Was ist an dieser nächsten Erhebung über Stimmungen der Jugend (14-18 Jahre alt) in Österreich besonders interessant? Daß sich die Jugend vor lauter Dingen "fürchtet", die Abstraktionen sind, in jedem Fall weit weit weg liegen. Und zwar weit weg von ihrem eigentlichen Lebenshorizont. Auch, weil Jugend ja ein Ringen um die Fähigkeit von Abstraktionshorizonten ist, sie genau eben noch nicht in der Lage ist, solche Abstraktionen bereits herzustellen. Früher hat man genau das ja als "Glück der Jugend" bezeichnet. Hier steht zu vermuten, daß so manche stolz darauf sind, diese so großartige jugendliche Eigenschaft eben dieser kräftig ausgetrieben zu haben.
Denn eines zeigt sich in diesem Stimmungsbild ganz sicher: Das völlige Versagen jeder Pädagogik, und hier vor allem der Schulpädagogik. Wovor also fürchten sich Jugendliche? Man kann nur den Kopf schütteln: Vor den Konflikten in der Ukraine, in Syrien, vor dem Jihadismus, vor der Wirtschaftskrise wie vor Arbeitslosigkeit, und nicht zuletzt ... daß sie einmal nur noch eine kleine Rente erhalten werden.
Eines übrigens wird so manchen aufrütteln, und er wird alles daran setzen, auch diese Angst noch zu etablieren, damit die nächste Erhebung sinnvoll ergänzt wird: Das Thema "Klimaerwärmung" kommt nicht vor, oder nicht so prominent, daß die Presse es mit anführt.
Da bleibt nur eine Frage: Wer hat der Jugend das Gehirn bereits so gewaschen, daß sie ihr Leben wie eine vorbestimmte Landkarte vor sich ausgebreitet sieht, worin alle Wege und Alternativen bereits vorgezeichnet sind, die sie zu gehen hätte? Wer hat ihr den Mut, die Lust genommen, ihr Leben - wie es der Jugend ansteht! - als das zu sehen, was vor ihrer Haustüre liegt? In dem es um die Verliebtheit von Anna und Franz geht, um das Austarieren zwischen Mode- und eigenem Wollen, um die Eingezwängtheit in väterliche Ver- und Gebote und eigenen Willen, der noch nicht zur Entfaltung kommen kann weil ihnen vermeintlich nur die Mittel (in Wirklichkeit aber die noch unausgereifte Fähigkeit weil Reife zur Verantwortung) fehlen, weshalb es um Berufspläne und Träume von Unternehmen und Leistungen, von Abenteuern und von Schabernack geht, weil sie alles anders machen wollen (um dann später zu entdecken, daß sie es genau so machen wie ihre Eltern).
Oder hat sich das alles ohnehin gar nicht geändert? Sind die Jugendlichen nur schon ausreichend "imprägniert", "diszipliniert", um bei solchen Erhebungen nur noch das zu äußern, was sie meinen, daß von ihnen verlangt ist? Das sie in Wirklichkeit ja nicht nur (noch) nicht beurteilen können, sondern zu dem ihnen jeder persönliche Bezug sowieso fehlt? Sind diese Ängste also nur eines: eine aufgepfropfte Soll-Neurose, weil Neurose in Wahrheit das zu sein scheint, was die Erwachsenenwelt auszeichnet? Während man ihnen genau das vorenthält, dessen sie bedürften: Halt, Führung, Richtung, Urteilsgefüge (die sie als Erwachsene dann ja gerne ausbeulen können, weil sie sich Haltungen der Urteilsfähigkeit allmählich angeeignet, zum Besitz gemacht haben), sodaß man sie zu ewigen Jugendlichen verurteilt, die erst spät auf Dinge draufkommen, die ihnen gefehlt haben, sodaß ihr Leben tatsächlich nach einer wahren Orgie des Torkelns - weil sie sich ja alles selbst "machen" können, ihre Religion nicht zuletzt - erst mit vierzig, fünfzig, sechzig Jahren, geprügelt von der Wirklichkeit, wenigstens im Ausschließungsverfahren klarer, dort beginnen könnte, wo noch vor fünfzig Jahren jeder Zwanzigjährige stand. Vielleicht interessiert sie deshalb so sehr ... ihre spätere Rente? Daß die mit dem geführten, gestalteten Leben (und nicht mit dem "Staat") etwas zu tun hat, begreift ohnehin auch von den Erwachsenen niemand mehr.
Vermutlich verbirgt sich diese tief ontologische Angst dahinter, die vor allem den jungen Menschen heute vermittelt wird. Denn das es ein Sein gibt, in das alles gebettet ist, immer, daß nur Sinn macht, diesem Sein zu folgen, ihm mutig zu vertrauen, dazu fehlt ihnen bereits jede Geformtheit. Sie haben ja gelernt, daß es nur auf faktische Systeme ankommt, alleine auf ihr Leisten und Können, ihre "Talente". Nicht auf die Gnade des Seins, dem zu vertrauen der einzige Weg in ein schöpferisches Leben ist. Ein Leben, das an sich ein Wunder und ein Geschenk ist, das es nur zu erforschen, anzunehmen gilt.
Daß da ein Weg vor ihnen liegt, eine Konfrontation mit diesem Sein auf das sich alles Faktische auch ihrer Zustände bezieht, ein Kampf vor allem mit sich, um den es überhaupt nur geht, daß genau das das Leben ist, das es zu gestalten gilt, in dem sich alles, wirklich alles ändern kann, in dem nichts wirklich vorhersehbar ist, und das ist das Schöne daran - diese Vorfreude fehlt ihnen ja scheinbar schon.
Und wieder: wie viele Bewußtseinsmanipulatoren (vulgo: Pädagogen) werden genau darauf stolz sein, die Köpfe der Menschen bereits so früh in Seinsangst deformiert zu haben ... dafür kann man sie schon mit 16 als Wahlfutter mißbrauchen, sie völlig auf sich werfen und belügen es ginge doch nur um sie, dafür kann man sie hetzen und lenken und fernsteuern, mit der Rute, daß sie ins Nichts fallen, wenn sie das gesollte System nicht perpetuieren. Weil ohnehin alles weltimmanent mechanistisch läuft, ohne Ausweg. Was soll da noch neugierig machen? Daß auch die nächste Generation iPhones kaufen kann?
Und in die Hände klatschen viele, ganz gewiß, die immer noch zwei Drittel mit der Absicht sehen, zu den Wahlen zu gehen. An Interpreten wird es nicht mangeln, die es als Erfolg werten, ein "demokratisches Bewußtsein" bereits so tief verankert zu wissen.
Nur einen einzigen Wert der Erhebung gibt es deshalb, der von Aussagekraft ist: Die Jugend hat kein Vertrauen mehr in die politischen Systeme. Da meldet sich das wirkliche und altersgemäße Ahnen, als Antwort auf das, was mit ihnen aufgeführt wird, in dem sie den Erziehern (wozu die Eltern kaum noch zu rechnen sind) und Betroffenheitsaposteln der "neuen Menschlichkeit" ihr Mißtrauen aussprechen - und darin hat sie auch völlig Recht. Denn sie wird tatsächlich betrogen: um sich selbst. Und das Volk wird mit betrogen: um seine eigene Zukunft. Beides ist etwas, das es zu gestalten gilt. Wenn man diese Erfahrung, diesen Willen, diesen Mut nicht mehr besitzt, kann nur noch Tod und Starre die Folge sein.
Jawohl, eine Aussage hat diese Erhebung. Eine über Österreich. Nur muß man sie lesen können.
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