Aber etwas anderes wird erkennbar, wenn man betrachtet, welche Bedeutung der Disput, der Meinungsabgleich, der Meinungskonflikt für einen Menschen hat. Und sei es, daß jemand einen Irrtum als wahr verteidigt, ihn zur Wahrheit erklärt haben möchte - immer zeigt sich, daß der Mensch in der Wahrheit selbst verankert ist und sein will und sein muß.
So sehr, daß er die Aufdeckung eines Irrtums fürchtet, weil er dann ins Nichts fällt.
Der entscheidende Schritt aber ist erst dann gesetzt, wenn er begreift, daß er sich selbst diese Wahrheit nicht nur nicht geben, absichern kann, sondern daß er sie empfangen muß. Daß er dazu, zu dieser existentiellen Sicherheit, den Schritt ins Ungewisse setzen muß. Daß er sich dazu selbst überschreiten muß.
Nur in einem Vertrauen in das Sein - das Gott ist - kann der Mensch jene Sicherheit finden, die ihm möglich ist. In einem Akt des Glaubens, sodaß aus dem Glauben heraus die einzige Existenzsicherung möglich ist: in der Realität aller Realitäten, dem reinen Geist: Gott.
Das fehlt dem Fanatiker, dessen Fanatismus ja aus dieser Angst stammt. Das fehlt dem, der bei jeder Diskussion tut, als ginge es um seine Existenz. Das fehlt dem, der sich nicht selbst relativieren und damit einem anderen - dem Sein, Gott - überlassen kann.
Und dort, an dieser Türe, steht dann ein ganz unvorhergesehener Gast - der Humor. Der nicht Zynismus oder Sarkasmus heißt. Der auch nicht die Selbstironie zu einer Festung der Unangreifbarkeit ausgebaut hat. Sondern der sich in Gott verankert weiß. Der weiß, daß all sein Mühen und Streben immer unvollkommen bleiben muß. Der die Aufdeckung nicht nur nicht fürchtet, sondern liebt, weil jede Wirklichkeit - und Irrtum schließt von der Wirklichkeit aus - ihn in den Bestand führt.
Der nur in Gott ist. Weil alles aus dem Geist stammt. Geist aber bedeutet Freiheit. Freiheit hat aber nur der, der an jener Wahrheit teilhat, nach der zu streben er nie aufhört, die ihn aber immer übersteigt. Geist, der sich zwischen Wahrheit und Idee in Liebe als Liebe haucht. Weil aber der Mensch nur über die Sinne an dieser Wahrheit teilhaben kann, als Ganzes, ist er auf den Mensch gewordenen Gott geworfen. Den ganz anderen. Und indem er diesem angehört, diesem angehören will, ist er hineingenommen in die Stellvertretung des Menschen vor Gott dem Vater - in Jesus Christus.
Denn der Stellvertreter, dessen Handeln und Sein an eines eigenen Handelns und Seins statt gesetzt wird, nimmt keine Freiheit, sondern im Gegenteil, er gibt sie. Und so, wie jemand an der Seinsheit Staat, Familie bzw. Haus, Name, Unternehmen, Verein etc. etc. teilhat, indem er ihre Idee repräsentiert, stellvertretend für das Ganze, die Idee, die diesen Verein, diese Familie etc. etc. bildet und repräsentiert, sodaß er selbst damit diesem Verein, dieser Familie etc. etc. angehört DURCH Stellvertretung, so ist im Menschen Gott gegenwärtig, dem er angehört, dessen Geist er sich öffnet.*
*Die Versammlung (ecclesia) dieser Stellvertreter, in denen damit Jesus Christus real gegenwärtig ist ("Wo zwei oder drei in meinem Namen beisammen sind, da bin ich mitten unter ihnen."), nennt man: Kirche. Ecclesia.
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