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Freitag, 13. Mai 2016

Morgenröte einer Kirchenspaltung

Eigentlich war die Fragestellung, zu der die von Jesuiten geführte Fordham University in New York fünf führende Intellektuelle aus dem Raum der Kirche eingeladen hatte, ob denn "dieser Papst überhaupt katholisch sei." Wie schon mehrmals festgestellt - Disput wird in den USA deutlich offener geführt als in Europa. 

Aber die Frage spitzte sich rasch zu. Und es offenbarte sich ein dieser Frage zugrundeliegender Konflikt, der offenbar dabei ist, seine Schärfe zu gewinnen, die es seit vielen Jahrhunderten nicht gab. Denn klar gab es in Teilfragen immer Disput und Meinungsdifferenzen, aber der Kern blieb unangetastet. Aber nun wird die Frage sehr virulent, was denn ÜBERHAUPT der Katholizismus sei. 

Wer sich regelmäßig im kirchlichen Bereich bewegt wird zustimmen, daß diese Frage seit vielen Jahren virulent ist, und daß es niemanden mehr gibt, daß niemandes Autorität noch ausreicht, um sie zu entscheiden. Zu sehr haben sich Praktiken festgesetzt, die defacto bereits von verschiedenen Kirchen sprechen lassen müssen und die oft nur noch ein letzter Rest nomineller Dogmatik zusammenhielt, den alle Lager gerade noch zu respektieren suchten. Auch wenn viele Fragen auf tief doktrinelle Konflikte zuliefen, scheute man doch diese anzutasten. Das hat sich mittlerweile geändert.

Denn auch dieser ist argumentativ bereits bis ins Mark aufgeweicht. Was wesentlich mit einer verschiedenen Methodik zu tun hat, mit der man an ihn herangeht, und der sich grob als "Praxis vs. Dogmatik" beschreiben läßt. Und man erlebt etwas ganz Seltsames: Vielfach ist man in der Wahrheitsfindung mehr oder weniger schon ganz auf sich allein gestellt, weil mittlerweile auch die höchste Autorität praktische Vorgaben macht, die dogmatische Konsequenzen haben, und die deshalb manche als gegen ihren Glaubenssinn stehend empfinden und als dogmatischen Konflikt sehen. 

Die einen erkennen jenes depositum fidei nicht an, auf das sich aber die anderen stützen. Und berufen sich auf eine oft bereits tief verankerte Orthopraxie, die in der Gewohnheit bereits anderen Glaubenssinn hervorgebracht hat, als ihn die anderen haben, suchen oder praktisch pflegen, und berufen sich auf genau diese Rückverweisung auf subjektiven Glaubenssinn als eigentliche Errungenschaft, zu der sie sich von offizieller Seite her sogar noch bestätigt fühlen.* Und die ihre Orthopraxie durchaus aggressiv durchzusetzen trachten.** Eine Kontinuität wird zwar behauptet, aber eben nur noch behauptet, und durch ausgewählte Zitationen "fundiert". Sie bleibt aber nominell. Unvereinbarkeiten zeigen sich aber spätestens in der Praxis. Und genau die wird von der anderen Seite - nennen wir sie "traditionell" - vielfach "aufgegeben" oder aufgeweicht, solange die Worte noch übereinstimmen.

Wovor viele Kritiker seit Jahrzehnten gewarnt haben, hebt sich aber nun zu voller Gestalt. Die liturgischen Veränderungen, die Veränderungen in der Seelsorge seit den frühen 1970er-Jahren haben einen anderen Glauben hervorgebracht.² So gut wie alles, was sich heute als Sichtweisen jener findet, die man als "modern" bezeichnen könnte, liegt nachweislich im Geist jener Liturgie und Seelsorgspraxis angelegt, die gepflogen wird.***

Wenn manche von drohender Kirchenspaltung sprachen, so ist dies vor diesem Hintergrund tatsächlich zu begreifen. Denn hier hat sich über Jahrzehnte eine latente, nun immer distinkter und damit größer werdende Kluft in der Interpretation des Katholizismus aufgetan, die unter diesem Pontifikat Unvereinbarkeiten ans Tageslicht gebracht hat, die tatsächlich auf eine Kirchenspaltung hinauslaufen müssen, wenn sie nicht aufgehellt werden können. Und daran glaubt eigentlich keiner mehr. Daran scheiterte auch das erwähnte Gespräch. Man kam schon prinzipiell zu keiner Einigung, weil man sich in den Kriterien nicht einigen konnte, was überhaupt Katholizismus sei. Und das zeigt ein außerordentlich ernstes institutionelles Problem an.





*Man täusche sich dabei nicht: Der Subjektivismus bringt in keinem Fall eine Stärkung der Autorität als Garanten der Einheit einer Gemeinschaft, sondern diese Autorität wird nur benutzt, um die eigene und persönliche Position im Konflikt zu stärken, ist ansonsten aber belanglos. Der Subjektivist sucht sich seine Autoritäten deshalb nicht selber, sondern er instrumentalisiert sie nur für Eigenzwecke. Autorität gibt es für ihn nicht mehr, jener bleibt also nur noch Autoritarismus.

**Lex orandi - lex credendi! Die Orthopraxie formt auch das Gesetz des Glaubens.

²Die Mutter des VdZ - in einfachsten Verhältnissen tief katholisch aufgewachsen - hat damals mehrfach betont, daß sie sich nicht mehr auskenne. Alles sei heute anders als sie es von früher kannte. Bis sie mit den Jahrzehnten unter dem Druck der Umgebungspraxis "umlernte", "modern" wurde, zumal sie Konflikte sowieso scheute und eine Opposition gegen die Zeit schon intellektuell niemals durchgestanden wäre. Noch in den späten 1990er Jahren drang man manchmal mit klaren Argumenten, mit Vernunft zu ihr durch, was Geduld brauchte. Und da war dann noch etwas wie ein geistiges Aufwachen festzustellen. Aber 2009 starb sie in tiefer Verwirrtheit, nachdem sie das Denken, die Vernunft endgültig aufgegeben hatte. Für diese einfache Frau waren die praktischen Anforderungen nicht mehr mit dem Denken in Übereinstimmung zu bringen.

***Der VdZ hat bereits mehrfach erzählt, daß er auf seinen zahlreichen Pfarrbesuchen Mitte der 1990er Jahre beobachtet hat, daß sich aus der Architektur der Pfarrkirche bereits feststellen ließ, welcher Glaubenssinn in den Männerrunden (die seine Aufgabe waren) anzutreffen war. Zwar nicht nur davon bestimmt - die Lebens- und Erwerbsweise etwa prägte ebenfalls den Glaubensstil -, aber es bestanden eindeutig Korelationen.





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