Dieses Blog durchsuchen

Dienstag, 12. Februar 2019

Katholiken sind verdammt leicht zu triggern

Es wird halt allenthalten ein wenig wenig gedacht. Stattdessen begnügt man sich gerne und oft, wenn bestimmte Schlagworte fallen, die eines Weltbild entsprechen. So geschehen vor einigen Wochen auf gloria.tv. Wo ein Filmbericht eine Rede des Arztes und Abgeordneten zum Landtag in Baden-Württemberg Heinrich Fiechtner brachte, in der dieser "fulminant" (wie der Beitrag auf gloria.tv titelte) gegen die Abtreibungswünsche der Jungsozialisten auftrat. Und unter anderem die Vorgänge bei einer Abtreibung schilderte. 

Aber er schilderte noch etwas. Nämlich den Grund, warum er das so genau weiß. Und das verwundert denn doch. Denn Fiechtner, der, wie gesagt, im Zivilberuf Arzt ist, bezieht sich auf eine von ihm selbst vorgenommene Abtreibung. Die er ganz offensichtlich damit begründet, daß es dabei ums Leben der Mutter ging. Er "mußte", sagt er. Aha. Er mußte.

Kein Wort des Bedauerns oder der Reue folgt. Das einzige, was ihm über die Lippen kommt, ist, daß es ihn ekelte vor der Widerlichkeit einer Abtreibung.

Die Reaktionen der Leser auf gloria.tv - der Beitrag hatte binnen kurzer Zeit tausende Klicks - waren euphorisch. Endlich sagt es einmal jemand, so ungefähr war der Tenor. Segenswünsche* wurden formuliert, Dankesbekundigungen ebenfalls. Eine Gallionsfigur, gewissermaßen, und auch er selbst dürfte sich so sehen. Aber kann er das überhaupt sein?

Denn seltsamerweise scheint das Einbekenntnis von Fiechtner, das er in eben diesem Video, in eben dieser Rede macht, niemanden zu interessieren. Und das läßt einen schrecklichen Verdacht aufkommen. Denn vom moralischen, vom theologischen, vom moralphilosophischen Standpunkt aus ist auch Fiechtner ein Abtreiber, und nichts anderes. Der sich jetzt vielleicht davon distanziert, vor allem, wenn es andere betrifft, dem aber möglicherweise gar nicht klar ist, daß er in dieselbe Kategorie fällt. Wenn er nämlich seine Abtreibung damit rechtfertigt, daß es da ja ums Leben der Mutter gegangen wäre.

Nur - das rechtfertigt keine Abtreibung! So schwierig und tragisch Einzelfälle auch sein mögen, so kann niemals "gut" sein, zur Erreichung eines "Gutes" ein in sich ("intrinsisch") schlechtes Mittel zu verwenden. Wenn man das gutheißt, dann macht man dasselbe, was als Gründe für eine gerechtfertigte Freigabe der Abtreibung (die in diesem Fall sogar bis zum Zeitpunkt der Geburt erlaubt sein soll) herangezogen wird.  Ein Gut innerhalb dieser Welt, das höher bewertet wird als das Leben eines ungeborenen Menschen. Den vom Erwachsenen nur die Aktualisierung seines Menschseins fehlt, weshalb Euthanasie usw. usf. auf direkter Linie der Abtreibung liegt.

Und das Leben der Mutter ist ein "Gut in der Welt". Es muß aber ums jenseitige Gut, um das Eingehen in die Anschauung Gottes gehen. Das ist der Sinn des Lebens. Kein Wohlgefühl, kein Wohlstand, keine "Freiheit", kein "Mein Bauch gehört mir", und auch ... nicht das Leben der Mutter, das gegen das Leben des Kindes abgewogen wird, woraufhin man das Kind tötet.

Übrigens hat die Sache in Irland genau so begonnen. Genau so. Da war zuerst einmal die "Ausnahme", wo die Schwangere sich bei anhaltender Schwangerschaft "selbst ermordet" hätte. Das Tor war geöffnet. Für die Öffentlichkeit war die Unterscheidung nicht mehr erkennbar, weil das Prinzip (fälschlicherweise!) aufgeweicht war. Man hat nur diskutiert, als es plötzlich "so viele" selbstmordgefährdete Schwangere gab. Heute ist Abtreibung per Volksentscheid (!) generell legitimiert.

Und wer die Vorgehensweise der Abtreibungsbefürworter ansieht wird genau dies entdecken: Erst beginnen sie mit besonders tragischen Fällen. Dann werden es immer mehr. Damit senkt sich die Schwelle dessen, was als "unerträglich tragisch" bei der Bevölkerung empfunden wird. Und dann kommt die Forderung nach genereller Freigabe, die bereits auf gehörige Akzeptanz stößt. Auch unter Katholiken, auch unter Christen. Höchstens "macht man es nicht selber". Aber sonst herrscht Schweigen im Walde. Man will den sozialen Frieden nicht stören, heißt es dann sogar noch. Als ob es nicht die Tat selbst wäre, die die Grundlage des Friedens ganz elementar trifft und zerstört - die Achtung vor dem gottgeschenkten Leben des Menschen als Abbild Gottes. Die sich vor allem auf jene ausnahmslos beziehen muß, die unfreiwillig** ihr Leben weniger in Gestalt aktualisiert haben als andere.

Die Ablehnung der Abtreibung ist nicht "graduell" zu bewerten. Sie ist absolut und muß es auch bleiben. Wer sie graduell macht, kann sich höchstens noch darüber echauffieren, daß der eine nur dann abtreibt, weil es um das Leben der Mutter geht, und der andere, weil es ihm darum geht, deren freie Wahlmöglichkeit oder ihren Lebensstandard zu schützen. Was halt dann jedem so als höchstes Gut erscheint.

Wenn das alles ist, was Katholiken noch aufs Tapet bringen, dann sollten sie dessen gewahr sein, daß sie die Tore für genau jene Abtreibung öffnen, gegen die sie angeblich so vehement auftreten. Denn es sind die geistigen Bahnen, es ist der logos, es ist der Sinn, es ist die Richtung, und es ist nicht die fallweise Beschränkung, auf die es für die Ewigkeit ankommt.

Es macht nicht katholischer, es macht schon gar nicht klüger oder gerechter, wenn man sich einfach durch bestimmte Teilhaltungen und -begriffe "triggern" läßt. Man muß sich vielmehr den Vorwurf gefallen lassen, daß es einem um etwas ganz anderes geht als man vorschützt. Um etwas Innerweltliches nämlich. Nicht ums Ewige.

Abgeordnete, die solche Reden halten, erweisen nämlich der Sache einen gewaltigen Bärendienst. Sie sind wie Diebe, die sich in einer Zeit, wo überall gestohlen wird, gegen den Diebstahl ereifern, und sich sogar noch von der Öffentlichkeit dafür preisen lassen. Denn die freut sich, daß endlich jemand gegen Diebstahl auftritt. Dabei aber überhören, daß jene Mutigen Stillschweigen darüber verlangen, daß sie den Diebstahl von Äpfeln ausschließen möchten. Denn die stehlen sie auch mal selbst. Wenn es denn notwendig ist.

Mag sein, daß Fiechtner es nun gut meint, geläutert ist, was auch immer. Auch kommt es uns nicht zu, ihn zu verurteilen (wenngleich sehr wohl: die Tat abzulehnen, die Tat zu verurteilen). Und vielleicht kommt seine Vehemenz, die er im politischen Auftreten zuweilen hat, sogar aus einem unruhigen Gewissen. Vielleicht spielt er sich und anderen aber auch nur etwas vor. Mag alles sein. Aber als Gallionsfigur im Kampf gegen die Abtreibung? Unmöglich. Und er sollte das als erstes kapieren. Nicht die Jungsozialisten haben ihn unmöglich gemacht. Das hat er selbst erledigt.




*Etwas Schlechtes zu segnen kommt einem Fluch gleich. Denn der Segen "bindet" in das Gesprochene, in das Faktische. Damit drückt es einen "gesegneten Übeltäter" noch mehr in sein Faktisches, Verfehltes, hebt dieses zum Ewigen, Bleibenden, Guten ("bene-dicere"), und macht sein Leben unter Umständen sogar erst wirklich zu einem "Übeltäter-Sein". Dessen "Gutes", das er am Jüngsten Tag vorweisen möchte, etwas ... Schlechtes ist.

**Denn bei einem Verbrecher etwa ist es anders. Deshalb ist es auch immer wichtig, die Begriffe sauber zu halten. Die Achtung vor dem Leben ist insofern nämlich keineswegs "absolut" bzw. in jedem Fall auf das körperlich-zeitliche Phänomen bezogen, als ein Mensch den Sinn des Lebens überschreitet, so daß das physische Leben in jedem Fall höher zu stellen wäre als das seelische Heil des Menschen. Deshalb ist die Todesstrafe - als Sühne - sehr wohl legitim. Oder das Töten im Krieg. Es geht beim Menschen um den Sinn! Und der kann sich auch mit dem Tod erfüllen. Das Besondere beim ungeborenen (gleich wie beim behinderten) Leben ist seine Schutz- und Hilfebedürftigkeit, seine Angewiesenheit auf den anderen. Während ein Übeltäter diese Verfehlung seiner Aktualisierung (zum Guten) aus freiem Willen begeht.




*131218*