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Sonntag, 26. Dezember 2021

Krieg gegen das Volk

Von Großfürst Alexander, dem Schwager des Zaren Nikolaus II., stammt der Ausspruch, daß die (russisch-)bolschewistische Revolution das erste Mal in der Geschichte sei, daß eine Revolution nicht von unten heraus geschehen sei, sondern von oben. Daß sich eine Regierung (der Bolschewisten) etabliert habe, die einen Krieg gegen das eigene Volk führe.

Geirrt hat sich der Fürst nur darin, daß dies das erste Mal sei. Historisch ist keine Revolution je anders gelaufen, denn als Putsch der einen Führungsschichte (die sich aber benachteiligt sah) gegen die herrschende, sodaß jede Revolution der gewaltsame Aufruhr der Neider ist, mit dem Neid als eigentliches Motivans auch des aufgehetzten Volkes. Sofern das alles noch eine Revolution ist - und nicht eine Rebellion. 

Hier haben wir es sogar mit legitimen Reaktionen der Menschen, eines Volkes zu tun, als Aufbegehren gegen das eigene Leben zu verhindernde und beschädigende Verstöße (in deren Feststellung, als Verkünder des wahren Menschenbildes, die Priester ihre Rolle spielen; auch hier: immer, sodaß es nur die Frage ist, WER diese Priester sind, die heute so scheinbar undurchschaubar gemacht wurde, als wäre deren Stuhl unbesetzt; das ist er nicht, wir haben nur andere Priester, eine andere Religion an der Macht) gegen die personalen Rechte, somit gegen die natürliche (als gottgegebene bzw. in der Transzendenz verankerte, von dort auch hervorgehende) Ordnung und somit zum einzelnen Lebensvollzug notwendige, wesensgemäße hierarchische Gefügtheit eines sozialen Organismus aufsteht. 

Dazu hat das Volk jedes Recht, und dieses Recht kann und darf ihm nie genommen oder beschnitten werden, will man nicht dem dann unvermeidlichen Bürgerkrieg die Bahn ebnen. Und nur in diesem Rahmen, also auch mit den daraus folgenden Beschränkungen (!), hat auch das Sinn, um das es angeblich allen geht: Meinungsfreiheit, die nicht nur als Willkür und das Recht auf Ordnungslosigkeit, sondern noch dazu mit "unterschiedsloses, vom Stand gelöstes Recht auf Veröffentlichung der Meinung" verwechselt wird.

Sonst stimmt die fürstliche Aussage. Die beschreibt, was auf die Zusammenbrüche Europas ab 1914/18 folgte, als ganz Europa irreversibel aus den Fugen geriet. Wir haben im letzten Jahrhundert mehr und mehr erlebt, wie sich der Charakter der Regierungen (weil der Politik generell) zu einem Kampf gegen die Menschen entwickelt hat. Es begann an einzelnen Punkten und allmählich, aber es hat sich zu einem immer mächtigeren, dynamischen und gewaltsameren Gestus entwickelt, in dem sich Politik und Macht so versteht: Als Vermögen, die Menschen, die sie in immer intimere, persönlichere, kleinere Lebensvollzüge verfolgen und bestimmen kann, damit nach Bildern eines "neuen, besseren Menschen" umzuformen. 

Erst durch stille Zwänge, die als autoritäre Gesten im Volk selbst eine Eigendynamik der vorauseilenden Selbsterfüllung bekommen (denn das Öffentliche, Allgemeine ist Teil des individuellen Menschseins, Teil der Persönlichkeit des Einzelnen, auch in seiner Wesensbestimmung als Hinordnung auf eine über ihm stehende - PERSONALE! - Autorität*), dann durch immer weiter ausgebaute, schließlich offen zutage tretende Zwänge² der Staatsmacht.** 

Und all das begann mit dem Aufbrechen aller gewachsener, dem Wesen und also der Natur des Menschen entsprechenden Organe und Organismen eines gesellschaftlichen Ganzen. Vom Staat und dem von ihm durchgesetzten und immer weiter ausgebauten Zentralismus her, über die ehedem föderalen Gebilde von Ländern und Gemeinden hin, die immer weniger über ihr Leben und Schicksal selbst bestimmen konnten, bis zum vorletzten Coup, dem Aufbrechen der Familien. Den letzten Coup landete der revolutionäre Geist in der Zerstörung der menschlichen Identität überhaupt. 

Denn der Mensch wird er selbst erst in der Zweisamkeit von Mann und Frau. Diese Aufeinander-Verwiesenheit selbst als das eigentliche Menschwerdungsmoment ist heute bereits zerstört. Der seiner selbst beraubte Mensch streift nun verzweifelt und hilflos über eine Erde, die ohne Menschen zu einer Wüste wird, in der Gewalt und Tod herrscht. 


*Auch das ein Irrtum der Gegenwart, der weitreichende und dramatische Folgen hat. Den aus der die Welt in simple rationale Ursache-Wirkungs- und damit Maschinenverhältnisse auflösende Technizisten zu glauben, daß es so etwas wie eine strukturelle Autorität gäbe. In der keine Person als Innehaber der Bestimmungsgewalt notwendig, ja eine solche sogar unerwünscht sei. Eine simple Lüge, die verschleiern soll, daß Struktur immer nur IN Personen real und wirksam ist, und daß diese Strukturen in einer Zentralfigur, einer Führungsperson zusammenlaufen. 

Kein Glied von Strukturen, das sich nicht auf ein über ihm stehendes Autoritätsverhältnis beruft, und nur von dort kommt die Macht des kleinsten Beamten und Staatsangestellten oder vom Staat Beauftragten. Die alle sich wiederum auf eine Person beziehen: Die wahre Machtfigur. den Herren über die Gesetze (durch die Macht, den Ausnahmezustand zu verhängen, als das chaotische Gebräu der Weltenschöpfung durch Schöpfung von Gesetzen=logos=Grammatik des Lebens.) 

Hier, in dieser immer ganz realen, konkret vorhandenen Zentralfigur (und sei sie noch so schwach), über deren Konkretion wir insofern und oft genug nur noch rätseln dürfen, als diese Figur selbst - weil im Grunde durch nichts legalisiert, als einer Behauptung, aber keine Behauptung kann sich aus sich selbst heraus halten, sie ist nur existenzfähig durch einen transzendentalen, über sie hinausweisenden Bezug - von anderen, nicht erkennbaren Figuren (Personen) gelenkt bzw. beherrscht wird. Umso mehr wird seitdem von Transparenz gefaselt, als die wirklichen Machtverhältnisse (die somit verborgene Gewaltverhältnisse sind) öffentlich kaum oder gar nicht mehr erkennbar sind. 

²Diese Änderung des Charakters des Staatswesens, der zum Zentralismus wird (und darin besteht gar keine Alternative, es WIRD aus ontologischen Gründen so) hat, wie Karl A. Wittfogel in seiner immer noch frischen Studie als historische Konstante gezeigt hat, von einer Regierung eingeleitet, die große, ganz handfeste Infrastrukturen aufbaut. 

Ob das nun die Bewässerungsanlagen und Dammwerke in Babylon gewesen sind, oder - das waren die analogen historischen Projekte bei uns - die Errichtung von Eisenbahnen (deren sich der Staat bemächtigte oder - weil es Private nicht mehr stemmen konnten - "mußte", weil die Privatinvestition "too big to fail" wurde, also nicht fallen durfte, weil sonst das Ganze in Gefahr zu geraten schien), der Wasserversorgung, und vor allem dann der Versorgung mit Elektrizität, in deren Gefolge die Kommunikationseinrichtungen standen. Alles das eben, was das explosionsartige Wachstum der Städte weit mehr vorantrieb als ordnete. Nicht vergessen werden sollte aber auch das Militär, die der neuen Natur der Kriege als Volks- und Vernichtungskriege nicht entsprach, sondern diese schuf. Etwas, das wir definitiv Napoleon "verdanken".

**Die darin um ihren Bestand kämpft, das sollten wir nicht vergessen. Gewalt ist immer ein Zeichen fehlender Realität in den Regierten. Die meist mit "fehlendem, aber gesolltem Bewußtsein" begründet wird, um ein höheres Ziel (über das letztlich nur noch die Autorität selbst Bescheid weiß) zu erreichen, das man dann Gemeinwohl nennt. Ein Begriff, der damit umgedeutet wird. Denn Gemeinwohl muß davon ausgehen, daß im Grunde jeder Mensch sein Leben so weit wie überhaupt möglich selbstbestimmt und ungestört (vor allem das: Ungestört!) vollziehen und sein Selbstsein (zu dem auch Besitz gehört, der wiederum die Grundlage von Verantwortung, in deren Rahmen wiederum das Soziale als Verbindlichkeitssystem besteht - oder nicht) realisieren kann. Übergeordnete Autoritäten können und dürfen nur vollziehen (man nennt dies Subsidiarität) was dem Einzelnen IN DER AUSRICHTUGN AUF DAS EINZIGE, was das Leben überhaupt ausmacht: Sinn, logos, Wahrheit und damit Freiheit als Möglichkeit zur Vernunft noch fehlt. Was wiederum aber in erster Linie heißt: Was ihm hinderlich sein könnte! Eine Regierung hat also auch dem beherrschten Volk nicht vorzugeben, WOHIN es sich zu entwickeln habe. 

Dieses Verständnis der Subsidiarität ist heute aber um 180 Grad auf den Kopf gestellt. Heute wird es so verstanden, daß der Einzelne ZU VOLLZIEHEN HAT, was ihm der Staat, der nicht mehr Hüter, sondern Schöpfer des Gemeinwohls werden soll, auferlegt, und von Staatsorganen selbst nicht getan werden kann.