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Dienstag, 17. Mai 2016

Echtheit ist nicht machbar

Man kann an Dieter Wielands Filmen so viel erkennen, so viele Grundfragen der Gegenwart erblicken, daß es wirklich lohnt, sie zu sehe. Auch Jahrzehnte nach ihrem Entstehen, sodaß sie vieles, was heute mit viel Geld und vieler Mittelbindung wieder zu "korrigieren" versucht wird, halbwegs verständlich, aber auch einschätzbar machen. Denn oft wird durch Disneyland-Atmosphäre versucht zu simulieren, was längst verloren gegangen ist. Denn es ist ja nicht nur die Architektur, der optische Eindruck, es ist das Leben, das damit immer verbunden ist. Und sei es ein gelähmte, reduziertes oder fehlendes Leben.. Man hat in den 1970ern unsere Länder regelrecht zerstört, endgültig oft. Der oft genug seltsam erlebten Rückwärtsgewandtheit seiner Mutter verdankt der VdZ die Tatsache, daß er diese Veränderungen schon in seiner Jugend als Schmerz empfand.

Aber Wieland hat hier eines der seltsamen positiven Beispiele ins Bild gesetzt - Bayernsoien. Ein Rückbau geht aber nur mit der Bereitschaft einher, nötigenfalls auch auf Errungenschaften der Moderne - in den Gehirnen der Menschen durch "Ansprüche" verankert; Anspruch, überhaupt eines der Grundprobleme der Gegenwart, wir werden das noch weiter ausfalten, denn hier setzt alle Zerstörung an: im logos ... - zu verzichten. Lebensqualität wieder dort zu sehen, wo sie auch wirklich wurzelt. Und das ist nicht der Rechenschieber abstrakt-verklebter Schreibtischgehirne. Das ist das Leben selbst. 

Bayernsoien hat noch rechtzeitig genug reagiert. Da war gerade noch genug Substanz in der Bevölkerung, das Rückbauen war noch kein "Neuschaffen". "Was, dafür habt Ihr einen Planer gebraucht?" Eben. Genau das zeigt, wie noch Leben da war und gewußt ist. 

Viele "Rückbauten" heute funktionieren ja gar nicht mehr, denn es fehlt bereits die Lebenssubstanz in den Orten selbst. Sie bleiben also "Behübschungen", Fehlformen einer absurd gewordenen Romantik. Wenn sich etwa Wiener, die eines der längst billig zu erwerbenden Häuser im Ort als Wochenendsitz kauften, in die mit Landesmitteln gestützten Gastwirtschaft im Waldviertel setzen und dort "Lebensverwurzelungen" zu finden meinen, weil der Wirt die Stubendecke wieder in den Originalzustand versetzt hat und Produkte vom Land auf Gourmet-Niveau gehoben anbietet. Wo Musealität also jene Echtheit vorgaukelt, die dem heutigen Medienkonsumenten noch einzig zugänglich scheint.

Umso richtiger die Aussage in dem Film: Qualität läßt sich nicht mit Geld erreichen. Sie hängt von den Persönlichkeiten ab.

Nach wie vor aber entvölkert sich die ländliche Gegend, laufen gigantische Zentralisierungsprozesse, in der Steiermark, Niederösterreich sogar in dramatischem Ausmaß. Und nach wie vor brüsten sich Politiker allen (!) Couleurs mit neuen Schnellstraßen, die zu bauen sie "erreicht" hätten und immer in einer weiteren Entvölkerung, Entsubstantialisierung des Landes - bei gleichzeitiger Disneylandisierung - münden.

Eine wirkliche Erneuerung der Dörfer kann niemals spektakulär verlaufen. Sie kann nur gelingen, je leiser, unauffälliger, scheinbar beiläufiger sie passiert. Erst dann passiert sie wirklich. Auch bei Rückbauten. Entblutet ist nämlich ein Organismus rasch. Aber das Leben läuft immer langsam, wo es es die Welt wieder neu mit Blut durchwirkt und zur Kultur hebt. Dazu braucht es Organizität, keine ehrgeizigen Schreibtischprogramm.

Gerade das nicht Planbare, Zufällige, Eigenwillige ist nämlich das Entscheidende, Lebenswerte. Die Freiräume, das Unperfekte, das noch nicht Fertige das, das auch kommenden Generationen noch Bewegungsräume gibt und den Ort, das Dorf als Lebens- und Wirklichungsraum erfahren lassen.

Kleines Beispiel: Eine Straßenlampe muß nicht die Nacht zum Tag machen, das erhöht auch die Sicherheit nicht wirklich, weil es zwar Verantwortung verlangt, aber dafür keine Aufforderung bietet, Verantwortung zu vergessen. Eine Straßenlaterne soll stattdessen einfach Orientierung ermöglichen. Plötzlich wird aber sogar der Sternenhimmel wieder sichtbar. Und - ist das nicht jene Orientierung, die eigentlich aller Verortung zugrundeliegt?

Plötzlich, so der Bürgermeister nach dem offenbar noch rechtzeitig erfolgten Rückbau, kann man sich wieder so frei bewegen, es wird viel weniger geschimpft, und plötzlich ist alles wieder so selbstverständlich. Auch wenn es nicht allen paßt, aber das hat es auch mit der vorigen Lösung - der Normstraße durch den Ort - nicht. Was gibt es Besseres zu sagen?








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