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Montag, 18. März 2019

Stimmt das wirklich einfach so?

Ein wenig hat der VdZ auch solche Äußerungen über, wie sie hier der deutsche Handballer Stefan Kretzschmar zu Ansehen und Mediengeraune brachten. Das Gerede über mangelnde Meinungsfreiheit und Gesinnungsdruck ist nämlich ein Stück weit auch ein selbstmitleidiges Gejammere. Das eine Utopie will - ein Land, wo alle sagen können, was sie denken, und jeder es akzeptiert, auch wenn er ihm nicht zustimmt, sodaß sich wieder alle lieb haben - die es weder so einmal gab, noch je so geben wird. 

Was oft übersehen wird, daß die Sache eine zweite Seite hat. Und die ist der größere Mangel. Es geht um das, was man Zivilcourage nennt, es geht um das, was man Bereitschaft nennt, auch Gegendruck und Böses auszuhalten. Denn die Stärke der Schwachen lebt erst so richtig, wenn die Starken schwach sind. Deshalb muß man die mangelnde Meinungsfreiheit zuerst einmal in einem Gleichschritt mit dem Verlust jenes Ethos gleichsetzen, der das Abendland überhaupt erst geschaffen hat. Und das ist die Bereitschaft, ein Kreuz zu tragen, es ist die Bereitschaft auch unter dem drohenden Tod zu seiner Überzeugung zu stehen.  Erst so kann ein schöpferisches Kulturklima entstehen.

Ja, es gibt Meinungs- und Gesinnungsdruck, und ja, es gibt ungeheure Gewaltbereitschaft, den der anders denkt und anders handelt niederzuschlagen. Vermutlich wird es nicht viele Leser dieser Zeilen geben, die das hautnah und brutal erlebt haben (und immer noch erleben) wie der VdZ. Aber es führt zu nichts, sich unter diesen Prügeln heulend in eine Ecke zu verkriechen und zu fordern, daß die anderen aufhören sollen, so böse zu sein. Man muß ihnen widerstehen! Und die Schläge wegstecken lernen. Und TROTZDEM das Richtige tun. Denn es geht nicht um Erfolg oder Durchsetzungsgewinne, es geht um die eigene Haltung, es geht um den eigenen Zugewinn an Leben. Und den hat man erst bei und durch Selbstüberschreitung, nicht durch Introversion.

Anders wird die Forderung nach mehr Meinungsfreiheit viel zu schnell zu einer Unterabteilung der political correctness. Die alles weghaben will, das schmerzt, und so zu einer Forderung wird, die alles verdammt und als unmoralisch abstempelt, das Anstrengung bedeutet. Und zwar die Anstrengung des Menschseins. Da können wir durchaus Anleihen bei den alten Griechen nehmen, die ihr Leben nicht deshalb gering schätzten, weil sie es nicht liebten, im Gegenteil, sondern die wußten, daß das wirkliche Leben, die wirkliche Frucht, das wirkliche Glück aus der Selbstüberschreitung erwächst. Aus dem Ewigen, meinetwegen: dem ewigen Ruhm, in dem der Gedanke an ewiges Leben verwoben ist. Keine schlimmere Strafe deshalb als nach dem Tode vergessen zu werden.

Was ebenfalls dabei gerne vergessen wird ist, daß diese Meinungsäußerung, diese Freiheit untrennbar mit jenen Lebenskreisen verbunden ist, die einem zustehen, die eines Aufgabengebiet darstellen. Das gegen jene geredet, die da meinen es käme darauf an, möglichst große Massen dazu zu bringen, den Mund über hohe Politik und einfach alles aufzumachen. Stattdessen hat gerade das angeblich befreiende Internetzeitalter samt social media eine Jahrhundertflut an unwesentlichen, substanzlosen Äußerungen gebracht. Auf das wir gerne verzichten können. 

Es würde also vielen auch guttun, den Mund ein Stück weit weniger aufzureißen, weniger zu posten, weniger sinnlose Twitterspenden weiterzuleiten, den Nächsten ein Stück weit weniger mit eines bescheidenen Gedankenergüssen zu nerven. Sondern sein Reden auf das zu beschränken, das unmittelbar und konkret mit eines Lebenskreis zu tun hat. Wie viele gibt es, die die große Lippe führen, wenn es um Migration und Integration und Steuerpolitik und die USA geht, die aber in den eigenen vier Wänden stillschweigend eine Umkehrung aller Ordnung akzeptieren. Denn dort, dort würde es wehtun, und mehr kosten als ein paar Cent Stromkosten für das Absetzen einer hochwichtigen Internetbotschaft. Es wird heute also viel geredet, aber wenig, sehr sehr wenig gedacht, denn das hat mit Sittlichkeit zu tun. Auf allen Seiten.

Eine Gesellschaft, eine Kultur ist immer in Segmente aufgeteilt, ist ein Organismus, in dem jedes Organ seine eigene Funktion hast. Da gibt es Schneider, Bäcker, Furchenzieher und Dochtschwärzer, aber da gibt es auch Priester, Dichter und Philosophen, deren Aufgabe es ist, die Sprache all der Schneider und Furchenzieher aufzufrischen und die Begriffe, sie sich wie Schlacke wieder und wieder anlegen, aufzuklären und zu säubern. Um sie dann, gereinigt, den Bäckern und Dochtschwärzern zurückzureichen. Deren Aufgabe ist, Furchen zu ziehen und Dochte zu schwärzen und gutes Brot zu backen und ihre Toten zu ehren, nicht über Liturgiereformen und Trumpaussagen zu diskutieren. 

Hier täte mehr Ehrfurcht gegenüber den Dichtern, Priestern und Philosophen mehr als gut. Sie sind die Meister der Sprache, damit des Denkens, damit auch - der Meinung. Stattdessen haben wir es doch mit den faulen Früchten eines falschen Menschenbildes zu tun, wie es die Aufklärung vertritt und nach wie vor verbreitet hat. Auch und gerade unter so vielen "Andersdenkenden". Dieses System jedoch funktioniert nur, wenn auch die Kirche funktioniert, als Gegengewicht und Gegenautorität. Es braucht also Religiosität, und zwar vor allem Religiosität, nicht mehr Meinungsfreiheit. Als das Leben mit einer Verpflichtung, die größer ist als aller Druck, unter dem ich stehe, weil ich anders denke als neun Zehntel der Stammtischbrüder.

Also, Herr Kretzschmar, sie waren doch Sprecher der Handballer (oder so ähnlich), hatten also den Lebenskreis, der Opfer verlangt hätte. Wo war da bisher die mutige Pflichterfüllung? Oder erwarten Sie, daß Ihnen doch die einfachen Leute ihre Mühe abnehmen, die sie nicht zu leisten bereit waren?

Von Mut und Freiheit kann man eben nur reden, die wird sich nur in dem Maß ausbreiten, wenn die Menschen sich der ersten, ursächlichsten Wirklichkeit - Gott - mehr verpflichtet fühlen als den Gesetzen der Welt, die immer restriktiv waren und sein werden, wenn es zu wenig gibt, die den hermetischen Kreis aus Eigensucht und seelischer Niedrigkeit auf das Ewige hin durchbrechen. Und so den stinkenden Haufen, zu dem jede gottlose Gesellschaft verkommt, zwangsläufig verkommt, kräftig auslüften, auf daß wieder Blumen wachsen, nicht Stampffäule aufsteigt.

Ohne die Haltung also, nötigenfalls auch zum Märtyrer zu werden, wenn man sich und dem treu bleibt, an das man glaubt, das man für richtig und wahr hält, geht das also nie ab. An solchen Menschen aber mangelt es. Nicht an Menschen, die zu allem und jedem den Mund aufmachen und in Wirklichkeit nichts zu sagen haben. Davon gibt es auch heute mehr als genug. Sie ist meist Ausfluß von Narzißmus und allzu oft nicht mehr als das Gejammere von Menschen, die Erwartungen hatten, die sich nie erfüllen lassen. Auf allen Seiten.

Oh ja, das ist schwer, oh ja, das ist nicht leicht, und oh ja, dagegen verstößt man täglich siebenmal siebzigmal. Aber genau deshalb muß man tagtäglich neu aufstehen, tagtäglich neu anfangen, um jenen Mut zu kultivieren, den jede Meinung braucht, so sie eine ist. Auf daß sie dann im Wind hängen kann, ohne daß sie zu stinken beginnt. Und von der ewigen Weisheit und Wahrheit berichtet. Aber bei sich, bei sich muß jeder anfangen. Von Utopien, daß erst alle anderen, dann ich so sein muß, haben wir nämlich genug.








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