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Dienstag, 19. Februar 2019

Bemerkungen zur deutschen Demokratie

Man muß ja nicht seiner Meinung sein. Aber interessant ist dieses Gespräch mit Stefan Aust, dem ehemaligen Chefredakteur des Spiegel, allemal. Und es enthält einige Fundstücke. So die Antwort auf die Frage, wer geeignet wäre, deutscher Kanzler zu sein. Aust antwortet darauf: Viele, sehr viele. Denn es kommt gar nicht auf die Person an. Es gab schon jede Menge eigentlich unfähiger Kanzler, und sie haben dann ihre Sache nicht einmal schlecht gemacht, so wie Helmut Kohl. Kanzler sein kann gleich wer. 

Aust bezieht sich damit auf die hier längst besprochene Aussage, daß wesentlich ist, daß eine Struktur vorhanden ist. Erst dann geht es um die Figuren. Stimmt die Struktur, die Ordnung, kann so gut wie jeder die Führungsposition ausfüllen. Vorausgesetzt freilich, er hat die Fähigkeit zur Selbsttranszendenz.  Denn sonst wird er die Struktur zu persönlichen Zwecken mißbrauchen. Das sagt Aust freilich nicht.

Das heißt, ein Führender muß sich an den sachlichen Anforderungen jenes Knotenpunktes orientieren, an den er gestellt ist. Nicht an Begierden seiner privaten Person. So daß Sachlichkeit herrscht, nicht Subjektivismus. Die gibt den Boden für die in einem System angelegte Möglichkeit einer Gerechtigkeit. 

Genau das war ja übrigens auch der Inhalt einer Erziehung, wie sie Monarchenkinder früher erhielten. Sie lernten, persönlich völlig hinter einem Amt zu verschwinden. Sie gehörten nicht mehr sich selbst. Und je höher ein Amt ist, je umfassender es stellvertretend fungiert, desto mehr muß das gelten. Und desto weiter rückt jedes Persönliche, Subjektive von dem weg, das schließlich, ganz an der Spitze eines Staates, alle seine Bürger (in ihren jeweiligen teilhafteren, spezifischeren Strukturen) umfassen muß.

Bemerkenswert auch Austs Aussagen zu Angela Merkel. Auch wo er auf die (nicht gute) Länge ihrer Zeit als Kanzler Bezug nimmt. Und zwar vor allem, weil er auf etwas Wichtiges hinweist, das aber der Demokratie eigen ist: Ein so langer Zeitraum läßt ein Volk nicht nur immer mehr Angst vor einem Wechsel bekommen, so daß es mit der Länge einer Regierung auch dazu tendiert, nichts ändern zu wollen, sondern ein Wechsel wird auch praktisch immer schwieriger. Weil man nicht nur die Person des Kanzlers sehen darf, sondern auch die vielen sehen muß, die um diesen herum sind und etabliert wurden. Insofern ist ein "Wechsel" auf eine "Merkel 2", der gar kein "Wechsel" ist - wie bei Annegret Kramp-Karrenbauer - auch unter diesem Aspekt ziemlich aussagekräftig weil auf eine Weise stringent.

Politik hat eben, wie die Analyse des demokratischen Systems der USA durch Alexis de Tocqueville zeigt, mit der Versorgung einer Klientel zu tun. Berufspolitiker (siehe dazu Max Webers "Politik als Beruf") sind im besonderen und praktisch immer dadurch charakterisiert. Ihre Politik ist durch Wege gekennzeichnet, ja durchdrungen, an die Macht zu kommen und dann in ihr zu bleiben. Und das tun sie aus Notwendigkeit durch Klientelpolitik. Wo sie erst durch Versprechen, und dann real. Wo sie, einmal an der Macht, alle die versorgen, denen sie ihre Position verdanken. Um - wieder aus Notwendigkeit, selbst wenn man sie als Idealisten einstufen mag - an dieser Macht auch zu bleiben.

Was Aust sagt ist in dieser Hinsicht recht inhaltsreich. Es erzählt viel über die Demokratie und ihre Wirkmechanismen, ohne es direkt zu hinterfragen. Es ist eben so.








*201218*