Dieses Blog durchsuchen

Sonntag, 31. März 2019

Arme Schauspieler (2)

Teil 2)




Wenn trotzdem die Filmserie mit sehr bemüht, aber durchaus gefinkelt (ab und zu freilich zu "gewollt") eingesetzten "Cliffhangern" in reichem Maß protzt und tatsächlich vor allem in der zweiten Hälfte der insgesamt acht vorliegenden Folgen spannend ist, dann verdankt sie das etwas ganz anderem. In diesem Sammelsurium von Unwahrheit und Konvention finden sich eine Reihe von archetypischen Konflikten und Motiven, deren man sich bedient. Die der Zuseher immer bereitwillig sucht und annimmt. Und dabei die Realisation gerne vernachlässigt. Wenn einer Figur der Tod droht, ist es gleichgültig, ob alles an ihr frei erfunden-unorganisch, und die Handlung stumpfsinnig ist - man fürchtet um sie.

Und ersetzt die Schwächen des Drehbuchs sowie der Umsetzung durch eine ganz eigene Handlung, die man unbewußt dazu hängt. Man sieht buchstäblich etwas anderes als die Filmemacher meinten, daß man sehen würde oder sollte. Identifikation läuft eben ganz anders, gestaltbezogen, als man meist meint. Wie ausgehungert muß das Publikum sein, wenn die Vertriebsgesellschaften aus mittlerweile hundert Ländern (schreibt Sky auf seiner Seite) die Serie gekauft haben. Unter nicht enden wollendem Hinweis, daß sie mit dem Urfilm etwas zu tun habe (und dessen Musikthema verwendet, damit man es nicht vergißt). Wie niedrig muß das allgemeine Niveau der TV-Produktionen bereits sein, damit man solche Serien für unabdingbar im eigenen Sendeprogramm hält. Oder ist es genau das, was die fundamentale Schwäche des Films (und der Fernsehprogramme weltweit) ist - als weitere Übung in ideologisch-pädagogischer Ausrichtung, die sie alle sehen? Wie auch immer, auch "Das Boot" (2018) wird den (unbewußten) Hunger des Publikums nach Wirklichkeit, nach Leben, nach Wahrheit nicht stillen, sondern nur verstärken.

Dabei sind weitere Staffeln wohl schon am Reißbrett. Denn in der allerletzten Szene des letzten Teiles taucht der zuvor verschollene - weil einfach am Meer ausgesetzte - frühere Kommandant plötzlich auf. In New York, beim Bankierssohn, der ihm sein Leben verdankt und somit in seiner Schuld steht. Wehe wehe allen übriggebliebenen U 612-Mannschaften also, denn ihnen droht nun die Aufdeckung ihrer Meuterei.

Aber dieser Kontrapunkt wird dann die nächste Staffel dramaturgisch unterfüttern. Denn einem allfälligen Rachefeldzug (wohl mit einer Lesbe in seinem Team, denn beide sind ja so richtig tragische Nazigegner, immer gewesen) stehen nun auch ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung. Wenn nicht gleich, dann nach dem Krieg. Denn angeblich ist sogar eine dritte Staffel angedacht. Und richtige Seeschlachten im Film sind teuer, und die Kostensparvariante von "Das Boot" (2018) auf Dauer langweilig. "Das Boot" (1981) hat ja alles gezeigt, der Zuschauer kennt also schon wie es ist, wenn man mit Wasserbomben beharkt wird und beim Abendessen It's a long way to Tipperary grölt.

Vielleicht erfahren wir dann in weitern intellektuellen Höhepunkten auch mehr von den Verstrickungen der Wall Street in die Nazigeschichte, könnte der Welt zeigen, daß die Nazituerei nie endete. Und so sehen wir in der letzten Szene der letzten Folge der zweiten Staffel bereits den Ex-U-Boot-Kommandanten im feinen Nadelstreifen versonnen auf ein Photo seiner geliebten ehemaligen U 612 blicken, das an der Wand seines New Yorker Büros hängt, und die großen Worte in gepreßtem Ton vor sich hinsprechen: "Ich krieg Euch noch!" Es bleibt spannend, werter Leser, bleiben Sie dran. Auch wenn es dem Regisseur der ersten Staffel selber schon langweilig wurde, und er, wie man las, neue Herausforderungen suchte - und ging, weil er das nun alles kennt. Naja, seine Rente hat er sich ja mit den ersten acht Folgen "Das Boot" (2018) schon verdient. Auch in anderen Filmen muß man endlich zeigen, wie böse Nazis und wie überlegen unterdrückte Frauen sind.

Alles in allem - schade um das viele Geld, das hier einmal mehr verbraten wurde. Schade um die vielen Schauspieler, die völlig verfehlt geführt wurden (und heute systematisch fehlgeleitet werden). Die sich irgendein Spiel aus den Eingeweiden saugen müssen, von Moment zu Moment fallen, weil eine historisch-wahrhaftige Entwicklung gar nicht möglich ist. Wie also solle man sie spielen? Es liegt damit auch der bekannte Fehler des Regisseurs Andreas Prochaska am Teller, dessen Filme schon bisher ein Wettbewerb der starren Figuren waren. Die keine Entwicklung machen, die auch nur irgendetwas mit Menschsein und Welt zu tun hat, außer in den Vorstellungen des Regisseurs. Sondern wo sich alles in dessen ideologischen Konstrukten abspielt, die eben das liefern, was ideologische Konstrukte liefern: Bleierne Starre.

Aber Menschen aus Fleisch und Blut, richtige Charaktere vermag der gegenwärtige Film nicht mehr zu schaffen. Und schon gar nicht dieser Regisseur (mit seinem Lieblingsthema "Die unterdrückte Frau im Wandel der Jahrtausende"). Nicht einen einzigen Moment wird man in "Das Boot" verführt, oder dabei ertappt, sich mit dem Falschen zu identifizieren. Das ist aber Voraussetzung für Katharsis. Von Anfang an steht fest, wer gut ist und wer böse, ist klar, was zu denken, wie zu urteilen ist. Denn was gut ist bleibt gut, was böse ist bleibt auch böse.

Und das Böse muß natürlich auch noch so dumm sein, daß sich nur ein Beamter, dem jedes Leben fremd ist, vorstellen kann, wie so eine Nation, solche Menschen solch eine Faszination, so eine militärische Wirkung entfalten konnten, wie es 1933-45 der Fall war. Von dieser Tragik erzählen noch Filme aus der unmittelbaren und späteren Nachkriegszeit. Aber heute hat man keine Ahnung mehr. Und genau das spürt man auch in der gegenwärtigen politischen Auseinandersetzung 1 : 1.

Arme Schauspieler. Woran sollen sie heute noch reifen? An "method acting" oder sonstigen Methoden? Woran sollen sie noch das werden, was die Essenz des Künstlertums ausmacht - universal? An starren, unlebendigen Figuren, an geistlosen Pseudo-Konflikten, die bestenfalls nach "Schema F Drehbuchseminar 264" ablaufen?

Stattdessen werden sie zu Poseuren ideologischer Fragmente entwürdigt, die dann geistlose, im besten Fall clevere Macher zu einem angeblichen Film zusammenschustern. Der den Grundpathos der Gegenwart verbreiten soll: Wir sind die Guten. Der aber das nicht mehr zu leisten vermag, was Kunst leisten muß: Eine Zeit archetypisch läutern. Aber dazu müßte man erst einmal die Wirklichkeit kennen. Erst dann kann man die Abweichungen davon absplittern, und das Reine, das Wahre übriglassen. Es gab Zeiten (und immer noch Ausnahmen), da wurden Schauspieler mit dem Alter immer weiser. abgeschliffen an wahren Charakteren, an wahren Stücken, an großen Dichtern, an hervorragenden Regisseuren, die jede Subjektivität ausschmolzen. Heute werden sie wohl dumm sterben. Aber das umso lauter.







*250119*