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Mittwoch, 13. Februar 2019

Erst Strukturen, dann Figuren

Man überliest es wohl leicht, aber es steckt eine tiefe Wahrheit über die Welt drinnen. Wenn die Basler Zeitung schreibt, daß "erst die Strukturen, dann die Figuren" kommen. Sie betitelt damit einen Bericht über das (angebliche) Chaos beim FC Zürich. Der langjährige Anführer der ersten Schweizer Fußballliga kämpft seit geraumer Zeit mit einem eigenartigen Leistungsabfall, der im letzten Herbst in einer sehr gebrauchten Saison vorerst endete. Daraufhin brach eine heftige Diskussion los, welche Personen geschaßt, welche gestärkt, welche geholt werden sollen. In allen Bereichen des Vereins.

Aber es scheint besonnene Gestalten in dem Chaos zu geben. Die nun darauf hinweisen, daß es keinen Sinn hat, über Personen zu sprechen. Denn erst einmal muß der Verein seine Strukturen (wieder) ordnen, dann erst könne jeder an seinem Ort auch Arbeit abliefern, die bewertet werden kann. Die Struktur muß vorgeben, wo die Kompetenz einer Figur liegt, das kann sich nicht aus Einzelpersonen ergeben.

Es ist immer erst der Ort, der gegründet sein muß. Und in ihm ist die Ordnung, die allen Teilen dieses Systems seinen Platz zuweist. Diesen Platz haben dann alle zu erfüllen, die ihn ausfüllen. Das heißt, die sich darauf transzendieren, die Sache dieses Ortes - seine Beziehungen, seine Forderungen in diesen zu genügen - zu erfüllen. Dort kann sich zwar dann auch persönliche Eigenschaft, die "eigene Art" einflechten, und sie ist nicht einmal unwichtig, aber geht man nur von persönlichen Eigenschaften aus, kann das im allerbesten Fall die Lebensunfähigkeit eines Organismus vortäuschen. Die dann zusammenbricht, wenn diese Figur aus dem Spiel geht.

Deshalb wird der Bericht schon im zweiten Satz unpräzise und widerspricht sich selbst. Wenn es da heißt, daß es eine Person braucht, bei der alle Fäden zusammenliefen. Nein, es braucht keine Person, es braucht einen Ort, an dem alle Fäden zusammenlaufen. Es braucht nur eine Person, die diesen Ort ausfüllt.

Wenn ein Organismus ein Wesen haben will, also ein Organismus sein will, der "einen Namen" haben und erwerben will, dann muß ihm das Wesen vorausgehen. Und das ist er als Ort mit einer Ordnung.

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Und plötzlich tritt noch etwas auf - die Antwort auf die Frage nach der Bezahlung. Denn wenn es heute hier und dort Supergagen gibt, und zwar wirkliche Supergagen (man denke an manche Managergehälter bei Banken), dann hat es genau diesen Hintergrund. Weil sich auch Wirtschaft nicht mehr über Strukturen regelt, sondern überall findige "Schlitzohren" braucht, die aus einer nicht mehr lebendigen, vorhandenen Struktur doch noch große Gewinne herauswürgen. Bezahlung richtet sich damit nicht mehr nach Stand und einer Bedeutung, die sich aus der Struktur selbst ergibt, sondern nach zufälligen Kriterien, eigentlich aus einer Fähigkeit zum Verstoß gegen eine Ordnung.

Es braucht damit überall Personen, die nicht mehr Orte ausfüllen, also Normalität herstellen, sondern Leute, die ständig gegen Normalität verstoßen. Damit schiebt sich die Weltwirtschaft in immer höherem Tempo in einen Zustand höchster Fragilität. Ziel ist nicht mehr eine Struktur - ein Organismus, ein Gebäude - das möglichst lange besteht (und deshalb natürlich auch Gewinne machen muß, zumindest im Durchschnitt), sondern Zufallsbanden, die möglichst rasch möglich viel Geld herauspressen. Und dann wirft man die leere Hülle (die nur noch zur Camouflage wird) weg.

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Und dieses Prinzip läßt sich buchstäblich auf alles übertragen, womit wir es überhaupt in der Welt zu tun haben. Nur von hier aus kann man diskutieren, nur von diesem Verständnis aus kann man verstehen, warum so vieles funktioniert und nicht funktioniert. Zumal die Entwicklung seit langen langen Jahrzehnten genau darauf hinausläuft, überall die Strukturen - das Wesen von Dingen generell - in Frage zu stellen, und sich nur noch mit den Personen zu befassen, die angeblich ausschlaggebend dafür sind. Familie, Ehe, Politik, Wirtschaft, einfach alles. Wenn es heute um Wesen geht, dann nur, um zu etablieren, daß das Wesen eines Ortes darin besteht, KEIN Wesen aufzubauen. Oder sogar ein Wesen, das die Zerstörung von Wesen zum Inhalt hat.

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Wir haben an dieser Stelle schon oft darauf hingewiesen, daß Menschsein ohne Kultur undenkbar ist. Nicht als Hinzugekommenes, sondern als die Art und Weise, wie man Mensch ist. Aber man muß noch mehr dazu sagen. Man muß auch sagen, daß man von Kultur (ja, vom Menschsein damit) nur sprechen kann, wenn sich die Menschen auf einen Ort hin selbst überschreiten, transzendieren. Auf ein Wesen hin. Wo es keine Wesenseinheiten, keine Organismen gibt, also keine eindeutigen Begriffe, damit keine Namen, gibt es auch keine Kultur. Sondern nur Menschen, die irgendwie durchzukommen trachten, und verzweifelt inmitten eines Fehlens von Kultur irgendwie irgendetwas versuchen, und dabei wild um sich schlagen. Ohne Orte, ohne Strukturen, die sich auf ein Wesen beziehen bzw. dieses darstellen, gibt es keine Kultur, und damit kein Menschsein.





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