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Sonntag, 29. März 2015

Es war ein heiliges Geld

Den Kauf eines Ablasses als einen "schnöden Geldhandel" zu reduzieren, dem das Eigentliche, nur persönliche zu Erbringende fehle, übersieht etwas ganz Wesentliches. Er übersieht, daß es eine uralte Rechtspraxis war, wonach  nämlich (auch) dieser Ablaßhandel, Geld für Sühne zu setzen, auf ein ganz anderes als das heutige, im tiefsten Welterleben verankerte Wertempfinden zurückgeht.

Für eine Buße eine Ersatzleistung zu erbringen ist und war altes herbegrachtes Recht! In Mannleistungen, oder eben in Geld. Solche Vorgänge als "niedrig" zu sehen verweist bereits auf einen entsakralisierten Begriff von verdinglichtem Geld, weil das Begreifen von Ersatz und Stellvertretung verloren gegangen war, ein Produkt der Neuzeit. Die im Nominalismus die faktische Gegebenheit eines Dinges nicht mehr als Repräsentanz eines geistigen Inhalts, aber auch dessen "eins fürs andere", sehen konnte und wollte.

Aber hinter dem Geld steckt generell ein Empfinden als Stellvertretung, das wir heute verloren haben, das uns aber nicht weniger prägt, geht man den eigentlichen Vorgängen bei seinem Gebrauch nach, die dann vielfach in ganz  neuem Licht erscheinen.² Und das, genau bedacht, zumindest ein Verstehensschlüssel für den Verlust der Einheit in fast allen Dingen und Bereichen ist. Zweifellos ist der Verlust dieses Verstehens auch einer der Hauptgründe für das aufgelöste Verstehen von Erlösung und Sühneopfer, und damit des genuin Christlichen. Der Kirche. Des Sakramentalen.

Stellvertretung - ob eigentlich oder uneigentlich* - wird aber erst verständlich, wenn man sie auf das Wesen von Gemeinschaft und Einheit, von Akt und Potens bezieht. Wo auf sehr reale Weise "Idee", "Name", "Begriff" für eine die realen Dinge überhaupt erst formierende geistige Wirklichkeit (Platons "Idee"; das "arche") steht. 

Woraus auch folgt, daß das Tun und Lassen eines Teiles, der eingewoben in ein Ganzes (bzw. real: viele Ganze) ist, und das ist er ja immer!, auch in Wechselwirkung mit dem oder den jeweiligen Ganzen steht. Ein Teil repräsentiert damit das Ganze, dem er schicksalhaft und identitär (und damit eigentlich stellvertretend) verwoben angehört. (Beispiel: Der einzelne Österreicher alle Österreicher.) Das Ganze wiederum, die Substanz, ist aus dem Einzelnen erfahrbar, findet sich dort repräsentiert und real gegenwärtig.**

Erst wenn man die Wirklichkeit solcher, durch Begriffe repräsentierter geistiger Einheiten begreift, begreift man deshalb auch das Geld in seinem Herkommen. Hier wurde in einem sakralen Akt (auf den jedes menschliche Tun, damit auch der Handel zurückgeht, das Geld sowieso, denn damit wird auch erahnbar, warum Geld ursprünglich und überall eine Angelegenheit der Religion, des Kultes war) Stellvertretung geboten - später dann, mit der Verdinglichung des Geldes, Ersatz geleistet. (In welchem Auseinanderreißen das Geld zum "Ding für sich" werden konnte.) Im Wesen des Geldes geht damit ein Teil seiner Herkunftsgemeinschaft zur Verfügung in fremde Hände über. Hier wird nicht "bezahlt", sondern im Handel stand stellvertretendes Opfer gegen stellvertretendes Opfer.

Deshalb war es auch keineswegs ein Akt purer Gier und Geldverliebtheit, wie wir sie so ausschließlich in der Neuzeit kennen, wo wir das Geld nahezu verachten (und doch von ihm so abhängen, welch beides in psychologischem Zusammenhang steht, das ist keine Frage: die Verachtung ist ein seelischer Akt, der uns von der Unfreiheit entbinden soll), für Gnade Geld zu setzen - sich einen Ablaß von Strafe zu kaufen! Das stellvertretende Ding erhielt lediglich mit der Zeit einen sehr eigenen Status, es löste sich von seiner ursprünglichen Verbindung.***

Sowohl die gleichfalls sehr pragmatische römisch-antike wie die germanische Rechtsordnung hatten regelrechte Listen für solche Ersatz-Käufe, und gerade im nicht-römisch geprägten Norddeutschland war dieses altgermanische Rechtsempfinden sehr tief verankert. Luther kannte diese ursprüngliche Verbindung, den Gedanken der Stellvertretung, bereits gar nicht mehr. Und es ist höchst interessant, der Entwicklung seiner Theologie unter dem Aspekt des zerbrochenen Stellvertretungsverständnisses (woran nämlich letztlich 1517-19 auch seine Kreuzes- und Sühnetheologie scheiterte, welchem Erfahren alles andere folgte) nachzugehen.

Die Entwurzelung der Sprache (mit der Rolle der neuen Medien; aber die Sprache kommt quasi "aus dem heiligen Eid"!) - Luther griff sofort zur technischen (die Sprache verdinglichenden) Neusprache der Rudolf'schen kaiserlichen Kanzlei - ist nur eine Facette desselben Vorgangs.



²Wie etwa Calvin: ihm war Reichtum Zeichen der Auserwählung durch Gott.

*Eigentliche Stellvertretung ist nach der recht brauchbaren Definition von Karl-Heinz Menke in "Stellvertretung" ein Akt, in dem das oder der Stellvertretende den Vertretenen frei setzt, weil er völlig dessen Stelle einnimmt, aber als dessen Handlung gilt. Uneigentlich ist die Stellvertretung dort, wo sie tatsächlich an der Stelle des Vertretenen handelt, dieses Handeln aber auf sie bezogen bleibt, die stellvertretene Handlung also ein Ersatz für das Nicht-Handeln des Vertretenen ist.

**Die Zusammenhänge mit der Sprache und der Vernunft - und dem Wahnsinn des Genderns damit - wurden an dieser Stelle bereits auseinandergesetzt. Hier geht es um eine völlig neue, barbarische, banale, der Wirklichkeit entfremdete, materialistische Wirklichkeitsdefinition! Ein Verlust, der sich bis in das Verhältnis zur Natur, weil zu allen Dingen, ausdrückt und vollzieht. Die "Ökologie", das Gerede von "Achtung der Schöpfung" (das nur auf eine quasi "Natur" bezogen ist) zeigt also ein bereits höchst primitives Unverständnis der wirklichen Zusammenhänge weil der wirklichen Verfaßtheit der Welt. 

***In dem Moment, wo man schließlich sogar Münzen prägte, wo gleich welche eine für alle stand, war das Wesen des Papiergeldes bereits vorgespurt. Und darauf setzt dann die "Preisbildung - gleicher Preis für jeden" auf: als Wechsel von persönlichen zu "objektiven" Verhältnissen.




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