Der Irrtum beruht [...]
- darin, daß der rechte Weg im Vernunftvermögen vorliegt, von dem abgewichen werden kann oder auf dem gewandelt werden kann; und demzufolge ist es auch durch fortgesetzte Beobachtung wieder möglich, den Irrtum zu berichtigen; denn dieser rechte Weg der allgemeine Erkenntnisgrund im reinen Vernunftvermögen, bleibt trotz des vollendeten Irrtums ganz derselbe.
- darin, daß die Verbindung des Wesens mit dem wirklichen Sein außen eine zufällige, nicht aus dem Wesen selbst sich ergebend,e sondern von den äußeren einwirkenden Ursächlichkeiten abhängig ist, wonach das Wesen also nicht immer ganz und gar dieselben Erscheinungen bietet, sondern je nach seiner Natur selbst entgegengesetzten 'Einflüssen zugänglich ist. Je weiter somit das Wesen, desto verschiedenartiger seine äußere Erscheinung und desto leichter der Irrtum.
- darin, daß dieser oder jener einzelne Sinneseindruck zu bewältigend ist im Vergleiche zu den anderen, die alle auch nur Einzelheiten darstellen, sodaß die in der Vernunft dirigierende Form nicht gleichmäßig durchdringt und so vorschnell zu Gunsten einer bestimmten Einzelnheit das schließliche Urteil erfolgt. Dies letztere ist der Grund des Irrtums zumal bei Kindern, bei von Leidenschaften beherrschten Personen und schließlich bei Wahnwitzigen.
Ceslaus M. Schneider, in "Das Wissen Gottes nach der Lehre des Hl. Thomas v. Aquin"
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