsfernen bürokratischen Apparat, der ohne demokratische Legitimation weitreichende Entscheidungen trifft. Und nun bin ich beeindruckt von der Effizienz dieser Institution und der Kompetenz der Menschen, die hier arbeiten. Sie sind in der Regel hoch qualifiziert, engagiert, weltoffen, polyglott, haben nationales Denken zugunsten des supranationalen Projekts EU hinter sich gelassen. Die viel geschmähte Bürokratie ist letztlich der Glücksfall einer aufgeklärten Verwaltung.

Sie haben in einem Essay vor wenigen Tagen dieses System als "europäischen Josephinismus" bezeichnet.
Ja. Das ist, wenn man genau hinschaut, verblüffend. Ein aufgeklärter Apparat, der ohne Volk tatsächlich für das Volk arbeitet. Das ist Josephinismus. Gestört oder zurückgestutzt wird dessen Arbeit just von jenen, die wir demokratisch in Führungspositionen gewählt haben. Etwa die Regierungschefs. Der Rat. Da entscheiden Politiker, die angetrieben werden von nationalen Stimmungen und von Krawallmedien. Es ist eine eigenartige Dialektik: Beamte treiben das europäische Projekt voran, gewählte Politiker stören diese Entwicklung durch Renationalisierung.

[...]

Bleiben wir bei der Geschichte und dem Inhalt Ihres Romans: Es soll da auch um die Vorbereitungen für europaweite Feierlichkeiten gehen, anlässlich eines runden Jahrestags der EU-Gründung. Die Überwindung nationaler Feindschaften ist das Gründungsmotiv der EU. Junge Menschen können damit aber kaum noch etwas anfangen.

Junge Menschen brauchen vielleicht keine historisch abgeleiteten Legitimationsideologien. Ihnen genügt die unmittelbare Erfahrung der Lebensrealität. Ich hätte gern als Student ein oder zwei Gastsemester in Berlin gemacht. Das war damals unmöglich. Meine Tochter studiert ganz selbstverständlich in einer anderen europäischen Stadt - nur die Großeltern sagen 'im Ausland'. Grundsätzlich aber wird die EU, wie jedes politische Gebilde, auch weiterhin einen historisch ableitbaren Gründungsmythos brauchen. Und "Nie wieder nationale Kriege, nie wieder Auschwitz" ist doch wahrlich nicht unvernünftig. Historische Vernunft ist ein Vexierbild. Wenn wir es ein wenig kippen, sehen wir: Die EU ist im Grunde ein krypto-marxistisches Projekt.

Das sehen die Regierungschefs aber sicher nicht so.
Und doch stimmen sie in der Praxis der Marxschen Analyse zu: Die Ökonomie ist die Basis. ,Its the economy, stupid!' Darauf erhebt sich der politische, juristische, ideologische Überbau, im Moment noch eine europäische Überbaustelle. Dieser Überbau bestimmt das Verhältnis der Menschen zu ihrer materiellen und geistigen Produktion und ihr Verhältnis zur Natur. Die Entwicklung der EU folgt Fünf- und Zehn-Jahresplänen. Das finde ich, wenn ich an die Marxistenfresser-Zeit vor '89 denke, witzig. Die Nationalstaaten verlieren an Bedeutung, wie Marx in seiner Analyse des Kapitalismus vorausgesagt hat, sterben ab, werden ersetzt durch eine freie Assoziation von Regionen. Die Erlösung von Nationalismus und Krieg ist sowohl Realität als auch Legitimationsideologie der EU. Diese wird die EU auch in Zukunft als ideologischen Baldachin brauchen. Vor allem bei runden Jahrestagen wird das eine Rolle spielen.
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