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Samstag, 16. Februar 2019

Ein Phänomen der Preisbildung

Zwar erklärt der von vielen Vertretern der österreichischen Schule der Nationalökonomie zumindest weitgehend vertretene Theorie der Wertfindung am Markt bei weitem nicht alles, wie Heinrich Pesch in seinem Lehrbuch der Nationalökonomie überzeugend darstellt, sie eignet sich deshalb nicht für eine Allgemeintheorie, aber sie läßt manche Einzelphänomene besser verstehen. Die Rede ist von der Theorie des GRENZNUTZENS (oder GRENZWERTES, denn Wert hat mit Nutzen und damit mit Schätzung zu tun.)

Diese sagt, daß der (in seiner Überführung auf das Medium Geld zum Preis werdende) Wert eines Gegenstands nicht nach seinem größten, sondern vielmehr nach seinem kleinsten Nutzen bestimmbar ist. Das klingt auf den ersten Blick verblüffend, deckt sich aber mit der Alltagserfahrung. In der gerade die allernötigsten Güter - Luft, Wasser - den kleinsten Preis haben. Während der Diamant, der einen vergleichsweise lächerlich geringen bzw. niedrigstufigen Gebrauchswert hat, so teuer ist. 

Versuchen wir es über ein kleines Beispiel zu illustrieren, was damit gemeint ist: Nehmen wir an, es gibt sechs jeweils gleiche Wasserangebote. Sagen wir: Sechs Flaschen Vöslauer Mineralwasser mit je 1,5 Liter. Mehr Wasser gibt es nicht. Die erste Flasche wird zum Trinken benötigt. Die zweite zum Kochen. Die dritte zum Waschen. Die vierte zum Gießen des Salats im Beet. Die fünfte zum Tränken des Viehs. Die sechste zum Aufwischen des Bodens. Wie hoch wird der Preis bzw. der Wert sein? Er wird sich nach der sechsten Flasche richten. Denn nötigenfalls kann man diese ebenfalls trinken. So wie alle übrigen. Nicht das Prekäre macht also den Preis, sondern das am wenigsten Wichtige, aber vorhandene Quantum an Wasser, das durchaus auch anderen (höheren) Nutzanwendungen dienen kann.

Noch ein Beispiel, diesmal anderer Art: Es gibt 99 Anbieter von Brot. Es gibt aber 100 Menschen, die ohne Brot verhungern würden. Was wird den Wert des einzelnen Brotes bestimmen, wenn nun letztere versuchen, Brot zu kaufen? Richtig. Dieses eine fehlende Brot. Warum? Weil jeder Käufer davon ausgehen muß, daß es ihn als den trifft, der verhungert, wird schlagartig der Wert des Brotes (und damit der Preis) steigen. 

Dasselbe ist auch umgekehrt gültig. Sagen wir, daß es 100 Anbieter von Broten gibt, aber nur 99 Käufer. Was wird passieren? Richtig. Der Preis wird nicht statistisch-proportional sinken, sondern weit überproportional, schlimmstenfalls bis zu den Produktionskosten, der wahrscheinlichsten Untergrenze. Denn alle Verkäufer stehen unter der Gefahr, daß ihr Brot nicht verkauft wird, sie also Verluste machen.

Diese kleinen Restmengen - als Mangel oder als Überschuß - bestimmen also weit überproportional den Marktpreis. Die holländischen Gewürzimporteure des 17. Jahrhunderts wußten das genauso wie die Hersteller von Kaffee in Brasilien, die je nach Marktlage oft gewaltige Mengen an Waren ins Meer warfen oder verbrannten. Oder gezielt mit Mangel spekulierten (und das kann man auch allein durch die öffentliche Meinung). Eine kleine Menge vermag den gesamten Marktpreis weit überproportional nach oben oder unten zu manipulieren.

Mit statistischer Rechnung kommt man also hier bei weitem nicht aus. Die Realität des Verhaltens und damit der Preisfindung nimmt eine ganz eigene Form an. Die plumpe Formel "Angebot 99/100 - Nachfrage 100/99" (als bloßes Mengenäquivalent) erklärt auch dabei gar nichts.





*040119*