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Donnerstag, 2. Dezember 2021

Keine Warnung, sondern Indiz (2)

Die Fäden laufen wieder zusammen. Die aber nicht die Ideen gesponnen haben, sondern der Plan göttlicher Vorsehung an der Hand der Engel auswarf, auf daß sie sich im Streit mit der schon vorhandenen Erde realisierten. Denn wo Gott gelassen bleibt, müssen die Engel immer streiten. -  Genauso wenig kann man "die Geburtenrate erhöhen", "den Wohlstand fördern" oder "das Klima retten." Aber eine konkrete Tat charmanter Umgarnung beim Treffen mit der leuchtend schönen Frau Brzesina am Hofeingang, beim anschließenden Schweigen vor den Nachbarn, beim Ignorieren bestimmter Menschen vollzogen, wirkt sich auf "die Geburtenrate", auf "die Steuerquote", auf "die Bevölkerungsdichte im 10. Bezirk" und auf die Zahl der Dieselfahrzeuge im SUV-Format aus. Und so weiter.

Daran gedacht hat der Herr Kössitz (eigentlich "Herr von Kössitz und zu Schönau") aber nicht, Gottseidank in den Minuten nicht, in denen er Frau Brzesina (nun "Gerti'chen") ans Mieder ging (die er nun heiraten wird, was nächste Auswirkungen hat). Und warum bzw. was hat das "gefördert" oder "bewirkt"? Weil die Stimmung in der Bevölkerung ziemlich lebensfroh und optimistisch war.

Doch muß nun eine weitere Klärung einsetzen. Denn sehr viele dieser Universalia sind kaum mehr als Abstrakta. Keine "Bevölkerungsdichte" hat ein "Leben" für sich. Da läuft kein Geist "Bevölkerungsdichte" über die Auen des Wienflusses, und versucht "sich zu verwirklichen". 

Er steht lediglich in einem bestimmten Ort in einem ungeheuer komplexen Gefüge, das schon in dem Moment über den Wassern schwebte, als sich der Wienfluß ein Tal brach, als die gigantischen Wassermassen, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit über dem Wiener Becken vor Jahrtausenden gelegen haben mußten, nach der Sintflut wieder abflossen. Da gab es in diesem Landschaftsgefüge, das entstand, auch einen Platz für "Bevölkerungsdichte."  

Als Teil einer Ordnung, die im Wissen Gottes begründet lag und liegt. Und als die ersten Siedler aus Bayern in dem Teil des Tales ankamen, das sie ihrer Herkunft nach "Grinzing" nannten, weil es da so "grean" (grün) war, bestand unausgesprochen in seinem Kopf ein Gefühl für die Art und Weise, wie dieses Land bebaut weil bewohnt werden konnte. Und das empfanden nach ihm noch viele so, drum schaut es dort so aus, wie wir es heute kennen.

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Beim Wolf ist es irgendwie ähnlich, irgendwie aber um noch eine Stufe anders. Auch er empfindet einen Zusammenhang mit Bevölkerungsdichte, gewiß. Aber es hat in sich eine Idee wirksam, die ihn in jeder Hinsicht so werden lassen will, wie es diese Idee entspricht. 

Diese Idee hat wiederum ihren Platz im Wissen Gottes. Von daher hat der Wolf auch seine Bezüge zu Land, Menschen, Bebauung und so weiter. Und zu seinem Knochengerüst. Kein Wolf wird ein fünftes Bein haben, und wenn nur als einmaliger Defekt, der, wenn er in den Genen herrscht, unter Umständen noch an zwei weitere Wölflein weitergegeben wird, die aber im scharfen Wind des Pannoniums, der den Wein so herrlich ausbricht, erfrieren.  

Diese Idee hat noch eine Besonderheit. Sie hat einen Engel, der sich um ihre Realisierung kümmert. Und an jeden Subengel, der jedem einzelnen Tier zugeordnet ist, aus der Idee Gottes heraus (der "liebt"!, die Liebe ist, und das heißt: Die Realisierung seiner Ideen bis in jede Ebene betreibt, was die Wesen der Welt und Schöpfung, alle Wesen, wie ein "Kitzeln" spüren, wie ein leises Wort im Säuseln des Windes der Buchen am Kahlenberghang mehr ahnen als hören. Von dem manche meinen, daß es der Gesang der Engel sei, und wir wollen das gar nicht von der Hand weisen, gar nicht, gell?

Der Wolf, der unter Freunden und im Geheimen "Rottmaul" heißt (ich weiß, Wölfe haben komische Eigennamen), tut umgekehrt alles, um diesem Kitzeln zu entsprechen. Alles Fleischliche an ihm will so werden, wie diese Idee (über den Engel) ihm ins Ohr flüstert, und ihm zuruft, wenn er durch den Wienerwald streift. (Oder nun: Durch die Pariser Wälder.) 

Und er hört die Stimmen der Ideen von Bevölkerungsdichte und Bebauungsplänen, die noch vor zweihundert Jahren kein Mensch hören konnte, und er handelt danach. So, wie seine Vorfahren vor dreihundert Jahren danach gehandelt haben (und im Wiental notorisch ansässig waren), ehe diese Ideen wie Bevölkerungsdichte und Straßenführung eine Rolle zu spielen begannen. Dann wurde es ihm zu eng, und den Menschen zu lästig, sodaß sie ihm an die Wäsche gingen.  

Aber anders. Als der Herr von und zu Kössitz-Schönau (wie sich seine Mutter, die Moderne, vorwegnehmend, irgendwann in den 1990ern zu nennen begann, zeitgleich mit der Übernahme des Vorsitzes im Frauenverein in der Pistinggasse) es empfunden haben mag. Als er fluchtartig, wie manche spöttisch sagen (wobei nicht zu klären ist, ob sie die schöne Gerti, die sie nicht kriegen konnten, die einen, die schöner war als sie, die anderen, oder den arroganten Herrn von und zu mit ihrer Häme meinen), den Bezirk verließ und von Stund an nie mehr gesehen ward. Was sich wieder auf andere Universalia auswirkte. Die das Netz von der göttlichen Ideenordnung allmählich wieder ausdünnen, schwächer werden ließen.

Wovon der Wind, von Baum zu Baum, von Au zu Au, bis nach den fernen Karpaten weitertrug. Wo es dann unserem Meister Isegrum namens Rottmaul zu Ohren kam. Und wie ein Floh fortan kitzelte, bis er eines Tages wieder auftauchte, im Wiental, und mitten in einer etwas wilden Gartenlandschaft, zu der das einstige Dörflein mittlerweile wieder geworden ist. Deren Ruf auch viel Hasen und Wiesel gehört und angenommen hatten. 

So wurde aus dem Kulturverfall der einen der (praktisch immer geliehene, wenn nicht gestohlene) Lebensraum der anderen.  


*281121*