Die Erlösung "der Menschheit" durch den Opfertod Jesu Christi war nicht substituierbar durch eine Art von Wissen "jetzt weiß ich, wie böse die Menschen sein können", sondern ist in Jesus Christus ganz konkret und historisch geronnen und hat sich in dieser geschichtlich-realen Situation manifestiert. Nur so war Christus ganz Mensche und hat sein Opfer als zugleich Gott und Mensch in Gottes Geist hineingetragen. Jesus mußte also sterben, weil er so das Menschsein - in seinem Menschsein - ganz unterfangen konnte, erst im Tod das ganze Menschsein umfaßte und damit trug.
An den historischen Mitteln und Gegebenheiten liegt also das Kriterium der Vollwerdung jedes Menschen, auch wenn ihm nicht die Göttlichkeit selbst möglich ist. Aber in seinem Menschsein, in seinem Opfer der Hingabe wird er analog in das göttliche Geschehen der Trinität hineingenommen, abbildhaft, nicht seinshaft. In dieser Abbildhaftigkeit aber ist der Gnade Gottes das Tor geöffnet.
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Es braucht also für die dem Menschen mögliche schöpferische Lebensführung genau diese konkrete Historizität. Sie ist kein universalistisches, vom ganz realen Leben ablösbares ideal-idealistisches Geschehen, sondern braucht die Historizität als Ort der totalen Existenzialität (Levinas!) und damit als eigentlichen Vollzug der Sittlichkeit bzw. des Ethischen. Und zwar auch in allen Beschränkungen, die der jeweils konkrete Mensch an seinem Ort unterliegt. Aber zum einen braucht er diese Verortung, weil sonst Existentialität gar nicht möglich ist weil keine Historizität möglich ist, und zum anderen wird das ihm Höchstmögliche nur an diesem Ort überhaupt möglich real. Nicht die Maske selbst ist damit entscheidend, ihr Rang, ihre Stellung im Theaterraum Welt, sondern der Umstand, daß jeder der sie erhält und zu tragen hat - das ist ja Menschsein, als sich auf diese Maske hin zu überschreitende Existenz, denn sie ist sein Ort s. o. - sich ganz auf sie hin übersteigt, sich ganz auf sie wirft. Dieses sein Tun ist unerläßlich, daß sich im Welttheater Gottes Mosaik in all seiner Pracht entfalten kann, soweit es sich historisch eben entfaltet. (Was jeden Fanatismus also ausschließt, weil es auf andere Weise in diesem Tod der Selbstaufgabe gerade weil darin das Gewinnen des gewissermaßen in diesem Tod zusteigenden Selbst liegt, nicht machbar ist. Denn zwar liegt hierin eine gewisse Strukturalität, aber diese ist keine Methode, keine einsetzbare Technik.)
Vielmehr gilt, daß der Einbruch der Gnade in der Gleichförmigkeit zum (immer historisch relativen) göttlichen Willen (aus dem göttlichen Wissen) jeweils nur soweit passiert, als der Tod, die Hingabe reicht. Nur das wird also wirklich schöpferisch, das durch die Hingabe umfaßt wird. Soweit der Tod reicht - soweit wird Welt schöpferisch als je neu. Dort, wo der Mensch "bei sich" bleibt, bleibt auch Welt in sich gefangen, bleibt also auch eine zeitliche Gegenwart epigonal, wird nicht neu, sondern bleibt statisch, und fällt damit zurück. Wo also eine Kultur diese Hingabe verliert, und soweit sie sie verliert, fällt sie zurück, verliert ihre Vitalität.
Der "kleine Tod" (s.u.) wird keineswegs überraschend also dort vermehrt gesucht, in seiner weltimmanenten Hervorrufbarkeit, wo das schöpferische am Entschwinden ist. Damit sind die Zusammenhänge zwischen überbetonter Sexualität (wie heute) und kultureller Kraft verdeutet. In der Sexualisierung, im Herabdrücken des Sexualaktes zum banalen weltimmanenten, nur auf das subjektive Gefühl bezogenen Akt drückt sich nämlich vieles aus, und dieses Stadium steht nicht zufällig immer am Ende der Geschichte einer Kultur. Hier wird das in der Intuition sehr richtig als fehlend erfahrene schöpferische Element "magisch" nachgebildet, bleibt aber in dieser Hinsicht befriedigungs- und ergebnislos, weil ihm die Öffnung der Transzendenz fehlt. DARIN liegt der eigentliche Grund für den Rückgang von Geburtenraten, auch er typisch für Endstadien.
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