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Donnerstag, 26. Mai 2016

Es war das letzte mal (2)

Teil 2) Es gibt aber noch einen Verlierer




Es gibt freilich noch einen Verlierer, auch der weiß es noch nicht. Und das ist die Kirche. Für sie gilt Ähnliches wie für die ÖVP, beide waren im Grunde kaum je trennbar. Durch ihre mehr oder weniger offene Parteinahme für einen roten Bundespräsidenten hat auch sie ihr eigentliches Klientel, ihre eigentlichen Lebensträger (und zwar im wahrsten Wortsinn) als Höhepunkt einer langen Geschichte vor den Kopf gestoßen und ist ihnen in den Rücken gefallen. Kardinal Schönborn erklärte van der Bellens ideologische Ausrichtung gar zur Nebensache, wichtiger seien nämlich Internationalität und Migrationsoffenheit. Tat also ganz so, als wäre die Aufgabe eines Bundespräsidenten von weltanschaulichen Fragen trennbar, neutralisierbar, was natürlich eine Lüge ist, denn daß das nicht möglich ist muß Schönborn wissen. Gerade etwa mit der Migrationsfrage sind ja immense weltanschauliche Fragen verbunden, das sehen die Menschen (beider Lager) sehr richtig. Womit Schönborn die Kirche ideologisch klar positioniert hat, und ihm folgte ein langer Rattenschwanz an offiziöser Katholizität. Zukünftig ist aber damit der Katholik mit Hausverstand (und eigentlich ist das der Katholik) nicht mehr mit Kirche und ÖVP identitär geeint, sondern er muß sich mit den 1848er-Bewegungen irgendwie anfreunden. Die ihn zumindest nicht verprellen. Die aber derzeit alternativlos als gesellschaftliche Wirkeinheit für ihn sind. Die Kirche hat also haargenau dieselben Korosionserscheinungen vorzuweisen, wie sie die ÖVP zerbröselt haben. Das wird auch in der Kirche schwer nachwirken.

Nur ein kleines Beispiel dazu: Der VdZ hat die Wahlergebnisse der Gemeinden Niederösterreichs angesehen, von denen er aus seiner Tätigkeit für die Diözese schon 1993-95 ungefähr weiß, wie die Männer dort denken und fühlen. Das stand schon damals in straffem Gegensatz zu der Ausrichtung der sie angeblich vertretenden Hauptgremien, die im Grunde tiefrot waren. Eine Erscheinung der ganzen Kirche. Damit war auch dafür gesorgt, daß nachrückende Führungskräfte aus dem (sagen wir halt so:) konservativen Lager (also dem eigentlichen katholischen Lager) zunehmend ausblieben, und das waren oft die führungsbewußtesten Männer. Bestenfalls frömmlich-weichgekochte Männer waren diesem Lager mit viel gutem Willen zuzuordnen, sie rückten auch da und dort nach, hatten aber keine Kraft. 

Nun ist bei allen diesen vielen Gemeinden zu beobachten, daß diese Kluft noch bedeutend größer geworden sein dürfte. Denn gerade die Gegenden, in denen die Katholische Männerbewegung (Teil einer KA, die eine Wahlempfehlung für den linken Kandidaten abgab) am stärksten (und am konservativsten) gewesen ist, zeigen das deutlichste Votum für den Kandidaten der FPÖ, Norbert Hofer. Auch sie also müssen sich nun alleinegelassen fühlen, auch sie werden nach neuen Dächern ihrer Identität suchen müssen. Denn in der Niederlage haben sie ein Identitätserlebnis erfahren. Nach der EU-Frage, in der die Kirche bereits unverantwortlich falsch gespielt hat, denn diese erwähnen Männer und Schichten gehören zu den Verlierern (gewonnen haben schon damals nur die Linken, eben jene Schichten, die nun hinter van der Bellen standen), der nächste schwere Fehler.*

Somit steht das gesamte Lager der katholisch-christlich-sozialen Bürger dieses Landes in einer eigenartigen Situation: Es fehlt ihnen an einenden Figuren und politischen Kräften, die sie vertreten. Sie sind von ihren Führern, denen sie so lange die Treue hielten, denn ein Katholik hat die Institutionentreue gewissermaßen im Blut, er braucht sehr sehr lange, ehe er seine Institution verläßt, endgültig im Stich gelassen worden. So gut wird auch van der Bellen niemals "allen gerecht" werden können, wie er versprach, es wird ohne Zweifel zu ausreichend Situationen kommen, in denen sich seine ideologische Herkunft und Zuordenbarkeit eindeutig erkennen lassen wird - die den "anderen" ihre erlittene Niederlage und Ohnmacht präsent hält.

Und das Wort endgültig scheint hier berechtigt, weil die Schwere der anstehenden Probleme und Entscheidungen für viele - und gerade für diese - Menschen existentiell erscheint. (So, wie es ja ihre ideologisierte Gegnerschaft, die Linke sah.) Denen auch nicht egal ist, ob ein christlich geprägtes Land seine Grundidentität durch Umprägung in Multi-Religionen-Brei aufgibt. Natürlich, diese Fragen sind von einem Bundespräsidenten gar nicht zu lösen, bei allem, was man ihm an Notwendigkeit und Einfluß zugestehen mag, aber man hat selbstverständlich (und das ist nicht nur diesmal der Fall gewesen) diese Lebensgrundfragen in ihnen tief berührt gesehen. 



Morgen Teil 3) Weil es hier um Identitätsfragen geht





*240516*