Ich kann mich nicht erinnern, außer auf diesen Seiten je eine wirkliche Kritik an den in der ersten ÖVP-Regierungsära 2000 - 2006 als "Erfolg" an die Fahnen geheftete Zusammenlegung sämtlicher Exekutivkräfte Österreichs gesehen zu haben. Brav trottelte das Land hinter der Karotte einher, auf der geschrieben stand, daß diese Zentralisierung Effizienz und vor allem Kostenersparnis brächte. Sämtliche Begleiterscheinungen (was tun mit nun drei Dutzend Generälen?) wurden als Übergangsprobleme dargestellt.
Bis heute aber hat sich nie eine sinnvolle Evaluierung der damals durchgeführten Zusammenlegung der Gendarmerie, der Lokalpolizeien (jede Stadt ab einer gewissen Einwohnerzahl mußte eine eigene Ordnungspolizei betreiben) und der damals noch wenigen Bundespolizeistellen gefunden. Ist heute alles Bundespolizei, gab es eine solche Bundesstelle früher lediglich in kleinen Umfang. Etwa als Kriminalpolizeistellen für Verbrechen einer bestimmten Dimension, oder in Form einer paramilitärischen Anti-Terror-Eingreiftruppe, die in ihren Anfängen als WEGA sogar zu beachtlichem internationalem Ansehen kam. Ähnlich der deutschen GSG9, die ihr entschlossenes Eingreifen in Mogadischu weltberühmt machte.
Vor allem aber wurde die Gendarmerie aufgelöst. Das Wesen dieser "gen d'armes" (Männer in Waffen) war, daß sie tatsächlich regional rekrutiert, aufgestellt, ausgerüstet und ausgebildet der Bevölkerung, für deren Schutz und Sicherheit sie sorgte, schon insofern verbunden war. als ihre Kommandostellen länderweise bestanden und selbständig (und mit der Landesregierung akkordiert) agiert haben.
Zusammen mit der lokalen Polizei ergab sich so ein buntes Bild, auch buchstäblich durch lokale Besonderheiten der Uniformen. Vor allem die Gendarmen waren ortsverbunden und eng mit der Bevölkerung vertraut weil selbst verwurzelt. Es mag schon sein, daß der eine oder andere Befehls- oder Materialbeschaffungsvorgang umständlich und "wenig effizient" stattfand, es mag sein, daß die unterschiedlichen Fahrzeugvorlieben der Landeskommandos oder Stadtpolizeien für irgendeinen Spezialfall ein Problem darstellten.
Aber der große Vorteil solcher Exekutivkräfte lag auf einem anderen Gebiet. Und er überwog die wenigen Geldesnachteile bei weitem. (Was als Argumentation leider üblich, aber völlig unsinnig ist: Denn Geld und Kosten sind Folgen, nicht Erstgründe von Ritualen, und Ordnungsmacht IST ein Ritual, eine Gestalt; ein Polizeipferd mag deshalb in Geld berechnet "nur Kosten verursachen". Aber alleine die psychologische Wirkung ist kaum zu überbieten.
Wobei man selbst über solche angeglichen Geldesvorteile ganz sicher streiten kann. Es ist ein bekanntes Gesetz der Kinetik, daß eine Organisation so klein bleiben soll, wie es nur möglich ist, und in keinem Fall die Grenze persönlicher Bekanntschaft einerseits sowie speziell den Bedürfnissen der Beschäftigten angepaßter Strukturen anderseits überschreiten darf. Sonst übersteigt der Energieverlust durch Informationsverlust ab einem gewissen Punkt sogar jede auch nur denkbare Produktivität, das heißt: Ein Apparat der wächst verursacht ab einem gewissen Punkt NUR NOCH Kosten, und bringt überhaupt keinen Nutzen mehr. Er wird zum Krebs einer Gesellschaft, und ist das sicherste Zeichen der Naturwidrigkeit des Zentralismus selbst.
Jede Abstraktion eines Zueinander, als Ablauf, als Funktionsprocedere, ist immer ein immenser Verlust an Information. Darin gründet übrigens die Forderung nach einem "freien Markt", genau dies ist das Argument Ludwig von Mises GEGEN den Zentralismus und vor allem gegen einen wirtschaftspolitischen Etatismus.
In der Zusammenlegung sämtlicher Ordnungskräfte Österreichs ist aber nicht nur eine eklatante Stärkung des Bundes-Innenministeriums, also der Zentralpolitik des Staates erfolgt. Der Zentralismus bringt noch einen weiteren Effekt - den der Korruption. Je mehr dem Bürger die eigentlichen Staatsmächte aus der Hand genommen werden, desto mehr blüht die Korruption, die nun ersetzen soll, was zuvor durch "menschliche Ränder" erreicht worden ist.
Die in den letzten Jahren bekanntgewordenen Fälle des Versagens dieser Stellen, die Korruptionsverdachtsmomente, die aufgetaucht sind, der Geruch eines von einer Partei zentral dominierten, gelenkten und für ihre Zwecke leicht adaptierten" Polizeiapparates ist immer aufdringlicher geworden.
Aber die Abstraktion, die eine wie jetzt bundesweit organisierte Polizei bedeutet, macht den Beamten vor Ort zu einem wurzellosen Rad einer Funktion im Rahmen einer Gesamtmaschinerie, die ihre Aufgaben selbst von den Menschen löst, also auch Gesetzen - und das ist unbedingt notwendig, denn Gesetze werden von einer Wertegrammatik der Bevölkerung bei weitem übertroffen, und treffen das Werteempfinden der Menschen stets nur annäherungsweise - einen rein buchstäblichen Sinn auferlegt.
Von Personalproblemen sei dabei ganz abgesehen. Denn ein Apparat für fünfzehntausend Polizisten wird niemals jene sozialen Angepaßtheiten möglich machen (will er sie nicht für einen Großteil der Beamten, die es gar nicht betrifft, viel zu großzügig machen) die eine lokal organisierte Stelle, die den lokalen Verwaltungs- und Politik-Behörden (so war die Stadtpolizei etwa ein Organ des Rathauses mit seiner gewählten Führung) unterstellt ist, zu bieten hat. Es wäre interessant, aber den persönlichen Meldungen nach zu schließen, wie ich sie erhalten habe, ist nicht nur die Unzufriedenheit der Exekutivbeamten mit ihrem Beruf deutlich gestiegen, sondern auch die Kritik an den Arbeitsvorgängen dramatisch gewachsen.
Fast die Hälfte der Zeit muß heute ein Exekutivbeamter (je näher am Geschehen desto mehr) mit Verwaltungsarbeiten verbringen, sodaß die Polizei auf der Straße fehlt. Einer ihrer Hauptfunktionen aber ist schon lediglich die Anwesenheit, das "damit rechnen" der Menschen.
Und - das Wissen, daß der persönliche Umgang mit den (meist persönlich mit der Bevölkerung bestens bekannten) Exekutivbeamten praktisch immer eine Verbesserung einer brenzeligen Situation mit sich bringt. Schon alleine, weil man mit den Beamten "reden" kann. Man hat sich vor der Polizei und vor allem vor der Gendarmerie nicht gefürchtet, ich habe es selbst erlebt. Nicht nur, weil mein Bruder einer der ihren war, hatte ich stets den Eindruck, daß die Beamten vor Ort jenen notwendigen "Menschlichkeitspuffer" zwischen Gesetzesbuchstabe und menschlichem Verfehlen um eine Situation legen konnten, der praktisch immer deeskalierend wirkte, ohne seine Ernsthaftigkeit (wenn es darauf ankam) zu verlieren.
Morgen Teil 2) Wie wir die Prügelpolizei begrüßt haben. Wie die Exekutive eine fremde Identität annahm, ohne daß wir es merkten. Denn das Wirkliche ist unsichtbar.