Er hat ihn auch jetzt schon gesehen, und es ist ... nein, es ist etwas verloren gegangen. Goodman ist ein anderer Typ geworden. Fast möchte man sagen: Ein Durchschnittstyp. Zumindest einer, den man meint öfter mal zu sehen. Wer sich die nun in der Kronen Zeitung, dieser Spielwiese des vermutlich übelsten Hedgefondmißgeburt Mitteleuropas, dieser (auch deshalb; denn solchen Leuten ist alles nur Mittel zum Zweck, der wie ein Kuckucksjunges den Sinn aus dem Nest wirft) obersten und dreckigsten der Erziehungsanstalten Österreichs (ja, es geht noch widerlicher als Österreich/oe24), diesem "Land ohne Zeitung", veröffentlichten Bilder "vorher/nachher" ansieht, wird des VdZ Einschätzungen nachvollziehen können. Man denkt sich als Dicker schon mal, was man denn sonst noch alles hätte machen könnte, hätte man 30, 50 oder 90 Kilo weniger, wie Goodman "vorher". Man denkt freilich nie daran, was man dann verlieren und was man zerstören würde: Die Ganzheit.
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Der neue Goodman wirkt, als wären von seiner Geschichte nur die Spuren geblieben, aber nicht die Geschichte selbst. Er erhält nun etwas ganz anderes. Etwas, das nur noch indirekt mit ihm und seiner Gestalt zu tun hat, die nun beliebig geworden ist. Vor allem auch anders als er dachte: Eingeschränkter.
Denn die Zunahme an Volumen ist ja nicht grundlos geschehen. Es war nicht, wie Goodman an einer Stelle einmal erzählte, das zu viele Trinken und zu späte und unregelmäßige Essen von allem, was da am Teller lag - es war sein Leben. Es war alles, was er erlebt hat, die Art, wie er sich der Welt gegenübersah, die Verwundbarkeit und Verletzlichkeit, die er zu verbergen und zu überstehen suchte. Aus keinem anderen Grund wird jemand dick, und sogar die Disposition dazu ist seine Substanz, weil in einer langen Geschichte der Vorfahren begründet.
Das alles ist in seinen Rollen mittransportiert worden. Seine Figuren (die keineswegs ins Klamaukische abdrifteten, sondern wenn dann richtig gute Komödie waren, man denke an "Brother where are't you" von den Coens) sodaß er wie bei gutem Schauspiel nichts mehr "machen" mußte, sondern das Licht genügte, das man auf ihn warf. Durch die Geschichte, die Dialoge, die Situationen, die Kostüme etc. etc. Es mag sein, daß Goodman nun gewissen Kriterien besser genügt, vielleicht finden ihn manche sogar "fescher". Aber was den heutigen Waschbrett-Nichtsen reicht, was angeblich gefragt und gewollt ist, ist nicht mehr als der Brandgeruch des Niemandslandes, der Nicht-Persönlichkeiten, der faden Figuren mit ihren noch faderen Lebensgeschichten, die sie mit noch so viel Geld nicht auf "interessant" aufzupeppen vermögen, gleich wie oft sie nach Honduras oder China oder Lesotho im Süden Afrikas geflogen sind, gleich wieviele Abenteuerurlaube, Heli-Skiings und Ukraine-Fronterlebnisse sie hatten.
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Wenn es keine dicken Schauspieler mehr gibt - wer soll dann noch Dicke spielen? Wer noch das Leben aufblitzen lassen können, wenn der Scheinwerfer es zeigen soll? Wem bleibt noch das Originale in die Fasern gemeißelt? Oder heißt das, das auch in Filmen und auf den Bühnen bald nicht mehr das Leben, sondern nur noch Gesolltes und Moralistisches kommen wird? Geimpft und gefastet, sozusagen? Aber vielleicht werden Schauspieler der Zukunft ohnehin nur noch KZ-Insassen spielen müssen.
Und jeder Hamlet und jeder Faust zum asthenischen Gruß, zu dem sich Geist umdeuten will. Der seit je eine Frucht der Wunden war. Weisheit ist noch nie auf dem Acker der Gefälligkeiten gewachsen.
Und das Wunder der Erlösung durch den Sohn Gottes wuchs aus der Entstelltheit des schönsten Gesichts, das die Welt je gesehen hat. In der Betrachtung dieser Verwundetheit liegt das Heil, nicht in zeitgeistiger Geilheit, wie die Juden wollten. Die dem Sohn Gottes ja mit aller Klugheit der Welt ein perfekteres Marketingstrategem empfohlen hatten.
Aber es ist der Entstellte, der Verwundete, der Zerschlagene, auf dessen Leib die Schläge der gefallenen Welt eingeprasselt waren, an dessen Anblick wir genesen. Der jenes Bild in den Kreislauf der Welt einspeiste, aus dem ihre Botschaft aneinander - die eine Botschaft des Seins ist - zu einer Mitteilung der Erlösung wurde: Im Antlitz des Gekreuzigten.
Was aber wäre Drama, dieser einzige Legitimationsgrund für weltlich-kulturale Kunst, die eben nicht Sakrament ist, als das Zeigen des Schönen unter all dem Schutt, unter all dem Schmerz der Welt? Warum meint der Leser, hat sich unsere Kultur dazu entschieden, einen entstellten Erlöser als Symbol zu wählen, das überall hängt und aufgestellt ist? Das Kreuz, den Gekreuzigten, den Geschmähten und Geschändeten.
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Heute wirkt John Goodman wie jemand, dem nur die Falten geblieben sind. Das, was sie aber ausmachten, das was sie trug und stützte und zu einem "runden Menschen" machte, das hat er sich heruntergehungert. Und damit das verloren, was an ihm so liebenswert war, selbst wenn er ein Ekel darstellte: Daß er - obwohl so "dick" - einer der beliebtesten Schauspieler war, der deshalb so hohe Gagen kassierte, weil man sich einen Film nur wegen ihm angesehen hat. Weil er gezeigt hat, wie unter allen Wunden das Schöne durchschimmerte, das immer mit dem Schmutz der Welt und des Bösen ringt.
Sein Blick wirkt nun unsicher, und wohl nicht ohne Grund. Denn wem die Geschichte fehlt, dem fehlt seine Identität, sein Stand, sein Sosein in der Welt. Kann es aber einen größeren Irrtum geben als zu meinen, daß man dann, ohne Geschichten, ein besseres, volleres Leben führen kann?
Ob der VdZ Goodman weiterhin als Schauspieler lieben wird? Aus dem zuletzt gesehenen Film, mit einem "schlanken" Goodman (der als er kaum zu erkennen war) - nein. Als Studienobjekt - ja, vermutlich. Und sei es, weil man selbst in dieser schlanken Rolle den dicken Goodman sah und erlebte. Der sie genauso als Dicker hätte spielen können, ja mehr: Schlankheit war nicht nur kein Merkmal dieser Spielfigur, der frühere Goodman hätte sie besser gespielt. Der ohnehin die ganzen zwei Stunden wie jemand wirkte, der mit tiefem Seufzen nach rückwärts schielte, nach seinem wahreren Ich, das gewisser Kriterien willen geopfert worden war.
Und weil es vorerst zumindest interessant ist zu sehen, ob nicht doch eines baldigen Tages die Geschichten wieder zurückkehren, und der Mann wieder rund wird. Weil es solche Menschen einfach gibt, und zwar oft und häufig, gerade heute, und weil sie so typisch sind. Und fast möchte man deshalb hoffen, daß Goodman die Fülle zwischen den Gestellschrauben und -stangen, die nun zurückgeblieben sind, wiedergewinnen wird.
Auch wenn es exakt zu jener Persönlichkeit paßt, die ihn dick werden hat lassen, daß er nun versucht, so dünn wie möglich zu werden, um besser zu gefallen. Denn ob es seiner Gesundheit zuträglich ist, wie er gewiß meint und wie man es ihm gewiß sagt, darf bezweifelt werden. Es würde nicht zu seiner Geschichte passen, in der ihn das Leben und die Welt wund und voller Ecken und Winkel geschlagen hat, was er mit etwas mehr Fett, diesem Geschmack der Welt (wie jeder Koch weiß), auszufüllen versuchte.
Aber so ist es eben heute, man muß es wieder einmal so sagen. Die Welt wird auf Gerüste von angeblichen Funktionen reduziert, die "besser" seien. Das aber, was die Welt in die dritte Dimension und darüber hinaushebt, all die Geschmäcker, Farben, Gerüche und Töne, die physikalisch nicht einmal meßbar sind und doch das Wesen der Dinge weit mehr bestimmen als die angebliche "Physik".
Wer könnte sagen, warum es ausgerechnet dieses eine Rot ist, das den Frosch zu einem Liebhaber macht? Ausgerechnet dieser eine Ton, der den Rohrpfeifer zum gefährlichen Rivalen? ausgerechnet dieser Geruch, der die Hündin zur abweisenden Megäre? ausgerechnet diese Gestalt, der den Mann zum begehrten Gatten und Vater macht? ausgerechnet diese Gestalt zur Figur, der die Umgebung sofort Autorität beimißt, ohne daß noch ein Wort geredet ist?!
Als ob das Wesentliche der Welt ganz weit jenseits der Physik hauste. Als ob wir heute aber das Wesentliche aus dieser Welt ausschließen wollten, um sie so kontrollierbarer und gefügiger machen zu wollen. Man weiß gar nicht - soll man das bedauern? Oder soll man sich darüber lustig machen? Oder nur noch den Kopf schütteln, daß wir in einer Zeit leben, in der die Welt aus der Welt gekippt wird, um ... um was? Um sie lebbarer zu machen?
Oder nur, um sie einer Vorlage entsprechend zu stanzen, die wir uns zusammendenken, weil wir gar nicht mehr die Organe dafür erzogen haben, sie in ihrer Vielfalt und Fülle - Fülle! - wahrnehmen und lieben zu können? Weil wir ihre Geschichten nicht mehr wollen, sondern alles Vergangene eliminieren, um dann endlich den neuen Menschen, die neue Welt, ohne Last und ohne Schaden, ohne Erbsünde und ohne Fehler "der anderen" schaffen zu können?