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Montag, 8. März 2010

Was wir aber wirklich glauben

"Ideen sind gefährlich, aber am wenigsten gefährlich für Menschen mit Ideen," schreibt Chesterton einmal. Dem Ideenlosen steige schon die erste Idee wie Wein dem Abstinenten gnadenlos zu Kopf und mache ihn berauscht.

Das Gefährliche seien nie jene gewesen, die eine Idee ernstnahmen, und auch nicht die Fanatiker, welche eher Bewunderung, so Chesterton, als Verachtung verdienten - so wenig erstrebenswert deren Haltung sei. Die wirklichen Verfolgungen seien aber immer von jenen ausgegangen, die es nicht so genau nahmen. Denn gerade der Laue, der Gleichgültige, trage in der Übersteigerung der Bigotterie die Gegenwehr des Haltlosen gegen feste Ideen.

Immer hätten eben die Bigotten Unheil angerichtet, denn sie hätten gar keine Überzeugung. Es waren die Gleichgültigen, die die Scheiterhaufen entzündeten und die Folterbänke bedienten.

Gerade die Realisten seien so oft die gefährlichsten Idealisten - denn wie einem jungen Mann die erste Frau als DIE Frau erscheine, so solchen Ideenfremden die Begegnung mit Idee und Überzeugung.

Aufzulösen aber begänne sich Bigotterie nur, wo sie auf wirkliche Erfahrung stoße, auf solcher aufruhe. "Die Manchester-Ökonomen, die gegen den Sozialismus wettern, nehmen ihn tief ernst. [...] Wer ernsthaft gegen die historische Rolle der römisch-katholischen Kirche argumentiert, muß selbst bei Nachweis, daß sie große Verbrechen begangen hat, noch wissen, daß sie große Heilige hervorbrachte. Ausgerechnet der realistische Börsenmakler, der nichts von Geschichte weiß und an keine Religion glaubt, ist davon überzeugt, daß alle katholischen Priester Spitzbuben sind."

Nur große Übersicht und Kenntnis vermag deshalb zu einer sicheren und festen Meinung zu verhelfen, weil sie die Auswahl über die Zutreffendheit verantwortlich gestalten, die jeder Mensch dann zu treffen hat - diese aber sei unerläßlich, und der sicherste Schutz vor Bigotterie, als Beliebigkeit, und Fanatismus, als Beschränktheit. So wie der Bigotte nur durch den Glauben geheilt werde, so werde es der Fanatiker deshalb durch Ideen.

Nur so bestehe Hoffnung in einer Welt, die so fest an Dogmen glaube, daß sie nicht einmal wisse, daß es Dogmen seien.

Denn - ich darf hier abschließen, was Chesterton in seiner nonchalanten Art ein wenig halbschlampig stehen läßt - unvergleichlich schlimmer als jemandem zu begegnen, der einer anderen Auffassung ist, ist es, jemandem zu begegnen, der sich nicht einmal die Mühe gemacht hat, seine Auffassung ausreichend zu reflektieren, und sie dennoch zu vertreten vorgibt.




*080310*