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Montag, 30. März 2015

Scheinkritik als Identitätslarve

Die Kritik an der Katholischen Kirche, wie sie heute zu lesen und zu hören ist, ist wie ein ständiges Herunterleiern derselben Sätze, wie sie seit 25 und 35 Jahren oft wortwörtlich vorgebracht werden. Noch dazu oft von denselben Leuten.

Läßt das darauf schließen, daß sie gewissermaßen "Ewigkeitscharakter" hat? Nur selten, nur sehr selten. Wenn der VdZ die Geschichte der Auseinandersetzungen in den letzten Jahrzehnten, die er - teilweise als Proponent - erlebt hat und überblicht, kommt vielmehr ein schrecklicher Verdacht auf.

Daß speziell dort, wo es um "konservartiv oder progressiv" geht, diese Positionen wie Rollenfächer aufgegriffen werden, wie Masken und Kostüme, die man aus dem Fundus holt, die von Kostümbildnern nach Bedarf ausgegeben werden. Beide Seiten, vielleicht aber die sogenannten Konservativen noch mehr als die Progressiven, halten diese Figur - die ihre Person stellvertretend darstellt, wobei sie nur diese Figur ins Leben hinaushalten, das Leben die Kostüme gar nicht mehr durchdringt - mit starren Händen umfaßt, sodaß die Finger schon ganz blutleer sind.

Wirkliche Kritik ist nicht vom Kairos zu trennen. Das heißt, von einem nur in Aktualität möglichen Aufruf an die eigene Person, die eine Differenz zur Wahrheit, zum Wesen eines Dings erfährt, und diesen deshalb nicht nur artikuliert, sondern wo sich der Kritiker als Instrument begreift, das aktuell wirken soll. Deshalb muß man davon ausgehen, daß auch Kritik (sofern sie nicht rein philosophisch-abstrakter Natur ist, hier verhält es sich großteils anders) ein historisches Gesicht hat, sich also verändert, zumindest den kritisierten Objekten gemäß. Sonst ist sie das gar nicht, was sie vorgibt: Kritik. Sondern nur Zitat vergangener Kritik. Denn alles entwickelt sich jeden Moment weiter! Also muß auch die Kritik sich ändern.

Der Unterschied zu den Rollensimulaten scheint haarscharf, denn die Worte scheinen so gleich. Aber er ist in Wirklichkeit antipodisch. Es ist der Unterschied zwischen schöpferischem Leben und Tod.

Was ist aber von jenen zu halten, die sich der längst toten Larven bedienen, um sich dahinter zu verbergen und eine definierte und definierbare Position weil "sicher" Figur retten sollend zu ergreifen?

Recht Ähnliches läßt sich ja auch zur Kritik an Politik und Gesellschaft sagen. Die psychologischen Vorgänge sind gleich. Und auch hier ist die Kritik der Kritiker vielfach bloßes Zitat längst überholter, gar nicht aktueller sondern bestenfalls vergangener Mißstände. Abgestanden in jedem Fall, nicht mehr als Ausfluß der Selbstzufriedenheit von Spießbürgern.

Denn wenn etwas kritisiert wird, das sich dann nach fünf, zehn, zwanzig, dreißig Jahren scheinbar nicht geändert hat, dann muß es etwas geben, das die wirkliche Bewegung hinter dem kritisierten Objekt weit besser trifft, das von der alten, formalisierten Kritik gar nicht berührt wurde. DAS zu finden ist aber Aufgabe von Kritik, denn es ist erst lebendige Stellungnahme eines Gegenüber. Denn es muß dann etwas geben, das noch umfassender, noch tiefgreifender Ursache ist. Es muß dann ein Geheimnis in der Geschichte geben, das noch gar nicht erfaßt ist. Das es aber zu finden gilt, und damals galt, sonst wäre es besser zu schweigen. Denn es ist ja alles gesagt. Und auch das Gesagte unterliegt der Geschichtsdynamik.

Oder liegt es lediglich daran, daß es keine befugten Kritiker mehr gibt, zum Unterschied vom unbefugten - und immerhin sieht sich ja jeder zur Kritik gedrängt? Geht es nur um die Anmaßung ortlos gewordener Massenteile?




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