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Montag, 30. März 2015

Kein Land ist aus sich alleine es selbst

Das ganze gemein-europäische Leben wurde durch einen falschen Glauben an das Selbstgenügen der Nationen unterwühlt und verfälscht, schreibt Christopher Dawson in seiner Geschichte des Abendlandes.  Es wurde schlichtweg verdrängt, aber auch im 19. Jhd. bewußt verfälscht, etwa durch die Hegel'sche Vergottung des Staates (selbst eine zur Zeit relative Reaktion), daß das Abendland nicht nur gemeinsame Quellen und Wurzeln hat, sondern eine nur gemeinsam begreifbare Geschichte, weil jedes Volk, jede Nation in einem Dialog mit den anderen - und dem Ganzen! - zu dem wurde, was es heute ist.*

Den umgekehrten Fehler begehen aber jene, die ihren Glauben in einen wirklichkeitsfremden Internationalismus - in Liberalismus, Kapitalismus oder Marxismus - setzen, der jeder geschichtlichen Grundlage entbehrt, und eine Übersteigerung der nationalen Gefühle hervorrufen.

"Die letzte Grundlage unserer Kultur ist nicht das einzelne Volk, sondern die Einheit des Abendlandes. Allerdings hat diese Einheit bis heute ihre politische Form noch nicht gefunden, und vielleicht wird sie sie nie finden, aber trotzdem ist sie eine echte Gesellschaft und kein reines Begriffsgebilde, und nur durch die Teilhabe an dieser Gesellschaft haben die verschiedenen nationalen Kulturen ihre tatsächliche Form gefunden."

Nur aus dem Ganzen heraus kann man die einzelnen Nationen begreifen. Und es war eine einzige Bewegung, die das Abendland zum Kulturraum einer Gesellschaft machte: Die Durchdringung aller Einzelgestalten und Völker mit dem Christentum, und mit einem Welt- und Selbstverständnis, dessen Begriffsinventar in der Antike grundgelegt wurde. Diese Faktoren haben unser Verhältnis zu den Dingen geprägt, ob direkt oder zunehmend antinomisch. Und diese sind es, die uns heute noch bewegen.

Europa ist kein geograpisch abgegrenzter Raum, wie Australien oder China, und es ist auch nicht völkisch prädominiert, sondern ein Vielvölkergemisch. Die abendländische, europäische Kultur ist eine allmählich gewachsene Einzheit auf geistig-religiöser Grundlage. Ja, es ist so von der antiken Geisteskultur Griechenlands gar geprägt (die durch Rom westwärts getragen wurde), daß man das Abendland als im Griechentum und seiner Abgrenzung zum Morgenland fundiert sehen muß. Und weil man selbst bei der römischen Kutur nicht von einer europäischen (sondern: mittelmeerischen) sprechen muß, ist das Abendland tatsächlich auf den Grundkonflikt mit dem Islam als Geburtspunkt rückführbar: Denn als der Islam zu Beginn des 7. Jhds. den Mittelmeerraum zu erobern begann, zerbrach diese alte Kultureinheit. Und wirtschaftlich wie politisch wie vor allem religiös notgedrungen - bildete sich nordwärts eine neue Kultureinheit: das heutige Europa.



*Vor diesem Hintergrund wird die im historischen Bewußtsein kaum noch ausreichend gewürdigte Sistierung des Heiligen Römischen Reiches 1806 durch den Habsburger Franz II./I. als Schlüsselkatastrophe begreifbarer. Denn damit wurden definitiv die Völker Europas auf sich zurückgeworfen: der Nomos, der alle bergende Ordnungsraum als heiliges Werte- und Normengefüge, verdunstete, weil sein größter Ordnungsbereich, auf den sich alle anderen immerhin noch bezogen, abhanden gekommen war. Seither fielen alle einzelnen Völker ungebremst in einen Wettstreit, denn ihr Platz war nicht mehr bestimmt, sondern mußte nun von ihnen selbst bestimmt werden. Europa fiel im 20. Jhd. folgerichtig in Kriegszustand, wirtschaftlicher Niedergang wird eine weitere Folge sein.

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