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Donnerstag, 12. März 2015

Conférenciers unserer Gedankenbühne

Es ist ein grandioser Irrtum, schreibt Paul Feldkeller in "Das unpersönliche Denken", zu meinen, daß wir selbst es wären, die Ideologien dächten. Nicht wir besitzen Ideologien, sondern Ideologien besitzen uns. Sie kommt fix und fertig aus dem uns ständig umwabernden Ideen-Äther, in dem wir schwimmen. Wir unterbauen sie nur. Denn nur selten geht diesem Annehmen ein subjektiver, persönlicher Akt des tätigen Sich-selbst-überzeugt-habens voraus, und dann ist noch die Frage, wie weit er diese Gedankengebilde durchdrungen, mit seinem persönlichen Denken in Übereinstimmung gebracht hat. Kein Mensch deshalb, bei dem sich Persönlichkeit und vertretene Ideologie decken.

Prinzipiell neigt aber der Mensch dazu irrtümlich anzunehmen, daß Gedanken, die in ihm herumgeistern, die ihn bewegen, für eigene zu halten. Weil er ja die Möglichkeit hat, aus diesen Gedankenarten und -richtungen zu wählen. Selbst die logische Verknüpfung dieser Gedankengebäude mit dem persönlich(st)en Ich vollzieht sich automatisch, durch die Ideologien, und sind in Wahrheit logisch unbegründet. Das Ich zum solcherart logischen Subjekt zu machen ist nicht mehr als eine Scheintätigkeit.

Wir sind nicht die Akteure unseres Alltagsdenkens, sondern die Beleuchter, die Lichttechniker unserer Gedankenbühne. Die Ideen mit ihrem Eigenleben liegen "in der Luft", ihr Verhältnis zum Menschen bzw. dieses zu ihnen ist Gegenstand der Psychologie. Selbst Interesse ist nur ein Interpretationsmittel. Persönliches Interesse und unpersönliche Idee mögen vereint schlagen - sie marschieren getrennt. Und die Kraft dieser Ideen ist gewaltig, in der sie auf unserer Gedankenbühne, die wir wie eine Art Conférencier betreten, gegen das persönliche Denken antreten, und uns gerne darüber täuschen, daß sich ein Ich fälschlich als Ursprung aller Figuren ausgibt.

Die Gefahr der Gegenwart ist nicht Aberglaube, sondern Aberwissen. Was wir im eigentlichsten, eigensten sehen, sind Bilder, von denen sich heute die Vorstellungen getrennt haben und ihr Eigenleben führen, das mit den Bildern gar nicht mehr zusammengeht.




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