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Mittwoch, 31. März 2010

Geheimnisvoll gestaltende Hand

Selbst nach abertausenden Seiten Lektüre unterschiedlichster Autoren wird die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts in der Geschichte Europas, die im Dreißigjährigen Krieg sich einfaßte, nicht einfacher zu abstrahieren. Vielmehr zerläuft diese Epoche in ein einem Bienenhaus gleichendes Gemengelage eigentümlichster Figuren und Charaktere und alles zerreißender Motivstränge. Und eine der wahrlich seltsamsten dabei ist die des Pater Joseph, der "Grauen Eminenz", wie man diesen Kapuzinerpater, den engsten Vertrauten, die rechte Hand von Kardinal Richelieu, nannte.

Dieser Mann, der meist zu Fuß zwischen Rom, Wien, Deutschland, ja Schweden, und Paris unermüdlich hin- und herlief, war der eigentliche Drahtzieher eines Europas, das den tödlichen Keim des Zerfalls, den Frankreich sehr real anbot, schluckte - und daran zerweste. Es sind nicht die geringsten Historiker, die in den Ereignissen des Dreißigjährigen Krieges, und vor allem in der Konstellation, die im Westfälischen Frieden 1648 geschaffen wurde, die vitale Wurzel der furchtbaren Kriege des 20. Jahrhunderts sehen.

Und dieses Drahtgeflecht, diese Mißgeburt, wurde von einem Mönch geflochten, der auf diesen abertausenden Kilometern, die er auf Schusters Rappen, in einfachen Sandalen oder gleich barfuß  zurücklegte, in fortwährendem Gebet versunken, sein Leben Gott hingab, für Frankreich im mystischen Sinne starb. Er, Francois Leclerc du Tremblais, Pater Joseph (1577-1638) war der Täter, er führte nicht nur aus, sondern er gestaltete, verhandelte, vereinbarte - völlig im Hintergrund, und nur in grober Abstimmung mit dem offiziellen Architekten, Richelieu.

Ein schlichter Bettelmönch brachte das Kaiserreich, die einzige Hoffnung Europas, zum Einsturz, indem er ihm auf diplomatischem Wege (der natürlich auch Intrigen umfaßte) unheilbare Wunden zufügte, schwächte weil spaltete Deutschland auf Jahrhunderte, entschied den Krieg durch Allianzen, brachte Spaniens Vormachtstellung in Europa zum Einsturz, setzte geschickt den Papst politisch für seine Zwecke ein, stimmte über das weltweite Informationsnetz der Kapuziner die Politik seines Landes auf geostrategische Momente ab, steuerte über Massenmedien - die ersten "Parteizeitungen" - Stimmung und politische Meinung in Frankreich selbst, und stärkte, nein schuf so Frankreich als europäische Großmacht.  Ein Ziel, dem er sich auf spirituelle Weise, als so verstandenen Auftrag Gottes an ihn, in aller Totalität unterordnete.

In einer Zeit voll der gleichermaßen bemerkenswertesten wie seltsamsten Figuren. In deren Hand auch unsere Gegenwart lag.



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