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Freitag, 26. März 2010

Verlust der Einheit

Ortega Y Gasset beschreibt in "Geschichte als System" unter erweisendem Rückgriff auf Cicero die Prozesse, die im letzten Jahrhundert v. Chr. in Rom abliefen: als die Einheit des Landes zerfiel. Und sie zerfiel nicht zufällig just in dem Moment, wo sich der Glaube an die Legitimität des Regierenden, auflöste. Nun standen sich unterschiedliche Religionen gegenüber, die erstmals auch den gemeinsamen Rahmen - die Republik - zu sprengen nicht mehr zurückscheuten.

Als dieser Glaube zerfiel, zerfiel das Land in die Bürgerkriege der Zeit Cäsars. Der bereits die kommende einzige Lösung ahnte - wie sie dann Augustus im Imperium, in der gottgewollten Alleinherrschaft verwirklichte.

Einheit, so Ortega Y Gasset, ist nicht eine simple Übereinstimmung von Meinungen, sondern baut auf einer wirklichen religio auf: sie ist das Rechnen mit einer übergeordneten Macht, der man verpflichtet ist. Und deren Wille (von daher die zentrale Stellung der Zeichendeuter in der Antike) ist entscheidend und muß gelesen wir befolgt werden.

Von da her ist Religion und Staat nicht zu trennen, und er ist es bis heute nicht. Denn auch die Republik heutiger Facon beruht um nichts weniger denn je auf einem den Menschen eines Landes gemeinsamen Glauben.

"Wesentlich ist, daß der Mensch mit etwas rechnet, das über ihm steht. Dies Verhalten, das uns dazu bringt, nicht leichthin zu leben, sondern mit Bedacht vor einer transzendenten Realität - ist die ganze Bedeutung, die das Wort religio für die Römer hatte, und es ist die wesentliche Bedeutung von Religion. Wenn der Mensch an etwas glaubt, wenn etwas ihm unbestreitbare Wirklichkeit ist, so wird er religiös in Bezug auf sie. [...] Religiosus bedeutet soviel wie gewissenhaft, daher: wer sich nicht leichthin, sondern mit Bedacht beträgt."

Mit dem Gegenteil, der Nachlässigkeit, der neclego, der negligens.
"Die Auspizien stellten für Cicero den festen und einmütigen Glauben in Bezug auf die Welt dar, der die Jahrhunderte der großen römischen Eintracht möglich gemacht hat. Sie waren daher das Grundfundament jedes Staates. Es bestand eine so enge Verbindung zwischen diesem und jenem, daß Auspizium zur Bedeutung "Herrschaft" (imperium) überging. [...] Von ihm stammen auctoritas und augustus."

"Die Begriffe des Glaubens und des Staates durchdringen einander. In der Politik gibt es Epochen der Religion und Epochen der Nachlässigkeit, des Bedachtes und der Unbedachtsamkeit, der Gewissenhaftigkeit und der Frivolität."




*260310*