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Mittwoch, 27. Februar 2019

Durch die Digitalisierung verblödet (1)

Wir müssen uns nicht auf die Gehirnforschung berufen, um zu wissen, womit wir es bei den Medien und speziell bei den 'social media' zu tun haben. Was Manfred Spitzer hier vorbringt, ist deshalb interessant, weil es die Position der Vernunft stärkt weil durch Hirnforschung belegt. Diese kann aber nicht der Grund für das sein, was wir daran zu bemäkeln haben. Und das ist gewaltig viel, weil es grundsätzlicher Natur ist. Deshalb ist auch der Ulmer Naturwissenschaftler dort am interessantesten, wo er sichtlich emotional wird. Wo der Zorn also das Richtige treibt und stützt. Der aus Regionen aufsteigt, die vor allem bewußten Wissen längst wissen.

Aber es gibt noch eine Menge mehr zu sagen. Von der Seite der Suchtgefahr zu kommen, ist da fast hinderlich, weil es vom Wesentlicheren ablenkt und die Argumentation schwächt. Denn mit "Begrenzung" kommt man der Sache nicht bei.

Zu dem Bereich, dem Spitzer viel Breite widmet, gäbe es dabei am meisten zu sagen. Denn in den Hinweisen auf die Bedeutung des Haptischen steckt weit mehr als sinnlich-technische Ablauferfahrung. Es ist der sicherste Hinweis auf die Weise, wie der Mensch überhaupt erkennt. Und das führt von digitalen Medien vollkommen weg. Denn es geschieht über Gestalt! Aber nicht so, als würde sich fremde, begegnende Gestalt quasi "einbilden", einformen, sondern in einer erinnernden Form. Als Aktivierung des Universalen, das in jedem Menschen amorph und stumm vorhanden ist. Das über die begegnende Gestalt in die Präsenz steigt, zum Begriff wird. Lernen muß der Mensch nicht das Neue, das man wie ein Hinzukommendes sehen könnte. Lernen muß er die in sich vorhandene Potenz zur Gestalt (denn im Menschen sind alle Weltgestalten enthalten, sonst könnte er die Welt gar nicht erkennen) zu aktivieren, die in der Begegnung mit einer Gestalt angerufen wird. Also muß man auch die 'social media', das Internet als Gestalt sehen, nicht auf seine Intention hin, die ganz woanders ansetzt - weit nach dem Begreifen.

Aus dieser jedem Menschen eigenen Gestaltenpräsenz wiederum steigt jene Lern- und Wissenspotenz, auf der dann Information erstens als solche erkennbar wird (und das muß sie: der Informierte muß VOR dem Eintreffen der Information wissen, daß es sich um Information handelt), und zweitens zu Sprache und damit Denken und verbalem Wissen kommt. Diese Sprache wiederum ist aber selbst Gestalt. Deshalb sagt Spitzer völlig richtig, daß die digitalen Medien das Sprachvermögen speziell bei Kindern nicht steigert, sondern verringert. Vereinfacht gesagt: Im Wischen über den Bildschirm wird nämlich ein Begreifen aktiviert, das einer bloßen Wischbewegung(sgestalt) entspricht. Sonst nichts.

Nicht Denken, nicht Denkinhalte, nicht Sprache? Nein. Diese werden zu bloßen Ablaufparametern, bleiben aber weitgehend inhalts- weil gestaltlos. Denn auch Sprache ist weit mehr als der Erinnerungszeichen, das auf eine Symbolik zurückgeht, wie sie Schrift und Text darstellen. Darum kann sie nur ihre Wirkung entfalten, wenn sie sich inter und ad personam ereignet. Nur dann hat sie welthafte Gestalt. Der Bildschirm alleine (wir haben darüber schon vor Jahren eingehend Überlegungen angestellt, die hier zu finden sind) ist schon ob seiner Flüchtigkeit der Zeichen als Gestaltträger wertlos, kann bestenfalls verweisen, nicht aber tragen.

Damit ist auch dem, was der Gehirnforscher über die Nutzung der Internetmedien zur Informationsgewinnung sagt, uneingeschränkt zuzustimmen: Erst muß der Mensch gebildet genug sein, um dann allfällige weitere Information (die nur noch geistiger Natur ist) aufnehmen weil ordnen weil identifizieren zu können.

So wird auch klar, warum die Hand so entscheidende Bedeutung für die Erkenntnis hat, warum sie mit so vielen Rezeptionspunkten ausgestattet ist: Sie ist die Anschmiege an begegnende Gestalt, und deshalb eines der wichtigsten Aktivationszentren für eigene Gestalt. Was mit der Hand nachzuformen ist, ist begreifbar, und in der Reaktion als (ergänzende) Gestaltantwort begriffen weil aus der amorphen Potenz zur Gestalt tatsächlich als Gestalt zur Welt gebracht.* Und so wird auch klar, warum Kinder mit einfachen Formen ("Nobelpreisträger haben alle in ihrer Kindheit mit Bauklötzen gespielt", sagt Spitzer an einer Stelle) und Spielzeugen beginnen müssen.

Von der Hand (ähnliches ließe sich vom Mund, aber auch von den Füßen sagen) ausgehend hängt sich der ganze Leib dann an, um eine komplexere Bewegung als Entsprechungsgestalt zu formen. Anders als Spitzer meint, geht es also nicht darum, daß die Hand "lernt" eine Linie zu ziehen, sondern daß die Hand lernt, der inneren Antwort in ihrer Gestalt zu gehorchen und zu entsprechen.

Es ist gelinde gesagt ein Verbrechen, Internet und 'social media' in der Pädagogik bei Kindern anzuwenden und in die Schulen zu drücken, wie es in unseren Ländern passiert. Hier werden Menschen herangezogen, die überhaupt nichts mehr wissen, sondern nur noch leere Formeln wiedergeben und anwenden können, bestenfalls. Vor allem aber Menschen, die sich nicht mehr aktualisieren können.** Wen wundert da also ADHS, als ungebundene, ungeformte, ungezielte, amorph gebliebene Aktivierungsenergie? Selbst der Autismus rückt ins Blickfeld - als reaktiver Selbstschutz vor der Auflösung weil Zerstreuung.

Das eigentliche Denken und Bilden geschieht im Vorfeld jeder weiteren Informationsverarbeitung, wie sie durch das Internet möglich ist. Und zwar WEIT vor diesem.***

Zu dem Gesagten trägt damit bei, wenn Spitzer auf das hinweist, was Kinder lernen, die etwa mit Schießspielen im Internet umgehen. Sie lernen REFLEXHAFT zu handeln. Aber das ist nicht das, was den Menschen ausmacht, der ja lernen muß, überlegt, beherrscht, geplant und nicht simpel reaktiv zu handeln.

 Morgen Teil 2) Das Fazit (und das Video)




*Man lernt also in der Tastatur nicht "Information" aufzunehmen etc., sondern das, was eine Tastatur als haptische, dingliche Gestalt Welt enthalten kann. Mit den elektronischen Möglichkeiten der Tasten hat das nichts zu tun. Das wirkt sich insofern besonders tragisch aus, als Menschen, die keine Handschrift mehr entwickeln - und das wird heute allen Schülern bereits vorenthalten - einen völlig verfehlten Begriff von Schrift und Buchstaben haben. Das Symbolhafte, das Gemalte, das Bildhafte des Buchstabens sowie des Textes (der noch dazu nicht mehr vorgelesen oder laut gelesen wird) wird nicht mehr begriffen. Solcherart gelesener oder geschriebener Text wird von selbst zur Schule des Nominalismus. 

**Hinweis: Begreift man die Selbstaktualisierung (Sein ist ein actu, ein Aktives) als Prinzip der Selbstwirklichung bzw. des Menschseins überhaupt erhellen sich auch viele weitere Dinge wie Fettleibigkeit, Anorexie, aber sogar Haltungsschäden, Allergien ... 

***Reiner "Text" wird erst und nur in dem Maß bedeutsam und adäquat verarbeitbar, als der Mensch bereits geistig/vergeistigt IST. Das betrifft sogar textliche "simple" Nachrichten, wie sie den Großteil der Kommunikation über 'social media' kennzeichnen. Es gilt, was der VdZ immer sagte: Das Internet ist fast zur Gänze ein Medium für eine geistige Elite, und sollte nicht einfach so, quasi für die Mehrheit der Menschen, verfügbar sein. Geistigkeit bedeutet nämlich Selbstherrschaft, Vernunftherrschaft, und damit Fähigkeit zum schöpferischen Gestalten der inneren (weil damit nach außen wirkenden) Gestalt. Davor verwendet, VERformt es den Menschen. Oder, annäherungsweise in Spitzers Worte übertragen: "Was für Erwachsene die Arbeitsproduktivität erhöht, ist noch lange kein Betätigungsfeld für Kinder."






*090119*