Teil 2) Es gibt aber noch einen Verlierer
Es
gibt freilich noch einen Verlierer, auch der weiß es noch nicht. Und
das ist die Kirche. Für sie gilt Ähnliches wie für die ÖVP, beide waren
im Grunde kaum je trennbar. Durch ihre mehr oder weniger offene
Parteinahme für einen roten Bundespräsidenten
hat auch sie ihr eigentliches Klientel, ihre eigentlichen Lebensträger
(und zwar im wahrsten Wortsinn) als Höhepunkt einer langen Geschichte
vor den Kopf gestoßen und ist ihnen in den Rücken gefallen. Kardinal Schönborn
erklärte van der Bellens ideologische Ausrichtung gar zur Nebensache, wichtiger seien nämlich Internationalität und Migrationsoffenheit. Tat also
ganz so, als wäre die Aufgabe eines Bundespräsidenten von
weltanschaulichen Fragen trennbar, neutralisierbar, was natürlich eine
Lüge ist, denn daß das nicht möglich ist muß Schönborn wissen. Gerade etwa mit der Migrationsfrage sind ja immense weltanschauliche Fragen verbunden, das sehen die Menschen (beider Lager) sehr richtig. Womit Schönborn die Kirche ideologisch klar positioniert hat, und ihm folgte ein langer Rattenschwanz an offiziöser Katholizität. Zukünftig
ist aber damit der Katholik mit Hausverstand (und eigentlich ist das der Katholik) nicht mehr mit Kirche und ÖVP identitär geeint, sondern
er muß sich mit den 1848er-Bewegungen irgendwie anfreunden. Die ihn
zumindest nicht verprellen. Die aber derzeit alternativlos als
gesellschaftliche Wirkeinheit für ihn sind. Die Kirche hat also haargenau dieselben Korosionserscheinungen
vorzuweisen, wie sie die ÖVP zerbröselt haben. Das wird auch in der Kirche schwer nachwirken.
Nur
ein kleines Beispiel dazu: Der VdZ hat die Wahlergebnisse der Gemeinden
Niederösterreichs angesehen, von denen er aus seiner Tätigkeit für die
Diözese schon 1993-95 ungefähr weiß, wie die Männer dort denken und
fühlen. Das stand schon damals in straffem Gegensatz zu der Ausrichtung
der sie angeblich vertretenden Hauptgremien, die im Grunde tiefrot
waren. Eine Erscheinung der ganzen Kirche. Damit war auch dafür gesorgt,
daß nachrückende Führungskräfte aus dem (sagen wir halt so:)
konservativen Lager (also dem eigentlichen katholischen Lager) zunehmend
ausblieben, und das waren oft die führungsbewußtesten Männer.
Bestenfalls frömmlich-weichgekochte Männer waren diesem Lager mit viel
gutem Willen zuzuordnen, sie rückten auch da und dort nach, hatten aber
keine Kraft.
Nun
ist bei allen diesen vielen Gemeinden zu beobachten, daß diese Kluft
noch bedeutend größer geworden sein dürfte. Denn gerade die Gegenden, in
denen die Katholische Männerbewegung (Teil einer KA, die eine
Wahlempfehlung für den linken Kandidaten abgab) am stärksten (und am
konservativsten) gewesen ist, zeigen das deutlichste Votum für den
Kandidaten der FPÖ, Norbert Hofer. Auch sie also müssen sich nun
alleinegelassen fühlen, auch sie werden nach neuen Dächern ihrer
Identität suchen müssen. Denn in der Niederlage haben sie ein
Identitätserlebnis erfahren. Nach der EU-Frage, in der die Kirche
bereits unverantwortlich falsch gespielt hat, denn diese erwähnen Männer
und Schichten gehören zu den Verlierern (gewonnen haben schon damals
nur die Linken, eben jene Schichten, die nun hinter van der Bellen
standen), der nächste schwere Fehler.*
Somit
steht das gesamte Lager der katholisch-christlich-sozialen Bürger
dieses Landes in einer eigenartigen Situation: Es fehlt ihnen an
einenden Figuren und politischen Kräften, die sie vertreten. Sie sind
von ihren Führern, denen sie so lange die Treue hielten, denn ein
Katholik hat die Institutionentreue gewissermaßen im Blut, er braucht
sehr sehr lange, ehe er seine Institution verläßt, endgültig im Stich
gelassen worden. So gut wird auch van der Bellen niemals "allen gerecht"
werden können, wie er versprach, es wird ohne Zweifel zu ausreichend
Situationen kommen, in denen sich seine ideologische Herkunft und
Zuordenbarkeit eindeutig erkennen lassen wird - die den "anderen" ihre
erlittene Niederlage und Ohnmacht präsent hält.
Und das Wort endgültig scheint
hier berechtigt, weil die Schwere der anstehenden Probleme und
Entscheidungen für viele - und gerade für diese - Menschen existentiell
erscheint. (So, wie es ja ihre ideologisierte Gegnerschaft, die Linke
sah.) Denen auch nicht egal ist, ob ein christlich geprägtes Land seine
Grundidentität durch Umprägung in Multi-Religionen-Brei aufgibt.
Natürlich, diese Fragen sind von einem Bundespräsidenten gar nicht zu
lösen, bei allem, was man ihm an Notwendigkeit und Einfluß zugestehen
mag, aber man hat selbstverständlich (und das ist nicht nur diesmal der
Fall gewesen) diese Lebensgrundfragen in ihnen tief berührt gesehen.
Morgen Teil 3) Weil es hier um Identitätsfragen geht
*240516*