Wir
müssen uns nicht auf die Gehirnforschung berufen, um zu wissen, womit
wir es bei den Medien und speziell bei den 'social media' zu tun haben.
Was Manfred Spitzer hier vorbringt, ist deshalb interessant,
weil es die Position der Vernunft stärkt weil durch Hirnforschung
belegt. Diese kann aber nicht der Grund für das sein, was wir daran zu
bemäkeln haben. Und das ist gewaltig viel, weil es grundsätzlicher Natur
ist. Deshalb ist auch der Ulmer Naturwissenschaftler dort am
interessantesten, wo er sichtlich emotional wird. Wo der Zorn also das
Richtige treibt und stützt. Der aus Regionen aufsteigt, die vor allem
bewußten Wissen längst wissen.
Aber
es gibt noch eine Menge mehr zu sagen. Von der Seite der Suchtgefahr zu
kommen, ist da fast hinderlich, weil es vom Wesentlicheren ablenkt und
die Argumentation schwächt. Denn mit "Begrenzung" kommt man der Sache
nicht bei.
Zu dem Bereich, dem Spitzer viel Breite
widmet, gäbe es dabei am meisten zu sagen. Denn in den Hinweisen auf die
Bedeutung des Haptischen steckt weit mehr als sinnlich-technische
Ablauferfahrung. Es ist der sicherste Hinweis auf die Weise, wie der
Mensch überhaupt erkennt. Und das führt von digitalen Medien vollkommen
weg. Denn es geschieht über Gestalt! Aber nicht so, als würde sich
fremde, begegnende Gestalt quasi "einbilden", einformen, sondern in
einer erinnernden Form. Als Aktivierung des Universalen, das in jedem
Menschen amorph und stumm vorhanden ist. Das über die begegnende Gestalt
in die Präsenz steigt, zum Begriff wird. Lernen muß der Mensch nicht
das Neue, das man wie ein Hinzukommendes sehen könnte. Lernen muß er die
in sich vorhandene Potenz zur Gestalt (denn im Menschen sind alle
Weltgestalten enthalten, sonst könnte er die Welt gar nicht erkennen) zu
aktivieren, die in der Begegnung mit einer Gestalt angerufen wird.
Also muß man auch die 'social media', das Internet als Gestalt sehen,
nicht auf seine Intention hin, die ganz woanders ansetzt - weit nach dem
Begreifen.
Aus dieser jedem Menschen eigenen
Gestaltenpräsenz wiederum steigt jene Lern- und Wissenspotenz, auf der
dann Information erstens als solche erkennbar wird (und das muß sie: der
Informierte muß VOR dem Eintreffen der Information wissen, daß es sich
um Information handelt), und zweitens zu Sprache und damit Denken und
verbalem Wissen kommt. Diese Sprache wiederum ist aber selbst Gestalt.
Deshalb sagt Spitzer völlig richtig, daß die digitalen Medien das
Sprachvermögen speziell bei Kindern nicht steigert, sondern verringert.
Vereinfacht gesagt: Im Wischen über den Bildschirm wird nämlich ein
Begreifen aktiviert, das einer bloßen Wischbewegung(sgestalt)
entspricht. Sonst nichts.
Nicht Denken, nicht
Denkinhalte, nicht Sprache? Nein. Diese werden zu bloßen
Ablaufparametern, bleiben aber weitgehend inhalts- weil gestaltlos. Denn
auch Sprache ist weit mehr als der Erinnerungszeichen, das auf eine
Symbolik zurückgeht, wie sie Schrift und Text darstellen. Darum kann
sie nur ihre Wirkung entfalten, wenn sie sich inter und ad personam
ereignet. Nur dann hat sie welthafte Gestalt. Der Bildschirm alleine
(wir haben darüber schon vor Jahren eingehend Überlegungen angestellt,
die hier zu finden sind) ist schon ob seiner Flüchtigkeit der Zeichen
als Gestaltträger wertlos, kann bestenfalls verweisen, nicht aber
tragen.
Damit ist auch dem, was der Gehirnforscher über
die Nutzung der Internetmedien zur Informationsgewinnung sagt,
uneingeschränkt zuzustimmen: Erst muß der Mensch gebildet genug sein, um
dann allfällige weitere Information (die nur noch geistiger Natur ist)
aufnehmen weil ordnen weil identifizieren zu können.
So
wird auch klar, warum die Hand so entscheidende Bedeutung für die
Erkenntnis hat, warum sie mit so vielen Rezeptionspunkten ausgestattet
ist: Sie ist die Anschmiege an begegnende Gestalt, und deshalb eines der
wichtigsten Aktivationszentren für eigene Gestalt. Was mit der Hand
nachzuformen ist, ist begreifbar, und in der Reaktion als (ergänzende)
Gestaltantwort begriffen weil aus der amorphen Potenz zur Gestalt
tatsächlich als Gestalt zur Welt gebracht.* Und so wird auch klar, warum
Kinder mit einfachen Formen ("Nobelpreisträger haben alle in ihrer
Kindheit mit Bauklötzen gespielt", sagt Spitzer an einer Stelle) und
Spielzeugen beginnen müssen.
Von der Hand (ähnliches
ließe sich vom Mund, aber auch von den Füßen sagen) ausgehend hängt sich
der ganze Leib dann an, um eine komplexere Bewegung als
Entsprechungsgestalt zu formen. Anders als Spitzer meint, geht es also
nicht darum, daß die Hand "lernt" eine Linie zu ziehen, sondern daß die
Hand lernt, der inneren Antwort in ihrer Gestalt zu gehorchen und zu
entsprechen.
Es ist gelinde gesagt ein Verbrechen,
Internet und 'social media' in der Pädagogik bei Kindern anzuwenden und in
die Schulen zu drücken, wie es in unseren Ländern passiert. Hier werden
Menschen herangezogen, die überhaupt nichts mehr wissen, sondern nur
noch leere Formeln wiedergeben und anwenden können, bestenfalls. Vor
allem aber Menschen, die sich nicht mehr aktualisieren können.** Wen
wundert da also ADHS, als ungebundene, ungeformte, ungezielte, amorph
gebliebene Aktivierungsenergie? Selbst der Autismus rückt ins Blickfeld -
als reaktiver Selbstschutz vor der Auflösung weil Zerstreuung.
Das
eigentliche Denken und Bilden geschieht im Vorfeld jeder weiteren
Informationsverarbeitung, wie sie durch das Internet möglich ist. Und
zwar WEIT vor diesem.***
Zu dem Gesagten trägt damit
bei, wenn Spitzer auf das hinweist, was Kinder lernen, die etwa mit
Schießspielen im Internet umgehen. Sie lernen REFLEXHAFT zu handeln.
Aber das ist nicht das, was den Menschen ausmacht, der ja lernen muß,
überlegt, beherrscht, geplant und nicht simpel reaktiv zu handeln.
Morgen Teil 2) Das Fazit (und das Video)
*Man
lernt also in der Tastatur nicht "Information" aufzunehmen etc.,
sondern das, was eine Tastatur als haptische, dingliche Gestalt Welt
enthalten kann. Mit den elektronischen Möglichkeiten der Tasten hat das
nichts zu tun. Das wirkt sich insofern besonders tragisch aus, als
Menschen, die keine Handschrift mehr entwickeln - und das wird heute
allen Schülern bereits vorenthalten - einen völlig verfehlten Begriff
von Schrift und Buchstaben haben. Das Symbolhafte, das Gemalte, das
Bildhafte des Buchstabens sowie des Textes (der noch dazu nicht mehr
vorgelesen oder laut gelesen wird) wird nicht mehr begriffen. Solcherart
gelesener oder geschriebener Text wird von selbst zur Schule des
Nominalismus.
**Hinweis:
Begreift man die Selbstaktualisierung (Sein ist ein actu, ein Aktives)
als Prinzip der Selbstwirklichung bzw. des Menschseins überhaupt
erhellen sich auch viele weitere Dinge wie Fettleibigkeit, Anorexie,
aber sogar Haltungsschäden, Allergien ...
***Reiner
"Text" wird erst und nur in dem Maß bedeutsam und adäquat verarbeitbar,
als der Mensch bereits geistig/vergeistigt IST. Das betrifft sogar
textliche "simple" Nachrichten, wie sie den Großteil der Kommunikation
über 'social media' kennzeichnen. Es gilt, was der VdZ immer sagte: Das
Internet ist fast zur Gänze ein Medium für eine geistige Elite, und
sollte nicht einfach so, quasi für die Mehrheit der Menschen, verfügbar
sein. Geistigkeit bedeutet nämlich Selbstherrschaft, Vernunftherrschaft,
und damit Fähigkeit zum schöpferischen Gestalten der inneren (weil
damit nach außen wirkenden) Gestalt. Davor verwendet, VERformt es den
Menschen. Oder, annäherungsweise in Spitzers Worte übertragen: "Was für
Erwachsene die Arbeitsproduktivität erhöht, ist noch lange kein
Betätigungsfeld für Kinder."
*090119*