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Mittwoch, 13. Februar 2019

Woke Capital (433)

Wie kommt ein Unternehmen dazu, sich "moralisch" nicht nur zu positionieren, sondern erwünschte Moral zu "formen"?

Halt, Moment. Der VdZ kann sich noch sehr gut an Gespräche erinnern, die er etwa im Jahre 1988 mit einer Wiener PR-Agentur führte. Die nicht nur von den konservativsten Strömungen bewegt war (ihre Eigentümer waren Aktivisten der Monarchie-Bewegung), sondern ein neues, zukunftsweisendes Werbekonzept vorstellten. Das sich "Public Interest" nannte. Darin wurde vorgeschlagen, von rein produktbezogenen Aussagen abzugehen, und das Unternehmensansehen zu verändern. Indem sich die Unternehmen in öffentliche Agenden einmischten, Statements abgaben etc., die scheinbar mit dem Unternehmenszweck gar nichts zu tun haben.

Wenn heute Red Bull alle möglichen Sportvereine und -arten durch viel Geld fördert, hat das genau denselben Hintergrund.  Die Erkenntnis, daß der Kauf eines Produkts immer (zumindest auch) eine Identitätsentscheidung ist. Andere Kriterien, Qualität, Eigenschaften des Produkts direkt, sind zweitrangig. Sie illustrieren nur die Richtigkeit der ganz anders gefallenen Kaufentscheidung, die, wie Verkaufsfachleute wissen, bereits im ersten Moment (zumindest als dringende Geneigtheit) fällt, in dem Käufer und Verkäufer aufeinandertreffen.

Das Perverse liegt also gar nicht in dem, was die "Woke Capital"-Bewegung untersucht hat. Nicht prinzipiell! Es liegt tatsächlich in den Inhalten. Die Struktur selbst war inhaltlich flexibel, sie ist nicht wirklich definierbar. Wenn ein Unternehmen auf einem faktischen, also "einfach da seienden" Markt trifft. Es wird dann so gut wie immer die oberflächlichen, kurzfristig realisierbaren, nutzbaren Strömungen bevorzugen, wenn es rein kapitalgetrieben ist. Also nicht wie bei mittelständischen Unternehmen aus der Ethik eines persönlich vorhandenen Unternehmers - der immer ein persönliches Ziel hat. Sonst gründet man nämlich gar kein Unternehmen, sonst führt man es nicht über alle Widerstände und Schwierigkeiten hinweg - hervorgeht.

Ganz anders agiert ein Unternehmen, das keine persönliche Quelle mehr hat. Sondern von Managern, Ablaufoptimierern gelenkt, von renditehungrigen Kapitalgebern befeuert wird. Sie sind praktisch immer Huren des Zeitgeists, was gleichbedeutend ist mit a-moralisch. Und so für jeden Zweck mißbrauchbar. Vor allem sind sie leicht zu lenkende Objekte von Ideologien und Politik. Denn sie sind von Teillogik durchdrungen, nicht von Vernunft, die nur in Personen einen Anker haben kann.*

Staatsbetriebe oder ehemalige Staatsbetriebe ("privatisiert") oder sehr staatsnahe Kapitalunternehmen (die z. B. von öffentlichen Aufträgen leben) zeigen diesen Charakter am ausgeprägtesten. Sie werden nur noch übertroffen von Unternehmen, die ausschließlich über "Bewußtseinszustände" funktionieren, die also bestimmte Bewußtheiten brauchen, um überhaupt Geschäfte machen zu können. Wie es im Öko-Bereich der Fall ist, oder bei Unternehmen, die Waren für Feministen, für weiche Väter und harte Frauen, oder dezidiert für ein bestimmtes Klientel anbieten, das eine Ideologie oder Weltanschauung vertritt.

Zu letzteren gehören übrigens auch Unternehmen, die auf den ersten Blick ganz anders orientiert scheinen, technisch vielleicht, wie Apple, Google, Facebook, mit Einschränkungen sogar Microsoft. Denn um diese Produkte (und deren Nutzen) zu benötigen, braucht es zuerst (!) eine bestimmte Weltanschauung, eine bestimmte Haltung zur Welt. Und die muß dann am Laufen gehalten werden. 






*Volker Pispers nimmt das einmal recht zutreffend aufs Korn. Wo er in einem seiner Programme sagt, daß die, die vernunftunfähig sind (Pispers formuliert es natürlich härter, mehr mit Inspirationen aus der Obstwirtschaft, denn da kommt irgendwas mit "Birne" vor), Jura studieren. Und wenn selbst dazu die Intelligenz nicht reicht, dann studiert derjenige eben BWL (Betriebswirtschaftslehre). Das sind dann die Leute, die solche Unternehmen leiten. Was Pispers nicht ausführt ist, daß sich diese Studien perfekt für eine Haltung eignen, die Wissen und Wissenschaft mit bloßer Ablaufoptimierung gleichsetzen. Gerade solche Studien als rein technische Prozesse gesehen werden, die zu nutzen ein Studium als "Ausbildung" vermittelt. Mit akademischer Würde hat solch eine Haltung aber nichts mehr zu tun.





*211218*