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Montag, 16. März 2015

Worin die Vernunft niemals irrt

In der Auffassung des Wesens einer Sache täuscht sich die Vernunft nicht, außer vielleicht zufälligerweise, per accidens, sobald diese nämlich daran geht, etwas zu bejahen oder zu verneinen. 

Von der Auffassung des Wesens der Dinge seitens der Vernunft kann weder ausgesagt werden, daß sie wahr noch daß sie falsch ist.

Die Vernunft täuscht sich da weder noch erkennt sie sich als Wahres erkennend, sondern nur in dem Sinn, wie der Sinn mit Rücksicht auf seinen eigentlichen Erkenntnisgegenstand immer wahr ist, in diesem Sinn ist auch die Vernunft rücksichtlich der Auffassung des Wesens oder der Natur des äußeren Dinges immer wahr.
Thomas v. Aquin, Metaphysik

Dort erst beginnt der Irrtum, das Wahre und Falsche im Verstand, wo das wirkliche tatsächliche Erkennen beginnt: Wo ausgesagt wird, dieses sei tatsächlich so oder nicht. Denn das Geschöpfliche hat niemals den Grund seiner Existenz in der Wirklichkeit aus sich selbst, sondern immer aus einer äußeren, wirkenden Ursache. 

Die innere Form, das Wesen eines Dinges, besagt nur, daß, falls ein Wirklichsein eintritt, dies nach Maßgabe der inneren Form, nach Maßgabe der Pflanze oder des Tieres oder der entsprechenden Idee eintreten muß. Denn die Form leitet das eintretende Sein gemäß seiner Seinsstufe, hat aber nicht die Macht, daß ein Wirklichsein eintritt. Dieses muß noch dazukommen.

Damit es aber hinzutreten kann, braucht es eine vollkommene Disposition in der Materie, oder des Vernunftvermögens: Es muß etwas da sein, das dem wirklichen Sein als Träger dient, ein Mögliches, das sich aber nicht selbst zum Wirklichsein aktualisieren kann, sondern ein von außen Hinzukommendes braucht.

Was die Vernunft, die allseitig offen ist, aber überhaupt ein Einzelnes im Erkenntnisakt, im Urteil erkennen läßt, ist die Idee, die vom erkannten Ding getrennt ist. Und dort ist ein Irrtum möglich.




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