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Mittwoch, 1. Dezember 2021

Keine Warnung, sondern Indiz (1)

Das Auftreten des Wolfes, wie wir es in Europa nun erleben - jüngst sind sogar im Raum Paris wieder Wölfe gesichtet worden - ist ein ganz sicheres Datum des Verfalls unserer bzw. jeder Kultur. Denn der Wolf stößt in Kulturlücken vor, und nährt sich aus dem, was in ihnen entstehen kann. Kultur wiederum heißt, ein Land - ein Land! Kultur ist immer auf Land bezogen, das sogar den Kulturstil gewissermaßen vorgibt, eine Kultur bettet wie heraustreibt, wie der Boden eine Pflanze - mit einem immer sichtbarer werdenden Netz zu überziehen. Das alles in den Logos stellt, in die Grammatik des Göttlichen einbindet bzw. DIESER ZUFORMT (ohne sie ganz zu erreichen, was zu wissen nicht unwichtig ist).

QR Wölfe vor Paris
Dieses Netz ist, wenn es eine Kultur ist und kein (ja, so könnte man es sogar sagen: faschistisches) Pseudogetue und starres Imitat von Kulturfrüchten, dieses Netz ist immer gleich ausgebreitet, nur ist es anfänglich noch dünn, kaum sichtbar, und wird mit der Zeit immer stärker und sichtbarer, bis es für alles, was da auch auftritt einbindende, Platz zuweisende, ordnende Kraft hat und alle Belastungen aushält. 

Der Wolf stößt dann vor, wenn Lücken entstehen. Lücken wiederum entstehen nur, wenn DAS GANZE NETZ bereits schwach ist. Also nicht "vereinzelte Lücken, sonst ist alles intakt", sondern immer als Ganzes und geschwächt, dabei in die Unsichtbarkeit zu verdunsten. Dennoch gibt es natürlich Zonen besonderer Dichte und Tragfähigkeit, die aber nie ohne das Ganze gesehen werden können, sich lediglich stärker aufs Ganze auswirken.

Der Wolf vor Paris. Man hätte auch schreiben können: Wölfe sind in ganz Frankreich. Und wenn sie in Frankreich sind, dann ... in ganz Europa. Keine Warnung mehr, kein Menetekel, sondern bereits Gegenwart. 

Wer um die mit dem Menschsein untrennbar verbundene Pflicht weiß, Leben in Kultur zu treiben, muß auch (endlich) zur Kenntnis nehmen, daß nichts mehr "zu retten" ist, sondern Strategien überlegt werden müssen, wie aus dem bevorstehenden Chaos heraus wieder neu aufgesetzt werden kann. Was es dazu braucht, und wie man es archivieren kann, um einen Neuanfang zu erleichtern.

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Natürlich ist Handeln immer konkret. An einem Universalium (Kultur, Geist, Glück, Wohlstand, Deutsche, Grundbacher, Jäger, Schützenschneider, Wolf, Klima, Umwelt, Gesundheit ...) wirken zu wollen, ist in jeder Hinsicht Täuschung. Die wirkliche Wirkung wird an etwas anderem erzielt, das oft nicht einmal leicht zu erkennen ist. (Die Wirkung eines Handelns an einem Universalium taucht oft an ganz anderer Stelle auf, UND ist oft ganz anderer - der wirklichen Art der Handlung gemäßer - Art und Erscheinungsform. 

Man kann nur an der Qualität der Ölfarbe arbeiten, an der Verbesserung der Art auf einem bestimmten Stuhl zu sitzen, am Lauf des Motors des Audi A4 vor der Tür, am Grüßen des Kindes, wenn der Lehrer auftaucht, wie man ein Kreuzzeichen macht, und wo, wie man "Wassermelone" und "des Königs Gicht" ausspricht, und wie man Äpfel schneidet und Kastanien schält, und und und ... 

Aber dieses Einzelne einer Tat wirkt immer auf das faktische Dasein eines Universaliums. Tom Brown aus London, der vor die Tür des Kunsthistorischen Museums scheißt, macht eine Aussage über "die Höflichkeit der Engländer". Und daß Engländer doch höflich sind, kann niemand beweisen, der zeigt, "daß man höflich ist", sondern dadurch, daß er die Diskretion pflegt, das Schweigen der Liebe kennt, die Schonung der Formtreue über alles subjektive Empfinden hinaus an den Tag legt, und zwar direkt und beim Kontakt mit Wienern, egal wo. 

Morgen geht's weiter. Die Fäden laufen wieder zusammen. Die aber nicht die Ideen gesponnen haben, sondern der Plan göttlicher Vorsehung an der Hand der Engel auswarf, auf daß sie sich im Streit mit der schon vorhandenen Erde realisierten. Denn wo Gott gelassen bleibt, müssen die Engel immer streiten.