Es ist natürlich eine interessante Frage, die die Agenda Austria da in einer ihrer gar nicht seltenen Schnapsideen stellt: Denn zwar nähert sich der nächste Tag der Zahlungsunfähigkeit Athens, aber die Frage nach einem Schuldenschnitt muß sich der Frage stellen, ob denn Griechenland wirklich unzumutbar hohe Schulden überhaupt habe!? Ob es nicht - in Portugal, Spanien, Italien - Staaten in Europa gibt, die sogar noch höhere Schulden und damit Zinsenlast zu tragen hätten, ohne daß sie nach Schuldenschnitt verlangten. Die aber nach wie vor festen Willens seien, diese Schulden auch zurückzuzahlen.
Dazu komme, daß Griechenland von extrem niedrigen Zinsen profitiere (wobei ja der ESM mit seinen auf ganz Europa umfassenden Zinsniveau ohnehin bewirkt hat, daß die Höhe der Zinsen die ein Land zu zahlen hat seine Bonität gar nicht mehr ausdrücken.) Sodaß die jährliche Zinslast Athens gerade 4 % des BIP betrage, was durchaus europäisch üblich sei. Würde man mit einem (neuerlichen) Schuldenschnitt aber nicht das falsche Signal geben? Denn diese nüchternen Fakten würden doch belegen, daß es nicht an den Schulden, sondern an der Fiskalpoltik Athens liege, daß das Land schon wieder zahlungsunfähig sei. Athen, so Agenda Austria, soll aber doch endlich jene Reformen und Sparmaßnahmen und Liquiditätshebel durchdrücken, zu denen es sich doch verpflichtet habe, und die Voraussetzung für die bisherigen Rettungsmaßnahmen gewesen sind?
Tja, werte Herrschaften, hier stoßen wir an mehr als an rein politische Unwilligkeit. Hier stoßen wir an ein Grundproblem des westlich-kapitalistischen Systems. Der Fehler Athens war dabei nicht, zu hohe Schulden durch zu freimütige Ausgabenpolitik aufgeladen zu haben. Der Fehler Athens war ein gewissermaßen "akademischer" Fehler, denn es ist der Fehler jeder sogenannten volkswirtschaftlichen Betrachtung.
Die bei der Betrachtung von Volkswirtschaften von mathematisch abstrakten Modellen ausgeht. In diesen Modellen ist auch die Rechnung restlos aufgegangen, daß eine Stärkung der Kaufkraft durch willkürliche Erhöhung des Einkommensniveaus in Griechenland auch das volkswirtschaftliche Niveau in die Höhe treiben würde. Also ist es durchaus zulässig, die Schulden zu erhöhen, weil sie mit dem erwarteten höheren Niveau der Steuereinnahmen auch wieder bedienbar werden. Im besten Fall muß ein Land dazu an anderen Stellschrauben drehen - die ganz einfach die Produktivität der Wirtschaft erhöhten. Wozu kräftige Investitionen in Infrastruktur gehören, sei es in Datennetzen, Autobahnen, Brücken oder Handelsschrankenabbau. Dann würde sich das schon regulieren. So jedenfalls schaut es am Schreibtisch aus. Da, werte Herrschaften auch einer Agenda Austria, DA hätten wir Ihre warnenden Stimmen gebraucht, ihren Widerstand, ihre Zeitungsartikel. Wie sie der VdZ übrigens vorzuweisen hat. Der seit je unter dem Wortgeprassel von "Ostphantasie" und "Strukturwandelinvestitionen im Mittelmeeraum" Hautausschläge bekam weil sie jeder unternehmerischen Erfahrung und Seriosität widersprachen.
Aber daran haben sowohl Athen als auch die EU gerne geglaubt, denn das Modell ist einfach verführerisch. Und plötzlich kostete der simple Ouzo nach dem Essen auf Designgeschirr auf einem mit Hotelbetonschachteln zugewüsteten Pathmos mehr als in der Beckerstraße in Hamburg. Man hat nur eines übersehen - diese Gespinste und Vorstellungen von Prosperität sind einfach nicht wahr. Sie sind vielmehr Leiden.
Sie sind nicht wahr, weil in der Realität ganz andere und höchst komplexe Wirkmechanismen im Spiel sind. Mechanismen und Haltungen, die nicht einfach per Schreibtischentscheid zu verändern sind. Das glauben nur Vorzugsstudenden der WU Wien oder Harvard. Faktoren wie die Einstellung eines Volkes zur Arbeit sind nicht nru "auch wichtig", sondern sie sind Grundlage.
NEIN, wir wollen hier nicht und niemals den Griechen Faulheit vorwerfen! Dazu müßte man nämlich erst einmal argumentieren, warum die nordeuropäisch-puritanische Fleißgetriebenheit tatsächlich ein besseres Leben bedeutet. Ein Fleiß, der in der Moderne ein immer größer werdende Persönlichkeitsfelder fordert, in welche der Mensch sich fragmentieren. Als Arbeitender wie als Bewohner. Wo sich seine Leistung wie sein tägliches Leben von seiner Personsganzheit abtrennt, sich selbst maschinisiert, sich selbst instrumentalisiert und mit Zwängen und Zwangskreisläuften erwürgt.
NEIN, wir wollen hier nicht und niemals den Griechen Faulheit vorwerfen! Dazu müßte man nämlich erst einmal argumentieren, warum die nordeuropäisch-puritanische Fleißgetriebenheit tatsächlich ein besseres Leben bedeutet. Ein Fleiß, der in der Moderne ein immer größer werdende Persönlichkeitsfelder fordert, in welche der Mensch sich fragmentieren. Als Arbeitender wie als Bewohner. Wo sich seine Leistung wie sein tägliches Leben von seiner Personsganzheit abtrennt, sich selbst maschinisiert, sich selbst instrumentalisiert und mit Zwängen und Zwangskreisläuften erwürgt.
Dazu ist der Anwohner des Mittelmeerraumes per se wenig geneigt, und das war immer schon so. Selbst den alten Römern, selbst den alten Griechen warf man schon vor, daß sie die Arbeit nicht gerade erfunden hätten, sogar stinkfaul und arbeitsscheu waren. Die Römer überhaupt lebten lieber von Kapitaleinkommen und Wucher, als es keine neuen Eroberungen mehr zu plündern gab, und kein noch so etatistischer Kaiser (die Geschichte Roms seit Caesar ist eine einzige Geschichte des Zentralstaates und des Etatismus) hat das verändern können, und kein noch so restriktives Gesetz das Arbeit erzwingen wollte konnte ersonnen werden, das nicht binnen kurzem wieder umgangen wurde. (Die diesbezügliche Wirtschaftsgeschichte Ignaz Seipels ist hier übrigens brillant und ein Geheimtip!)
Die Wahrheit über Griechenland (und gar nicht wenige andere Länder, machen wir uns doch nichts vor) ist, daß man seine Zahlungsfähigkeit der tatsächlichen Leistungskraft anpassen hätte müssen. Seit je. Jetzt zu verlangen, daß es diese Leistung eben erhöhen müsse, auf das Niveau der Schreibtischmathematiker zu bringen habe, die von einem Menschen ausgehen, der bestenfalls in Nordeuropa vorkommt (und über die Nebenkosten und -effekte wollen wir hier gar nicht reden), ist alles andere als menschlich. Es ist schlicht dumm.
Daß man den Menschen dieses Raumes sogar eine gewisse Kindlichkeit zuschreiben muß (eine Aussage, die einmal ein - deutscher - Beichtpriester dem VdZ gegenüber geäußert hat, nachdem er verschiedentlich in Rom als Beichtiger ausgeholfen hatte), ist ebenfalls kein Grund. Darin liegt nämlich sogar eine poetische Kraft, die zu berauben ein Verlust für die Menschheit wäre und dem im Rationalismus und dem darauf ruhenden Kapitalismusverständnis tiefgefrorenen Nordeuropäer eines Tages noch wertvollste Regenerationsquelle am Weg zurück zum Menschen sein kann.
Dieses "Kind Athen", dem man keineswegs ohne Eigeninteresse mit dem randvollen Korb voller Erdbeeren und Hüftsteaks vor den Augen herumgetanzt ist, Erdbeeren und Steaks, die man in Wirklichkeit dorthin zu verkaufen hoffte, WENN diese Länder eben auch so eiskalt ihr Leben den Wirtschaftsmaschinerien ausliefern würden, hat einfach der Versuchung oder gar dem Druck nachgegeben.
Die EU braucht schon seit Jahrzehnten "Hoffnungsgebiete" - und das heißt praktisch immer, siehe Osteuropa, Gebiete mit einer weit weniger auf "Effizienz" ausgerichteten Wirtschaftsgebahrung als Lebensvollzugsgebahrung von Völkern - in die sie ihre unter Schulden nur so ächzenden Wirtschaft durch neu gewonnene Zukunft (die ja nur heißt: als geglaubte Zukunft) ihre unter mathematischen Gesetzen aufgezogene Überproduktion liefern können. Man gibt dazu hier den Kredit, mit dem dort diese Produkte gekauft werden können. Und schon sind tausende Unternehmensbilanzen wieder gerettet. Die sich selbst nur noch dem Umstand verdanken, daß sich nordeuropäische Menschen so bereitwillig rein mathematisch-abstrakten Anforderungen unterwerfen. Und "Maschinen auslasten", anstatt ihr Leben zu gestalten, die leben um zu arbeiten, statt arbeiten um zu leben.
Aber dazu waren die Griechen ganz einfach nicht bereit. Sie haben mit derselben, in einer ganzen Völkergeschichte erwachsenen Lebenshaltung auch das zufließende Geld betrachtet. Als die EU nach Cypern-Süd Milliarden verschob, um die dortige Wirtschaft über "Unternehmenskredite" auf Vordermann zu bringen, fuhren bald auffällig viele nagelneue Mercedes übers Land. Grund? Wer einen Mercedes wollte, meldete nun einfach ein "Taxiunternehmen" an - und schon floß Geld. Und jeder Bürokrat wars zufrieden, weil Cypern plötzlich so viel unternehmerische Aktivität bewies. Den Rest der Geschichte kennen wir ja. Auch Cypern mußte gerettet werden, wobei man in dem recht überschaubaren Land (sinnbildlich) einfach ein paar Luxuskarossen wieder zurückforderte.
DAS sind die Realitäten auch in Athen und auf den Inseln des Dodekanes. Sie haben sich um den Ehrgeiz einiger Politiker in Brüssel und im Parlament in Athen einfach nicht gekümmert. Und haben genommen, was man ihnen anbot - um eben wie bisher einfach zu leben, und zu arbeiten, was eben dafür gerade notwendig war. Und ging es ihnen damit nicht immer gut?
Nun besteht aber freilich das Problem, daß dieses Land durch europäischen Strohkopf, der wirklich daran glaubt, daß Wirtschaft ein mathematisches Rechenspiel ist, in all seinen ehedem gewachsenen Strukturen, wo ein Rad ins andere griff und irgendwie so alles funktioniert, soweit es eben notwendig und angeboten und nachgefragt war - man nennt das übrigens: freier Markt! - zerrüttet ist. Vermutlich nachhaltig. Nordeuropäisches Geld (wir rechnen der Einfachheit halber auch den anglo-amerikanischen Raum dazu) hat jedes gewachsene Wertgefüge völlig durcheinandergebracht. Bis sich das wieder einrenkt werden vermutlich Generationen vergehen.
Die Rückzahlungskraft der Griechen aber sollte man besser an dem bemessen, was sie VOR der europäischen Hochschaubahn hatten, in die man sie eingeladen hatte. Und ihnen den Gefallen tun, sie aus der Zwangsjacke des Euro wieder freilassen. Der Schaden ist auch jetzt schon groß genug. Er wird nicht kleiner.
Stattdessen sollte Europa daraus seine Lehre ziehen, die die gute alte österreichische Schule der volkswirtschaftlichen Betrachtung schon seit 150 Jahren anempfiehlt, und die sich immer wieder bewahrheitet: Keine Volkswirtschaft der Welt kann durch Geld und Geldzuflüsse "gehoben" werden. Sie wird dadurch aber mit Sicherheit ruiniert.
Das sollten sich auch die Wohlstands-, Ungerechtigkeits- und Gleichheitsphantasten auf die Ohren schreiben die da glauben, daß es lieb, nett oder gar christlich wäre, mit Geld um sich zu werfen. Denn DAMIT ist buchstäblich niemandem geholfen. Damit wird aber jeder ruiniert, weil sich sein Wertgefüge nicht gemäß seiner Persönlichkeit entwickelt und er auf jeden Fall dadurch in der Sittlichkeit absinkt. Wahre Wirtschaft gründet vielmehr immer in der Religion der Menschen selbst, denn auf ihr ruht jene Sittlichkeit auf, aus der heraus man die Welt gestaltet und in Angriff nimmt, als Auftrag versteht. Das vergißt heute offenbar selbst schon der Vatikanchef und dessen Moralentourage.
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