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Donnerstag, 21. März 2019

Aber die Frage beantwortet es nicht

Spätestens in diesen Vorträgen, die der Ökonom Hans Werner Sinn zum Brexit und seinen Folgen hielt, zeigt sich die Unzureichendheit der sogenannten Wirtschaftswissenschaften, wenn sie gesellschaftliche, politische Vorgänge beschreiben soll. Dazu fehlt ihr die richtige Methodik. Denn anders als meist heute geglaubt, ist Ökonomie kein Produkt von Mathematik und bloß ökonomischen Zusammenhängen, sondern Wirtschaft ist ein Teilgebiet der Morallehre, der Moraltheologie. Das Erkennen und Beschreiben von wirtschaftlichen Vorgängen, die deshalb nur posthoc beschreibbar sind.

Ja, man kann sagen, was einzelne Faktoren bedeuten, wie sie auf andere Faktoren wirken. Aber man kann nicht sagen, was daraus im Insgesamt einer Volkswirtschaft wird. Dazu fehlt ihr jene Vision, die die Moraltheologie hat - Wesenserkenntnis. Und damit auch die Erkenntnis dessen, was "gut" und darin "gewollt" ist. Selbst wirtschaftliche Verwerfungen sind damit keineswegs "an sich" böse, sondern oft bloß zu ertragende Wirklichkeiten, die mit dem Anstreben des Richtigen zu tun haben. Aber das Richtige anzustreben kann niemals heißen, sich vor den Folgen zu fürchten.

Ja, es kann sein, daß ein Austritt Großbritanniens aus der EU zu wilden Verwerfungen führt. Es kann sogar sein, daß er Großbritannien auseinanderreißt. Aber das kann kein Grund sein, DESHALB dagegen zu sein.

Deshalb ist der Vortrag von Sinn "interessant", gewiß. Und stellt etwas sehr Richtiges vor Augen, nämlich die Notwendigkeit, den Sozialstaat (wobei er in seiner derzeitigen Form abzulehnen ist, eben aus Fragen des Gemeinwohls) zu nationalisieren, wenigstens insoweit, als man 'Erworbene Ansprüche' von 'Ererbten Ansprüchen' trennen muß. Es wäre eine Mindestforderung, die wir auch so längst durchsetzen müßten, daß für Sozialansprüche auch die Herkunftsgesellschaft zuständig bleibt, sich nicht einfach davon durch Auswanderung absentieren kann. Aber das wiederum kann und muß im Rahmen einer Beschneidung des Sozialstaates nach den strengen Geboten der Subsidiarität, und der Zurücknahme der "Präventiv-Sozialmaßnahmen" gesehen werden. In denen nur einer falschen, mathematisch heruntergebrochenen Betrachtungsweise von Volkswirtschaft als Geldproduktion entsprochen wird. 

Aber auch nicht mehr. Sinns Betrachtungen sind deshalb keine Anleitung an die Politik, wie zu handeln wäre. Denn die Frage des Gemeinwohls, die der Politik am Herzen brennen muß, was also für ein gelungenes Leben der jeweils betroffenen Gesellschaften am besten wäre, beantwortet solch eine Betrachtungsweise nicht. De Gaulle schien noch mehr zu verstehen, daß die Frage nach dem Gelingen von Leben nicht einfach über Vor- oder Nachteile aufzudröseln ist, die eine Wissenschaft betrachtet (so Ökonomie überhaupt eine ist), die sich nur auf Teilabläufe beziehen kann, die sie mechanistisch aus dem Insgesamt von Leben und Wohl herauslöst. Genau das hat uns in dieses Schuldendesaster geführt, das uns jetzt das Maß allen Handelns auferlegen soll.

Das Vorgetragene beantwortet deshalb auch nicht die "Nordirland-Frage", die nicht auf die Frage reduzierbar ist, ob es nach dem Brexit bei einer "Backborder-Lösung" wieder zu Gewaltausbrüchen kommen wird. Friede kann man nicht auf die Abwesenheit von Blut reduzieren.







*220119*