Teil 3) Und doch ist die Welt immer ein wenig größer, vielfältiger
Allerdings
gibt es ein Problem. Denn es gibt da noch ein Feld, das der schottische
Physiker Peter Higgs in den 1960er vorgeschlagen hat. Bis vor kurzem
hat man es aber experimentell noch nicht nachweisen können. Was
geschieht, indem man dieses Feld zum Kräuseln bringt, um den damit
verbundenen Teil zu sehen. Das gelang erstmals aber doch im Jahre
2012.
Dabei
stellte man fest, daß das Higgs-Partikel nicht lange bestehen bleibt.
Es überdauert nur ungefähr 10 hoch -22 Sekunden. Man konnte es zwar
nicht sehen, aber man konnte aus einer gemessenen Wirkung darauf
schließen. Es zu finden war aus zwei Gründen bedeutend: Erstens, weil es
für das verantwortlich ist, was wir als "Masse" bezeichnen. Masse und
elektrische Felder sind aber die Anzeige dafür, wie Felder mit anderen
Feldern interagieren. Elektrische Felder zeigen die Wechselwirkung
elektromagnetischer Felder, und die Eigenschaft der Masse ist eine
Aussage darüber, wie das mit dem Higgs-Feld interagiert. Erst dadurch
kann man verstehen, was Masse überhaupt bedeutet. Und das war wichtig, um
zu sehen, daß das Standardmodell stimmt (weil es das Universum erklären
kann, Anm.).
Im
CERN wurde es 50 Jahre nach seiner theoretischen Aussage nachgewiesen,
und es verhielt sich exakt so, wie es vorhergesagt wurde. Damit kann man
mit der Formel, die sich aus dem Standardmodell ergibt (und die man zum
Teil gar nicht versteht), das Ergebnis jedes einzelnen Experiments
vorhersagen, das jemals in der Wissenschaft durchgeführt wurde. Sie
besteht in ihren Teilen aus den oben vorgestellten Feldern und Kräften:
Gravitation, Elektromagnetismus, Starke Kraft, Schwache Kraft, Materie
und Higgs-Boson.
Man kann mit dem ersten Teil der Formel
des Standardmodells "Theory of Everything" (Materie) vorhersagen, wie
schnell ein Apfel unterwegs ist, der von einem Baum fällt. Oder daß die
Umlaufbahn der Planeten um die Sonne ellipsenförmig ist. Oder was
passiert, wenn zwei schwarze Löcher im Weltall kollidieren und ein neues
schwarzes Loch bilden, das dann Gravitationsstrahlen durch das
Universum abstrahlt? Oder wie das gesamte Universum sich ausdehnt?
Mit
dem Teil Elektromagnetismus lassen sich sämtliche diesbezügliche
Experimente der Geschichte vorhersagen, bis hin zu Laserexperimenten der
Gegenwart. Dann kommen die schwache und die starke Kernkraft, dann
folgt der Teil, den Dirac beigefügt hat und der die zwölf Teilchen der
Materie beschreibt. Dann kommen die Higgs-Formeln, die die
Wechselwirkung beschreiben. Diese "Theorie von allem" (Theory of
everything) ist die heutige Grenze des physikalischen Wissens. Noch nie
wurde ein Experiment durchgeführt, das mit dieser Formel nicht
erklärbar wäre.
Alles?
Eben nicht, weil das gilt nur für die Erde. Es gibt aber im Weltall
beobachtbare Phänomene, die sich damit nicht erklären lassen. Wo es viel
mehr unsichtbare als sichtbare Teilchen gibt. Die als "dunkle Materie"
bezeichnet werden, weil wir sie nicht sehen können und sie
offensichtlich unsichtbar sind. Aber wir können auf sie rückschließen,
weil wir (ihre) Effekte in der Wechselwirkung der Galaxien beobachten.
Oder weil sie das Licht um Galaxien beugen.
Dann
gibt es das, was man als "dunkle Energie" bezeichnet, die überall im
All da sein muß. Es muß sich um ein Feld handeln, das wir aber nicht
verstehen. Es bewirkt, daß sich die Dinge im Weltall gegenseitig
abstoßen können.
Ferner
wissen wir (wissen wir? Anm.) daß das Universum schon in den ersten
Bruchteilen der ersten Sekunde seiner Entstehung im Urknall (vor 13,8
Milliarden Jahren, sagt Tong) eine rasche Ausdehnungsphase durchlaufen
hat, die man "Inflation" nennt. Wir wissen (wieder: wir wissen?), daß es
passiert ist, es wird allerdings nicht durch die Gleichung erklärt, und
wir wissen nicht, wie das geschah. Wir wissen nur (...) daß das
Universum die ersten 380.000 Jahre mit einem Feuerball gefüllt war. Wir wissen das sogar sicher, weil wir diesen Feuerball bereits gesehen
und photographiert haben: Es wird kosmische
Mikrowellen-Hintergrundstrahlung genannt.
Man
kam auf sie, weil man ein "Flackern" darin entdeckte. Und das erklärt
man so: Durch die extrem rasche Ausbreitung innerhalb der ersten
Sekundenbruchteile des Urknalls wurde das Quantenfeld, das alles
enthält, extrem rasch ausgebreitet und "fror dann ein". Dieses Feld nun
ist es, das dieses Flackern erklärt: Es ist das Wabern und Kräuseln im
Gesamtfeld des Vakuums, denn Teilchen gab es da noch nicht, innerhalb
der ersten 10 hoch -30 Sekunden nach dem Urknall. Sie waren erst
mikroskopisch klein, und wurden plötzlich über 20 Milliarden Lichtjahre
Raum ausgebreitet. Zwar wissen wir nicht, welches Feld wir in der
Hintergrundstrahlung sehen, aber wir wissen, daß es eines ist.
Möglicherweise ist es das Higgs-Feld, möglicherweise aber etwas völlig
Neues, noch Unbekanntes.
Und
schließlich stellt sich die Frage, ob alle diese Felder nicht in einer
einzigen Formel zusammengefaßt werden können. Das ist es, was ja die
Superstringtheorie versucht.
Die
aktuellen Perspektiven der Physik, setzt Tong fort, liegen darin,
innerhalb dieser Standardformel "für alles" noch tiefere Muster zu
finden. Denn es ist auffallend, daß sich bestimmte Zahlen wiederholen.
Das läßt auf noch tiefer liegendere Muster schließen. Zwischen den
einzelnen Teilen der Formel lassen sich nämlich erstaunliche
Strukturähnlichkeiten entdecken. Drei Kräfte scheinen einander sogar
ähnlich, sodaß man sich die Frage stellen könnte, ob es sie überhaupt
gibt, ob sie nicht eine einzige Kraft sind, und wir nur jeweils aus
anderer Perspektive auf sie blicken, sie also für drei Kräfte nur
halten.
Oder
man nehme die zwölf Materiefelder. Jedes von ihnen gehorcht genau
derselben Gleichung (von Dirac)! Vielleicht gibt es sie also gar nicht,
sondern sie sind nur ein und dasselbe Feld, dasselbe Teilchen, das nur aus
je anderer Perspektive anders aussieht.
Außerdem
fällt auf, daß die Formeln für Materie und die für Kräfte gar nicht so
verschieden voneinander sind. Es könnte also sein, daß Materie und
Kräfte in einer engen Beziehung zueinander stehen.
Morgen Teil 4) Aber stimmt das alles überhaupt?
*110119*